Klagen wir? Stellen wir klar?
Zweimal ja, und wir beginnen mit einer Wiedervorlage. In Erinnerung zu rufen sind Karlheinz Weißmanns Definitionen zweier Begriffe, gegen die sich der Angriff des Verfassungsschutzes richtet: Volk und Homogenität.
Indem wir die Definitionen dieser beiden Leitbegriffe erneut veröffentlichen, widerlegen wir zugleich eine Behauptung, die zu den unhaltbaren im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt gehört. Dort wird zunächst aus einem Beitrag zitiert, den ich schrieb, um zu begründen, warum wir unsere externen Akademiereferenten nicht mehr der öffentlichen (und das bedeutet immer: denunziatorischen) Berichterstattung aussetzen wollten. Ich schrieb:
Jahrelang haben wir transparent gearbeitet, haben das getan, was man ‚Gesicht zeigen‘ nennt – eine komplett ausgelutschte Sache. Diese Transparenz, die jedermann (auch Haldenwang) zeigte, daß mit uns auf eine anständige Weise zu rechnen sei, hat unsere behördliche Kriminalisierung nicht verhindert. (…) Daher ist nun Schluß mit der Transparenz. Sollen die sich halt Mühe geben.
Der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt schlußfolgert daraus:
Typisch für rechtsextremistische Gruppierungen, die von Verboten, Löschungen, staatlichen Entscheidungen o. ä. betroffen sind, nimmt auch das IfS eine „Opferrolle“ ein. Die hier von Götz KUBITSCHEK suggerierte Transparenz war und ist Illusion. Er legte in der Vergangenheit weder Struktur noch Ideologie des IfS offen.
Wir werden in einem späteren Beitrag die Frage erörtern, wie ein bis vor kurzem gemeinnütziger Verein nicht transparent sein kann, der erstens alle drei Jahre auf Herz und Nieren geprüft wird und zweitens 41 Studien, 104 Ausgaben seiner hauseigenen Zeitschrift, rund 100 Vortragsvideos und Podcasts sowie - Stand heute - 5670 Beiträge in diesem Blog veröffentlicht hat.
Heute soll es aber um die Wiedervorlage, also die erneute Veröffentlichung zweier Begriffsdefinitionen gehen, die so transparent wie jede Publikation nicht erst mittels "Beobachtungsmitteln" ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden müssen, sondern seit 2009 im immer noch lieferbaren Band 1 des Staatspolitischen Handbuchs nachzulesen sind, verfaßt von Karlheinz Weißmann, gefördert vom Institut für Staatspolitik.
Die hier nun wiedervorgelegten Definitionen beider Begriffe sind deswegen eminent wichtig, weil sie die starre Zuschreibung durch den Verfassungsschutz widerlegen. Sie zeigen, was jeder wissen kann, der unsere Arbeit verfolgt (im doppelten Wortsinn!): Von Reinheitsvorstellungen ist bei uns - abgesehen von Küchenzeile und Unterwäsche - keine Rede, also auch nicht mit Blick auf ein Volk, ebensowenig aber von Beliebigkeit, reinem Konstrukt und "unbeschriebenem Blatt". Wir sprechen von substantieller Gleichheit, von "Wir" und "die Anderen", von relativer Homogenität undsoweiter.
Wir hätten neben Volk und Homogenität auch noch Begriffe wie Differenz, Erbe, Hierarchie, Menschenbild und Rasse wiedervorlegen können. Allesamt sind sie im Band Leitbegriffe des Staatspolitischen Handbuchs definiert, unterfüttert immer auch mit prägnanten Stellen aus Werken wichtiger Denker, die sich zum Thema äußerten.
Wer also weiterlesen und eine Vorstellung davon gewinnen möchte, was weltanschauliche Transparenz ist, kann die fünf Bände des Staatspolitischen Handbuchs (insgesamt über 350 Begriffe, Werke, Vordenker, Orte und Daten auf über 1000 Seiten) hier für den politischen Preis von nur 67,50 € erwerben, jeden Band natürlich auch einzeln.
Nun aber: Volk und Homogenität.
