Im Gegensatz zu den so genannten No Go Areas ist die Frankfurter Buchmesse inzwischen wirklich eine. Aber wo der rechtsextreme nazirassistische Narzissmus droht, wächst das Mahnende auch, und so fasste sich eine grüne und auch sonst nicht unbunte Dame in Frankfurt spontan und aktivistisch ein Herz, erklomm kühn das Podium einer Oppositionspreisverleihung, unterbrach die Ansprache der/des Bürgerinnen- und Bürgermeisterinnen und ‑meisters, um die Urheber ihrer Ängste zu benennen. Wenn schon Opposition, dann wirklich...
Wer meint, dass sei eine verabredete Farce gewesen, missversteht den mittelheiligenden Zweck. Auf der weltgrößten Bücherschau durfte nämlich schon wieder ein rechter (!) Verlag ausstellen, obwohl die Veranstalter und diverse antifaschistische Widerstandskämpfer in den Jahren zuvor teilweise erfolgreich versucht hatten, solche Verlage – es waren derer sogar einmal drei – zu vertreiben. Dennoch war die Dominanz der Rechtsradikalen heuer fast noch bedrückender als sonst, denn während 2019 mehr als 300.000 Besucher auf das kontaminierte Gelände strömten, wurden diesmal aus den bekannten 3G-Gründen nur 25.000 Gäste pro Tag zugelassen, das heißt, es kamen zwar insgesamt weniger Menschen an den gefährlichen Stand bzw. in dessen Nähe, aber anteilmäßig womöglich mehr als früher. „Die Ausstellerzahl”, meldete die Tagesschau, „war vor zwei Jahren mit 7500 fast viermal so hoch.” Das Verhältnis zwischen rechten und rechtgeleiteten Verlagen betrug folglich schon wieder 1 zu knapp 2000. Den Inzidenzwert kann sich jeder anständig Gebliebene selber ausrechnen. Wo soll das hinführen? Große Sorgen, richtig große Sorgen, machte sich darob die sozialdemokratische Bürgerinnen- und Bürgermeisterinnen und ‑meisterin.
In diesem Zusammenhang sei an die vorbildliche Oppositionsarbeit in Oregon erinnert.
Der glaubt wirklich alles, was er liest. Und die Angst liest mit in Frankfurt!
Kuhnke weiß Rat |
Bei der Ansicht, literarische Qualität habe mit etwas anderem zu tun als mit Herkunft, Anderssein und Hautfarbe – „Wenn die Zulus einen Tolstoi haben, werden wir ihn lesen” (Saul Bellow) –, handelt es sich um ein typisches Exempel weißer suprematistischer strukturell rassistischer Cancel Culture gegen Andersfarbige bzw. Querbegabte. „Vier breite Jungs mit Bürstenhaarschnitt” hat die Zeit-Autorin am Stand von Jungeuropa wohl mehr aus sicherer Ferne erspäht als angetroffen, und wie weit es vier zu Allem Entschlossene bringen können, lässt sich bei Alexandre Dumas d. Ä. nachlesen (übrigens der Sohn einer schwarzen haitianischen Sklavin und damit woke qua Geburt); auch die Serie „Vier Panzersoldaten und ein Hund” sowie die „Viererbande” und last not least die Evangelisten des Neuen Testaments liefern, wie man sagt, darüber Aufschluss.
Aus Dokumentationsgründen und um die Entwicklung anschaulich zu machen, verweise ich auf die Acta-Einträge Klonovskys zu den Buchmessen 2018 und 2019 und zitiere anschließend außerdem seinen (in der Seitenhistorie nicht mehr verfügbaren) Acta-Eintrag vom 13. Oktober 2017, als die Kampagne gegen „rechte Verlage” auf der Buchmesse zum ersten Mal so richtig in Fahrt kam:
„Auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren sich in diesem Jahr auch einige rechte bis rechtsextreme Verlage”, verkündete Alexander Skipis, der dem Börsenverein des deutschen Buchhandels als Hauptgeschäftsführer vorsteht, in dessen Newsletter und lud „dazu ein, die Begegnung mit den Verlagen nicht zu scheuen und für Ihre Meinungen und Werte einzutreten. Meinungsfreiheit heißt auch Haltung zu zeigen. Engagieren Sie sich!” Damit die Haltungszeiger nicht an die falschen Stände tapern, setzte Skipis hinzu: „Drei dezidiert rechte Verlage werden mit einem eigenen Stand vertreten sein: Antaios (Halle 3.1, Stand G 82), Manuscriptum (Halle 4.1, Stand E 46) und die Junge Freiheit (Halle 4.1, A 75).”
