Endlich mal ein Artikel, der zumindest plausibel ist und immerhin halbwegs glaubwürdig mit den dummen Märchen über Khomeini, Dutschke, Mossadegh, die CIA und den böhsen Westen aufräumt.
Von Carl Christian Jancke
An der Legende von 1968 stimmt bei genauerem Hinsehen vieles nicht.
Und das beginnt mit der Jahreszahl. Bereits 1967 kam es beim Besuch des
Schahs von Persien zu gewaltigen Ausschreitungen, als die von ihm
mitgebrachten „Jubelperser“ die protestierenden Studenten unter den
Augen der West-Berliner Polizei niederknüppelten. Die gewaltsamen
Auseinandersetzungen gipfelten in der Erschießung des Studenten Benno
Ohnesorg durch den Berliner Polizisten und SED-/Stasi-Agenten Karl-Heinz
Kurras.
Das Problem: Im Grunde war der Schah den Protest nicht wert. Er war
nicht nur CIA-Marionette und brutaler Diktator, sondern aufgeklärter
Monarch und Sozialreformer. Die Legende, die Amerikaner hätten den
lupenreinen Demokraten und Präsidenten Mossadegh 1953 weggeputscht, um
den Schah zu installieren und so die persischen Ölreserven auszubeuten,
ist eine solche und hat mit der Realität nichts zu tun.
Ein Blick in die persische Geschichte des 20. Jahrhunderts zerstört
deshalb nicht nur ein wesentliches Element der APO-DNS, sondern ist
unabdingbar, um die Hintergründe der Revolution von 1979 und des aus ihr
resultierenden Mullah-Regimes im Iran zu verstehen.
Die 1906 beschlossene Verfassung sah bereits eine konstitutionelle
Monarchie vor, in der der Schah lediglich die vom Parlament
beschlossenen Gesetze durch Unterschrift legitimierte. Reza Pachlewi
wollte aus dem Iran bereits in den 1920er Jahren nach türkischem Vorbild
eine Präsidialdemokratie machen, konnte diese Idee gegen die konservativen
Kräfte jedoch nicht durchsetzen. So wurde er vom Parlament 1925 mit 267
von 270 Stimmen zum Schah ernannt. Mit Parlament und Regierung ging er
ein ehrgeiziges Infrastruktur- und Gesundheitsprogramm an, verbot den
Tschador, schaffte die Scharia-Gerichte ab und führte ein bürgerliches
Gesetzbuch nach westlichem Vorbild ein. Der Konflikt zwischen der modern
und westlich eingestellten Familie und dem islamischen Klerus ist also
rund 100 Jahre alt und hat mit dem CIA und dem Öl nichts zu tun.
1941 musste er auf Druck der britischen und sowjetischen Besatzer zu
Gunsten seines Sohnes abdanken, der späteren „Marionette“ der CIA. Der
lud den im Exil weilenden Ayatollah Schariadmadari wieder ein. Unter
Rezha Pawlavi wurde der Tschador wieder erlaubt und die Koedukation
wieder verboten. Später mussten die unter seinem Vater gebaute
Eisenbahnen sogar zu Gebetszeiten halten.
Die Perser waren ein 10-Millionen-Volk, 2,5 Millionen von ihnen waren
Nomaden. Die Bildung war schlecht, eine Industrie gab es nicht und der
Iran war nicht in der Lage, die eigenen Ölvorkommen zu entdecken und
auszubeuten. Das machten sich die Briten zunutze. 62 % der Anglo-Persian
Oil Company gehörten dem britischen Staat und der Iran erhielt 16
Prozent des Gewinns aus den Einnahmen. Auf der anderen Seite des
Persischen Golfs boten die US-amerikanischen Ölkonzerne eine 50%-ige
Beteiligung an Unternehmen und Gewinnen. Der Iran verhandelte ebenfalls
nach, konnte 1949 einen erheblichen Zuschlag erreichen, der aber nicht zu
einem vergleichbaren Ergebnis führte.
