Stationen

Sonntag, 27. November 2016

Elke Bader



Jetzt sind sie beide tot – der eine starb vorgestern, der andere schon vor Jahrzehnten, und erstaunlich ist, wie gut die linke Ikonisierung dieser sicherlich charismatischen, fraglos tapferen, politisch aber inkompetenten und in der Durchsetzung ihrer Utopien natürlich menschenverachtenden, persönlich sogar grausamen Revolutionäre gelang. Es gibt über Castro und über Che ein jeweils sehr gelungenes Hörbuch, das der Zeit, den Umständen und den Lebenswegen gerecht wird, den Ikonen aber jeden romantisch-nostalgischen Anstrich nimmt:

Fidel Castro und Che Guevara sind zweifellos das alle anderen Namen überstrahlende Zwillingsgestirn der kubanischen Revolution von 1959, dem Jahr, in dem Präsident Batista zurücktrat und den Staat den siegreichen Rebellen überließ. Castro war schon aufgrund seiner in ihr 57. Jahr gehenden Amtsführung die gewissermaßen lebend einbalsamierte Ikone linker Aufstandsgeschichten – man ließ ihn einfach machen.
Im März erst war Obama in Kuba, der Papst bereits im September vergangenen Jahres, und das alles beförderte eine altersmilde Atmosphäre: Es scheint, als habe das kraftstrotzend Gute (Obama) neben dem gebrechlichen Schlechten (Castro) Anekdoten austauschend mit einem Drink oberhalb von Guantanamo gesessen, auf die Käfige und die orangenen Gefangenen darin blickend und darüber sinnierend, warum es den Guten nicht gelang, dieses Lager endlich aufzulösen, den Schlechten nicht, wenigstens die eigene Insel ganz frei von US- amerikanischen Sauereien zu halten.

Das Hörbuch: aufwendig recherchiert, wirklich lehrreich, spannend, den Mythos Castro aus seiner Zeit heraus verstehend, die ikonisierenden Berichte indes um jenes Stück Wahrheit (und das heißt: Unzulänglichkeit, Schäbigkeit, Skrupellosigkeit) ergänzend, sodaß der Hörer letztlich Zeuge einer Einordnung geworden ist:
1. Die Geschichte wird von Persönlichkeiten gemacht, und was in der Luft liegt, geschieht nicht einfach von selbst;
2. Der Kampf um Kuba war durchaus ein Kampf um die Identität, die Selbständigkeit, die Souveränität, denn die Insel war drauf und dran, ein Mega-Las-Vegas in der Hand US-amerikanischer Investoren, Politiker und Mafiosi zu werden;
3. Der Kampf dagegen wurde von Leuten geführt und gewonnen, die ihrerseits das Land vergewaltigten, auf den Kopf stellten und sich zur Beute machten – in heilloser Selbstüberschätzung und berauscht vom selbst angestimmten Lied über das eigene Heldenleben.

Man könnte den Untertitel des Hörbuchs – »Revolutionär und Staatspräsident« – auch ersetzen durch »Warum Che ging und Fidel blieb«, denn die Redakteurin Elke Bader arbeitet glücklicherweise den wichtigen Aspekt heraus, daß der eine rasch die Lust verlor, der andere aber vom Amt des Präsidenten sich in die Pficht genommen sah und nach den Mühen der Guerilla auch die Mühen der Staatspolitik schulterte.

Über den Revoluzzer-Popstar Ernesto Che Guevara ist auch ein sehr empfehlenswertes Hörbuch erschienen, ebenfalls verfaßt von Elke Bader: 3 CDs ohne Längen, samt sehr hilfreichem Booklet. Es ist von vornherein ein Signal, daß Bader sich stark an den Deutungen des Halbrenegaten Gerd Koenen orientiert, der als Beteiligter der Szene gründlich mit seinen 68er-Genossen abgerechnet hat.
Ches Leben wird vom ersten Atemzug bis zur letzten Kugel nacherzählt, und zwar mit einem hauchfein ironischen Unterton: Che wird nicht als der Heroe gefeiert, der er als WG-Zimmer-Plakat-Ikone für linke Gefühle samt verruchtem Hintergrund war. An etlichen Stellen seines Lebenswegs hätte es nämlich auch ganz anders weitergehen können – Marx und Coca-Cola konkurrierten ernsthaft um diesen selbstverliebten Egomanen. Marx gewann, und das wird stimmig erzählt: wie die Unentschiedenheit aus Che Guevaras Leben wich, als er sich eingeordnet und gebraucht sah als Teil der kubanischen Befreiungsbewegung und bald als eine deren treibender Kräfte.
Der Einbruch der Relevanz in das Leben, so könnte die Überschrift zu dieser Lebensphase lauten. Es ist ein Verdienst des Hörbuchs, daß es auch das individuell grausame Vorgehen Che Guevaras gegen die tatsächlichen und vermeintlichen Feinde der Revolution ausführlich thematisiert: die eigenhändigen Folterungen und Hinrichtungen, außerdem das politische Versagen Ches als Präsident der kubanischen Nationalbank und als Handelsminister Kubas.
Che hatte an Fakten, an sachkundigen Entscheidungen und an verantwortungsbewußter Kärrnerarbeit für das revolutionierte Volk kein Interesse. Der Ton des Hörbuchs paßt ausgezeichnet zu Che Guevaras ständiger Flucht nach vorn in eine permanente Revolutionierung seiner Umgebung. Weiteres Plus: Für die Entheroisierung dieser Ikone konnte Griot mit Johannes Steck und Gert Heidenreich zwei professionelle Sprecher gewinnen. Natürlich werden kaum diejenigen, denen es vor allem guttäte, die 3 CDs hören. Aber die Bekämpfung des Halbwissens, gepaart mit Ausnüchterungspassagen, ist nie falsch in Zeiten völlig unangemessener linker MythenbildungGK

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.