Stationen

Montag, 2. Mai 2016

Das heuchlerische Pack

Was den real existierenden Antisemitismus angeht, ist das seit Menschengedenken sozialdemokratisch regierte Bremen eine Musterkolonie. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet in Bremen als Kammerjäger gekleidete „Inspekteure“ Geschäfte und Märkte aufsuchten, um zu sehen, wo "Waren aus den illegalen israelischen Siedlungen" verkauft würden.

[Lieber Henryk M. Broder, der Mut dieser Siedler ist bewundernswert, aber dass es sich bei diesem Menschenschlag um ziemliche Kotzbrocken handelt, weißt du genau und dass Kritik an dieser Praxis nichts mit Antisemitismus zu tun hat, erst recht!! Dass diese Kritik in Europa, und besonders in Deutschland, so oft zum Sammelbecken für Kryptoantisemiten wird, steht auf einem anderen Blatt; und es hängt unter anderem damit zusammen, dass Leute wie du so oft unschuldige Kritiker als Antisemiten etikettieren und medial brandmarken. Man kann nicht ständig alle diejenigen, die es wagen, Israel oder bestimmte israelische Eigenheiten, "die Juden" oder bestimmte jüdische Eigenheiten zu kritisieren, als Antisemiten abqualifizieren. Bzw. man soll sich nicht wundern, wenn diese Praxis dazu führt, dass der Antisemitismus irgendwann tatsächlich wieder anschwillt, womöglich in den USA, wo die Neger jetzt schon "alle" Antisemiten sind.]

Die Väter und Großväter hatten noch vor jüdischen Geschäften Wache geschoben -„Deutsche wehrt Euch, kauft nicht bei Juden!" – die Kinder und Enkel erweckten diese schöne Tradition wieder zum Leben. Auch sonst ist in Sachen "Israelkritik" in Bremen immer etwas los.
Nun ist Bremen wieder ins Gerede gekommen, wegen eines hyperventilierenden Pastors, der sich als „Antisemit“ geoutet hatte, nur um darauf hinzuweisen, dass er keiner ist. Er tat es ungefragt und unprovoziert in einem Brief an den Europa-Korrespondenten der Jerusalem Post, Benjamin Weinthal, der sich daraufhin brieflich an den ehemaligen Ratspräsidenten Nikolaus Schneider wandte, der als besonders integer gilt. An Schneiders Stelle antwortete der Leiter der Pressestelle der EKD, Carsten Splitt.
Sehr geehrter Herr Weinthal,
ich habe Ihre Fragen wie gewünscht an Herrn Schneider weitergeleitet. Er bittet um Verständnis, dass er sich nicht dazu äußern möchte, da es sich um eine Angelegenheit der Bremischen Kirche handelt. Auch ist ihm Herr Keller nicht bekannt.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Splitt

Daraus ergab sich der folgende email-Wechsel zwischen Carsten Splitt und mir:

sehr geehrter herr splitt,
bitte seien sie so freundlich, meine mail herrn schneider vorzulegen, mit der bitte um eine zeitnahe und zitierfähige Antwort
Sehr geehrter Herr Schneider,
ich wüsste gerne, ob Sie es tatsächlich meinen oder ob es sich um ein Missverständnis um zwei Ecken handelt, dass Sie sich mit einem Fall von Antisemitismus nicht beschäftigen wollen, weil er sich im Sprengel der Bremer Kirche ereignet hat und weil Sie den Urheber nicht persönlich kennen? Sind Sie nur für den Antisemitismus bei Martin Luther und Adolf Stöcker zuständig?
Soll ich Ihnen wirklich erklären, warum jemand, der sich ungefragt und unprovoziert als Antisemit outet, tatsächlich ein Antisemit ist? Auch wenn er sich nun als ein Trittbrettfahrer von Jan Böhmermann ausgibt?
Ich wünsche Ihnen einen schönen Seder-Abend und Seinen Segen auf allen Ihren Wegen.
Viele Grüße aus Bad Nenndorf
Ihr HB, 22.4.

Sehr geehrter Herr Broder,
vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Nikolaus Schneider, die ich ihm
umgehend weitergeleitet habe.
Mit
freundlichen Grüßen
Carsten Splitt, 22.4.

sehr geehrter herr splitt,
brütet herr schneider noch immer über einer antwort auf meine mail? ist der tatbestand wirklich so schwer zu verstehen?
wenn ein pastor einer frau einen brief schreiben und ihn mit „XYZ, ein vergewaltiger“ unterschreiben würde, würden sie sich mit der interpretation des schreibens auch so schwer tun?
es scheint, als würde sich die EKD vom antisemitismus distanzieren, aber nicht von antisemiten in eigenen reihen.
mit maßvollen grüßen
ihr hb, 27.4.

Sehr geehrter Herr Broder,
Herr Schneider war am Wochenende zeitlich sehr eingespannt und bittet um Verständnis. Er wird Ihnen aber gern antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Splitt, 27.4.

sehr geehrter herr splitt,
lassen sie uns das bauerntheater bitte beenden. herr schneider ist bestimmt auch an diesem wochenende zeitlich sehr eingespannt, und er wird es auch an den kommenden wochenenden sein. ich nehme an, er ist mit dem verfassen einer rede beschäftigt, in der er sich klar gegen den antisemitismus positionieren und  die kirche dazu aufrufen wird, einzusehen, „dass sie zur Judenfeindschaft beigetragen hat“, immer und überall, nur nicht heute in bremen.
weiterhin gutes schaffen, herr splitt, in all ihrer gnadenlosen rechtschaffenheit
b, 1.5.

Nur zwei Tage nachdem Carsten Splitt mir geschrieben und um Geduld und „Verständnis“ gebeten hatte, beschied er Benjamin Weinthal, der sich zum zweiten Mal an ihn gewandt hatte, ganz anders, nämlich so:

Sehr geehrter Herr Weinthal,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage an die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Für die Bremische Evangelische Kirche hat sich deren Leitender Geistlicher, Schriftführer Renke Brahms, bereits geäußert. Dieser Antwort haben wir nichts hinzuzufügen. Wie bereits geschildert, liegt die Zuständigkeit in dieser Angelegenheit aufgrund unserer föderalen Struktur bei der Bremischen Evangelischen Kirche. In ihrer deutlichen Ablehnung von jeder Form des Antisemitismus stimmen EKD und Bremische Evangelische Kirche uneingeschränkt überein.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Splitt, 29.4.

Ganz bestimmt. Aber nur, soweit es die föderale Struktur des EKD zulässt.

 HB am 2. Mai 2016

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