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Volk ist, was folgt, das heißt der Begriff bezog sich ursprünglich auf ein Gefolge, eine Gefolgschaft nicht nur militärischen Charakters, die sich einem Herrn anschloß. Damit ist allerdings die Menge der Entstehungsmöglichkeiten eines Volkes nicht erschöpft. Es müßte im Rahmen der Ethnogenese – »Volkwerdung« – noch hingewiesen werden auf die »Urvölker« und auf Völker, die durch Zusammenschluß entstehen. Die oft mit dem Begriff Volk verbundene Vorstellung, daß Völker auf gemeinsame Abstammung im strengen Sinn zurückgeführt werden können, ist allerdings falsch. Vielmehr ist darauf zu verweisen, daß Völker historische Größen sind und nicht ohne organisatorischen Eingriff – als quasinatürliche Größen – entstehen.
»Völker« als vorpolitische, ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Einheiten, sind eine seit der Antike bekannte Größe. Der ethnos oder genos im Griechischen etwa, konnte durchaus die staatlich vielfach gespaltene Einheit aller Ionier oder Dorer bezeichnen. Bei Herodot findet sich der Hinweis auf das Griechentum, das durch Blut und Sprache eine Einheit bilde, gekennzeichnet durch die gemeinsame Verehrung der Götter, die gleichen Sitten und Bräuche. Demgegenüber war der populus Romanus, also das »römische Volk«, eine ganz politisch verstandene Einheit. Schon hier zeigt sich also der Doppelsinn des Begriffs.
In der deutschen wie in den meisten anderen europäischen Sprachen diente das Wort »Volk« allerdings nicht nur der Bezeichnung ethnischer oder politischer Einheiten, es wurde auch bis ins 19. und teilweise bis ins 20. Jahrhundert verstanden als Bezeichnung für die »Menge«, für »arme liute«, was jeder Berufung auf das »Volk« einen »gefühlsdemokratischen« (Max Scheler) Zug verlieh und begreiflicherweise das Unbehagen einer aristokratischen oder monarchischen Obrigkeit wachrief und im deutschen Fall die Nähe von National- und Demokratiebewegung erklärt, die beide im Namen des Volkes auftraten.
Völker sind historische Größen, aber sie sind, wie Tilman Mayer feststellte, »… nicht vereinbart, beschlossen, kontrahiert, gestiftet, gegründet, geschaffen, d.h. konventionell«. Das Volk ist nicht mehr Natur, aber auch nicht künstlich wie etwa der Staat künstlich ist. Es beruht oft auf »Abstammungs-«, in jedem Fall aber auf »Fortpflanzungsgemeinschaft«, und die »Ethnogenese« ist ein in vielen Fällen durchaus rekonstruierbarer Prozeß. So konnte mit Hilfe archäologischer Funde gezeigt werden, wie die Verschmelzung fränkischer und burgundischer Gruppen in Nordostfrankreich stattfand, nachdem beide Gruppen über einen relativ langen Zeitraum in einem gemeinsamen Staat nebeneinander lebten. Selbst in den mythischen Überlieferungen abstammungsstolzer Völker – etwa der Römer – ist die Erinnerung an die Heterogenität der Anfänge manchmal erhalten geblieben.
Die moderne Naturwissenschaft bietet ein breites Repertoire von Methoden, um »Ethnogenesen« zu rekonstruieren, ohne Stiftungsmythen – den »Ethnogonien« – blind zu vertrauen. Wie weit solche Konzepte führen, kann man etwa an dem Human Genome Diversity Project feststellen, das 1991 von Luigi Luca Cavalli-Sforza, einem renommierten Genetiker der Universität Stanford, begründet wurde und seitdem dessen Lebenswerk, die Rekonstruktion des menschlichen Stammbaums, zu vollenden sucht.
Damit sind ethnische Gruppen aber auch über Erbinformationen definiert und dem immer wieder unternommenen Versuch der Boden entzogen, das Vorhandensein ethnischer Identität zu leugnen. Möglicherweise könnte hier eingewendet werden, daß die präzise Abgrenzung einer Ethnie nur noch im Fall der »Völker ewiger Urzeit« (Kurt Breysig) möglich ist, aber Cavalli-Sforza hat im Rahmen seiner Forschungen auch darauf hingewiesen, daß moderne Nationen meßbare genetische Gemeinsamkeiten besitzen. Er bestätigt damit eine ältere These des deutschen Ethnologen Wilhelm E. Mühlmann, der zwar gegen die romantische Idee vom »Urvolk« auf den geschichtlichen Charakter der Völker bestand, deren kollektiven »Charakter« allerdings mit Hinweis auf ein im allgemeinen ethnisch homogenes »organisierendes Zentrum« erklärte, das fremde Bestandteile anzog, assimilierte und durch die Behauptung einer gemeinsamen Abstammung an sich band.