An zweien der drei Stände sind in den beiden vergangenen Nächten Unbekannte vorstellig geworden, um sich zu engagieren und ihre Werte zu verteidigen, wobei sie die Begegnung mit den Rechten selbst freilich scheuten; nobody is perfect. Jedenfalls traten sie „für eine offene, vielfältige Gesellschaft ein, für Toleranz und Solidarität”, wie es der Herr Skipis in seinem Newsletter mit Zielzuweisung und Adressangabe forderte, sowie nebenbei auf die Bücher und Verlagsstände. Letzte Nacht war der Manuscriptum-Verlag das Ziel, wobei man angesichts der Tatsache, dass die Messe bis Samstag eine geschlossene Veranstaltung ist, vermuten darf, dass diese Lemuren von irgendwelchen linken Stiftungen oder Verlagen kommen, um auf ihre sympathische Art für Vielfalt zu werben. So fanden die Manuscriptum-Mitarbeiter heute morgen ihren Stand vor, den sie am Abend mit den Neuerscheinungen gefüllt hatten.
Zu den aktuelle Manuscriptum-Autoren gehören Rolf Peter Sieferle, Vaclav Klaus, Metropolit Hilarion, Dimitrios Kisoudis und Alexander Gauland. Bei Manuscriptum erscheint auch die Buchversion der „Acta diurna”, in der sog. Backlist finden sich aus meiner sog. Feder die „Lebenswerte” sowie „Land der Wunder”. Wie Sie sehen, waren die nächtlichen Besucher, die offenbar nicht alle Bücher wegschleppen konnten, der Ansicht, „Land der Wunder” gehöre in den Müll, was diesem heiteren, ja qietschvergnügten und literarisch anspruchsvollen Roman gegenüber ein bisschen unfair ist. Immerhin haben die Nachtfalter insofern Geschmack bewiesen, als sie mich zusammen mit Henry Louis Mencken entsorgt haben; mit dem gemeinsam ginge ich überall hin, mit Mencken stellte mich sogar an den Pranger.
In den, wenn man so will, Geisteszustand der Engagierten geben folgende Hinterlassenschaften Einblick.
Diese nächtlichen Besucher waren offenkundig verhetzte Teenager, die sich in ihrem sinistren Treiben legitimiert fühlen durch Opportunisten wie Skipis oder den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der in seiner Rede am Eröffnungsabend der Messe angekündigt hatte, er werde mal „an diesen Stand” gehen – er meinte den Antaios-Verlag –, sich „diese Antidemokraten” (kann auch sein, dass er Demokratiefeinde sagte) anschauen und ein ernstes Wörtchen mit ihnen reden. Als er tags darauf tatsächlich bei Antaios vorbeischaute, waren ihm die außerhalb der Öffnungszeiten Engagierten bereits zuvorgekommen. Ob er heute auch zu Manuscriptum geht, den Schaden zu besichtigen? Er kann ja mal seinen Parteifreund Maas anrufen; vielleicht hat der Informationen darüber, an welchem Stand heute Nacht Offenheit und Vielfalt exekutiert werden.
„Gegen Rassismus auf der Buchmesse” donnerhallt es, die „Werte” des Börsenvereins aufgreifend, von dem auf dem Foto zu sehenden gelben Aufkleber, und der wurde unter das Konterfei von Rolf Peter Sieferle platziert, dessen Gesamtausgabe bei Manuscriptum erscheint. Band eins, „Epochenwechsel”, ist eines seiner Hauptwerke; auf einer Buchmesse, die in einem freien Land unter Beteiligung geistig hochstehender Rezipienten stattfände, würde sich das Publikum vor einem solchen Werk drängeln. Überhaupt wird man diesen Max Weber des späten 20. Jahrhunderts dereinst zu den bedeutendsten deutschen Sozialwissenschaftlern schlechthin zählen (ob auch in Deutschland, ist völlig unwichtig), und als Umwelthistoriker ist er ohnehin singulär. Auch dieses Buch ist von den linksgescheitelten Erben der Literaturentsorger vom Berliner Opernplatz gestohlen und vernichtet worden, was nicht zuletzt die Genossen Medienschaffenden mit ihrer Anti-Sieferle-Kampagne zu verantworten haben. Sie deshalb als Lumpen und Habitatsnazis zu schelten, wäre zwar angemessen, widerspräche aber meiner Wohlerzogenheit mütterlicherseits.
PS: Eine Stellungnahme der Messeleitung oder des Börsenvereins zu der doch eher ungewöhnlichen Tatsache, dass auf der Buchmesse Bücher gezielt entfernt und zerstört werden – stellen Sie sich vor, dergleichen wäre bei Suhrkamp oder Unrast passiert –, ist bislang nicht erfolgt.
Und in Leipzig sieht es inzwischen danach aus, dass Gil Ofarim nicht besser ist als Mahn und Kuhnke.
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