Der vom Schah 1951 ernannte und vom Parlament bestätigte
Premierminister Razmara wollte mit der AIOC einen neuen
Konzessionsvertrag mit Zustimmung der Ölkommission und des Schahs
aushandeln, der ebenfalls eine 50-%-Gewinnbeteiligung vorsah. Razmara
wurde von einem islamistischen Attentäter ermordet. Auf Druck der
Ayatollas wurde der Mörder unter dem nachfolgenden Ministerpräsidenten
Ala begnadigt.
Das Parlament beschloss die Enteignung der Ölgesellschaft (die
Vorkommen hatten immer dem Staat gehört) und das entsprechende Gesetz
wurde durch den Schah per Unterschrift in Kraft gesetzt. Danach wurde
Mossadegh vom Schah zum neuen Ministerpräsidenten ernannt und vom
Parlament bestätigt – wie von der Verfassung vorgesehen.
Mossadegh empfing den Attentäter seines Vorgängers und biederte sich
so bei den Islamisten an. Die Briten zogen daraufhin ihre Mitarbeiter
zurück und riefen den UN-Sicherheitsrat und den Internationalen
Gerichtshof an, der sich jedoch für nicht zuständig hielt, weil es sich
um keine zwischenstaatliche Vereinbarung handelte. Die britische
Regierung errichtete daraufhin eine Seeblockade. So brach die
Ölförderung zusammen und es kam zu Unruhen im Iran.
Nachdem sich der Iran im Wesentlichen aus den Öleinnahmen finanziert
hatte, brach die persische Ökonomie zusammen. Mossadegh trat 1952 zurück,
weil das Parlament ihm die Zustimmung versagte für 6 Monate per Dekret
und ohne Zustimmung des Parlaments zu regieren.
Im Juli 1952 kam es zu Massendemonstrationen, bei denen 36 Demonstranten
durch Schüsse der iranischen Armee getötet wurden. Die unter dem
Oberbefehl des Schahs befindlichen Truppen wurden vom amtierenden
Premier zu Hilfe gerufen, der darauf zurücktrat.
Im Juli wurde Mossadegh zum zweiten Mal durch den Schah ernannt.
Mossadegh ließ sich wie ein Diktator ermächtigen per Dekret und ohne
gewähltes Parlament zu regieren. Die zweite Kammer des Parlaments, der
Senat, stimmte dem nicht zu, worauf Mossadegh die Amtszeit des Senats
durch das Parlament auf zwei Jahre verkürzen ließ.
Mit der Zusage
Neuwahlen des Senats durchzuführen, setzte der Schah auch dieses Gesetz
in Kraft. Mossadegh führt eine Landreform durch und wollte das
Steuersystem zu Lasten der Reichen reformieren.
Aufgrund des Kollapses der Wirtschaft nahmen schon ein paar Wochen
später die Proteste gegen Mossadegh zu. Der erließ per Dekret ein
Streikverbot, Teilnehmer konnten sofort verhaftet und ohne
Gerichtsurteil inhaftiert werden. Um die zahlreichen Gefangenen
unterzubringen, verfügte Mossadegh den Bau von zehn neuen Gefängnissen.
Mittlerweile hatte sich auch die Arbeiterpartei, Mitglied in Mossadeghs
nationaler Front, gegen ihn gestellt. Politisch wurde er nur noch von
den Kommunisten unterstützt, weil auch die gemäßigten Kräfte das
Ermächtigungsgesetz als verfassungswidrig ansahen.
Mittlerweile tobten 1953 Straßenschlachten zwischen den Anhängern und
Gegnern Mossadeghs, dessen Ermächtigungsgesetz vom Parlament noch
einmal verlängert wurde. Mossadegh wollte die Rolle des Schahs
„klarstellen” und dessen Macht einschränken. Tatsächlich handelte es
sich um einen Putschversuch gegen den Monarchen.
Dabei hatte der Schah sich bisher neutral verhalten und alle vom
Parlament beschlossenen Gesetze in Kraft gesetzt. Eine parlamentarische
Mehrheit fand Mossadegh dafür nicht, worauf er per Referendum das
Parlament auflöste. Zustimmende und ablehnende Stimmen mussten in
unterschiedlichen Wahllokalen abgegeben werden, wodurch das Recht auf
geheime Wahl verletzt wurde. Die Verfassung sah Volksabstimmungen nicht
vor.