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Homogenität bezeichnet die durch substantielle Gleichheit bestimmten Teile eines Ganzen und hat für menschliche Sozialbildungen immer eine große Rolle gespielt. Homogenität wird in erster Linie dadurch erreicht, daß das Andere als anders erkannt und diszipliniert oder ausgeschlossen wird.
Der Maßstab für das Anders-Sein kann variieren, eher strenger oder eher sanfter Natur sein. Grundsätzlich gilt aber, daß man den, der wegen körperlicher oder seelischer Abweichung der Normalität widerspricht, absondert oder eliminiert. Ein Rest der ursprünglichen Grausamkeit solcher Verfahren hat sich im kindlichen „Hänseln“ und den Initiationsprüfungen jugendlicher oder krimineller Banden erhalten.
Als milde Variante erscheinen die Ausgrenzungsmechanismen, mit denen die „Anständigen“ in modernen Gesellschaften „politisch inkorrekte“ Meinungen ahnden, wenngleich die sozialen Konsequenzen zum Teil erhebliche sind.
Ohne Zweifel spielt Homogenität deshalb eine so große Rolle für das Regulierungsbedürfnis menschlicher Gruppen, weil diese Eigenschaft Kollektivvorteile verschafft. Der Ethologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt spricht davon, daß „normangleichende Aggression“ das Ziel der „Gleichschaltung“ verfolgt und gewährleistet, daß das Verhalten jedes Einzelnen für die anderen Mitglieder des Verbandes „voraussagbar“ bleibt. Allerdings kann dieser Grundsatz nicht schematisch angewendet werden, da sich in der Entwicklung der Menschheit immer wieder gezeigt hat, daß Abweichler besonders wertvolle Fähigkeiten besaßen, die letztlich auch dem größeren Ganzen zu Gute kamen.
In differenzierten Gesellschaften wird diesem Sachverhalt Rechnung getragen, wenngleich auch sie nicht ohne ein erhebliches Maß an Homogenität existieren können. In der Vergangenheit hat man die etwa durch Abschluß von einzelnen Schichten oder Berufsgruppen qua Homogamie gewährleistet.
Wenn es für den modernen Staat nicht möglich ist, diesem Weg zu folgen, so muß doch gerade er die Homogenität seiner Gesamtbürgerschaft im politischen Sinn aufrechterhalten. Auf diesen Sachverhalt hat zuerst Carl Schmitt hingewiesen und gezeigt, daß vor allem die Demokratie die Homogenität des Staatsvolkes voraussetzt, weshalb die Demokratie im allgemeinen nur unter nationalstaatlichen Bedingungen entstehen und bestehen kann.
Durch die Argumentation Schmitts wurde ins Bewußtsein gehoben, daß sich die Entwicklung des nationale Gedankens allein in Europa vollziehen konnte, bedingt durch die dem Christentum entnommene Vorstellung einer umfassenden Brüderlichkeit, die eine Homogenität voraussetzt, die theoretisch die ganze Menschheit umfaßt, faktisch aber auf die politisch ausschlaggebende Gruppe beschränkt wird.
Der elementare Zusammenhang von Demokratie und Nation beruht auf der Annahme, daß der demos eine identifizierbare Größe ist – die Nation – deren Willensäußerung ihre Einheit voraussetzt, die am ehesten durch ihre Homogenität verbürgt erscheint. Die Tatsache, daß die europäischen Nationen nicht als nur fiktive Abstammungsgemeinschaften zu betrachten sind, sondern tatsächlich auf gemeinsamer ethnischer Herkunft beruhen und über sehr lange Zeiträume Heiratsgemeinschaften bildeten, hat diesem Aspekt und dem daraus resultierenden Zusammengehörigkeitsgefühl außerordentliche Stabilität verliehen.
Umgekehrt führte die Masseneinwanderung zu einem Verlust an
Homogenität, der nicht ein Mehr an individueller Freiheit zur Konsequenz
hatte – wie von den Befürwortern des „Multikulturalismus“ behauptet –
sondern einen Substanzabbau, der die Existenz der europäischen Nationen
ebenso wie die der Demokratie in Frage stellt. GK
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