Mossadegh übernahm die Kontrolle über die Paläste des Schahs und
verbot ihm, ohne seine Zustimmung Besuch zu empfangen. Der Schah floh
über verschiedene Stationen nach Rom.
Die verfassungsmäßige Lage war im Laufe des Jahres verworren:
Mossadegh hätte das Parlament aufgrund eines nicht vorgesehenen
Referendums nicht auflösen können. Wenn das Parlament aber aufgelöst
war, hatte der Schah das Recht, den Premierminister zu entlassen und
einen neuen zu ernennen.
Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte hätte der Schah viel früher in
die Situation eingreifen können, was er nicht tat. Auch der spanische
König ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, was eher einem Ehrenamt
gleichkommt. Als es jedoch 1981 zu einem Putschversuch kam, trat Juan
Carlos in Uniform im Fernsehen auf und befahl den Soldaten, in den
Kasernen zu bleiben und die demokratisch gewählte Regierung
anzuerkennen.
Im Westen sah man die Entwicklung mit Sorge und die Amerikaner sahen
die Chance, die Briten bei der Ölförderung auszubooten. Gemeinsam
beschloss man zwar die Installation eines west-freundlichen Regimes. Ob
der Schah dem aber zugestimmt hätte, wenn er von Mossadegh nicht ins
Exil getrieben worden wäre, ist ungewiss.
Tatsächlich hatte der CIA die Federführung übernommen und im April 1953
eine Million Dollar zur Förderung eines Umsturzes unter dem Namen
Operation Ajax bereitgestellt. Trotzdem ist es natürlich wahrscheinlich,
dass auch weite Teile des iranischen Establishments von den Briten
bestochen wurden.
Der Schah ernannte den Innenminister im ersten Kabinett Mossadegh,
General Zahedi, zum Ministerpräsidenten. Im Anschluss kam es vor dem
Haus Mossadeghs zu Unruhen, bei denen rund 200 Menschen getötet wurden.
Mossadegh wurde zwar wegen Hochverrats verurteilt. Der Schah
begnadigte ihn aber und wandelte die Todesstrafe in eine Haftstrafe um,
Mossadegh wurde nach drei Jahren entlassen und lebte wohl bis zu seinem
Tod unter Hausarrest.
Die Million des CIA war gut angelegt. Die Briten waren die großen
Verlierer der Entwicklung. Ein Konsortium aus Shell, mehreren US-Firmen,
der Compagnie Francaise de Petroles und der AIOC schloss mit dem
iranischen Staat einen auf 25 Jahre befristeten Konsortialvertrag. 50 %
der Gewinne fielen dem iranischen Staat zu. Die AIOC erhielt vom
Konsortium als Entschädigung 200 Millionen Dollar und vom iranischen
Staat 25 Millionen Dollar.
Für den Iran war diese Vereinbarung ein Geschäft. Die Summe des
geförderten Öls wuchs von 1954 bis 1964 von 14,7 auf 76,5 Millionen
Tonnen, und die Einnahmen von 32,3 Millionen auf 171,5 Millionen Pfund.
Ob der Iran ohne die Unterstützung des Konsortiums in der Lage gewesen
wäre, aus dem Stand eine vergleichbare Entwicklung zu ermöglichen, darf
bezweifelt werden, weil er weder über das notwendige Kapital noch
ausreichend qualifiziertes Personal verfügte.
Die Legende der 68er, der demokratisch gewählte Präsident Mossadegh
sei von den Amerikanern weggeputscht worden, um im Anschluss Pahlewi als
folternde US-Marionette zu installieren, hat jedenfalls mehr bekommen
als nur Risse.
1960 plante der Schah eine Landreform, die am Widerstand von Klerus und
Großgrundbesitzer zu scheitern drohte. Die Ländereien wurden vom Staat
aufgekauft und deutlich billiger an die Landbevölkerung weiterverkauft.
Zu den erbittertsten Gegnern gehörte damals ein gewisser Ayatollah
Chomeini.
Und dann kam die „weiße Revolution“. Und die unterschied sich kaum
von den radikalen Vorstellungen der Lieblinge der „Linken“ wie Fidel
Castro:
-Abschaffung des Feudalsystems und Verteilung des Ackerlandes von Großgrundbesitzern an Bauern.
-Verstaatlichung aller Wälder und Weideflächen.
-Privatisierung staatlicher Industrieunternehmen zur Finanzierung der Entschädigungszahlungen an die Großgrundbesitzer.
-Gewinnbeteiligung für Arbeiter und Angestellte von Unternehmen.
-allgemeines aktives und passives Wahlrecht für Frauen.
-Bekämpfung des Analphabetentums durch den Aufbau eines Hilfslehrerkorps (Armee des Wissens).
Anders als die südamerikanischen Volksrevolutionäre, Mao oder die
Sowjets ließ sich der Schah dieses Programm durch eine Volksabstimmung
absegnen. Chomeini brandmarkte es als ein „gegen Gott gerichtetes
Vorhaben“ und der Großayatollah Borudscherdi sprach gar eine Fatwa aus,
die nur wegen seines baldigen Todes folgenlos blieb. 5,6 Millionen
Iraner stimmten dafür, viertausend dagegen. Im Sog dieser Entscheidung
setzte der Schah auch damals schon das passive und aktive
Frauenwahlrecht durch. 1977/78 wollte er noch ein modernes
Scheidungsrecht durchsetzen und die Frau emanzipieren.
Chomeini hatte die Machtfrage gestellt und verloren. Er war aber eben
vordringlich kein Kämpfer gegen den amerikanischen Imperialismus. Als
er sich öffentlich gegen den Schah wendete, hat er eben verloren. Der
Ayatollah reiste aus.
Die Wirtschaft boomte. Trotzdem gab es eine Opposition, von der man
feststellen muss, dass sie noch linker war als der Schah. Fachkundige
Studien gehen davon aus, dass vom 1957 gegründeten Geheimdienst des
Schahs mindestens 1.000 Menschen zu Tode gebracht wurden, darunter auch
„Linke“, Kommunisten und Islamisten. Doppelt so viele starben wohl
während der Unruhen 1977 bis 1979. Daran gibt es nichts zu beschönigen.
Der gehorsame Vasall der Alliierten war der Schah jedoch nie. 1973 erklärte er:
„Als wir 1954 den Konsortialvertrag unterschrieben, konnten wir keine
besseren Konditionen erhalten, als wir sie damals aushandelten. Einer
der Vertragspunkte war, dass die Ölunternehmen das zukünftige
Wohlergehen des Irans respektieren. Wir haben Beweise, dass sie das
nicht getan haben. Im Vertrag von 1954 ist eine mögliche dreimalige
Vertragsverlängerung um jeweils 5 Jahre vorgesehen. Im Abschnitt über
die Vertragsverlängerung wurde wiederum darauf Bezug genommen, dass das
zukünftige Wohlergehen des Irans beachtet werden muss. Wir haben
ausreichend Beweise, dass diese Vertragsklausel des Vertrages von 1954
nicht respektiert wurde. Aus diesem Grund werden wir den Vertrag von
1954 auf keinen Fall über das Jahr 1979 hinaus verlängern.“
Das war nicht zufällig das Jahr des Sturzes. War es vielleicht der
realitätsverlorene Präsident Jimmy Carter, der den Schah im Regen stehen
ließ und dem 1963 geflohenen und wiedergekehrten Chomeini in die Hände
spielte? Der Westen sah im Schah nicht den Sozialreformer, sondern den
grausamen Regenten.
Der Sieg der Mullahs über den Schah war kein Sieg des Volkes. Es war der
Marsch zurück ins Mittelalter und in eine nunmehr vierzigjährige
Tyrannei, die von der deutschen „Linken“ immer noch mit einem
Augenzwinkern geduldet wird, weil damals ein Lieblingsfeind gestürzt
wurde. Mit seiner zögerlichen Haltung machte der Westen den politischen
Islamismus erst hoffähig.
Doch Dutschke und Konsorten sind gegen den falschen Mann angetreten.
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