Dienstag, 29. November 2016
Sardinien
Einer der Schlüssel zur jahrtausendealten Vergangenheit Sardiniens ist die Musik der Sarden. Die Dokumentation begleitet den Musiker Stefano Ferrari auf der Suche nach den archaischen Klängen seiner Heimat. Dabei durchstreift er die Weiten der sardischen Berge und besucht die Kultstätten der Nuraghen-Zeit.
Gemeinsam mit seinen Freunden, die alle als Musiker auf der Mittelmeerinsel leben, öffnet Stefano Ferrari eine Tür zur traditionellen Musik Sardiniens, dem Cantu a Tenores, und dem Spiel der antiken Rohrflöte, der Launedda. Er unternimmt eine poetische Reise zu den Ursprüngen der sardischen Musik und wirft einen Blick zurück in die uralte Geschichte der Insel. So wird die Dokumentation zu einem sardischen Roadmovie im Wechselspiel von Gegenwart und Vergangenheit.
Sound of Heimat
In der Barbagia - das die alten Römer Barbaria nannten, „Barbarenland“ - schlägt noch das ursprüngliche Herz Sardiniens. Den meisten Besuchern, die wegen der kilometerlangen Strände auf die Mittelmeerinsel kommen, ist das Hinterland Sardiniens unbekannt. Hier zeigt sich die Insel von ihrer urwüchsigen und ungezähmten Seite. Sanfte Hügel wechseln sich ab mit bizarren Granitfelsen, dann wieder weite Ebenen. Überall liegt der Duft der Macchia aus Immortelle, Ginster, Myrte, Thymian, Rosmarin und Wacholdersträuchern in der Luft. Bis über 1.800 Meter erheben sich die Berge.
Der Gegensatz zum bekanntesten Küstenstreifen Sardiniens, der Costa Smeralda, könnte nicht größer sein, wo weiße Sandstrände, verschwiegene Buchten und immer wieder das smaragdgrüne Meer die Insel prägen. Die Zeit ist im Hinterland Sardiniens keineswegs stehen geblieben; neue Häuser, Geschäfte und Straßen haben das Gesicht der Gegend verändert - der Touristenlärm von der Küste dringt aber nur als schwaches Echo in die Bergtäler. Viele Frauen sind noch traditionell schwarz gekleidet und tragen Kopftücher.
Die Menschen begegnen dem, was sich an den Küsten abspielt mit Zurückhaltung.
In Orune, einem abgelegenen Bergdorf, werden die Traditionen noch gelebt. Das Fest der Madonna della Consolata, die den Menschen Trost spenden soll, wird gefeiert. Auf der von Armut geprägten Insel gehörten Familienfehden und Blutrache viele Jahrhunderte zum Alltag. Kirchenfeste versöhnten die Menschen miteinander.
Der Film zeichnet ein Porträt von Sardiniens Hinterland und seinen Menschen. Er begibt sich aber auch an die einmaligen Küsten der zweitgrößten Insel im Mittelmeer. Er begegnet Hirten, Fischern, Korkschälern, Archäologen und einer Schneiderin, der es gelungen ist, aus Kork Stoff zu machen, um daraus extravagante Kleider zu kreieren. Im Mittelpunkt steht das Fest der Madonna della Consolata.
Die stereotype Behauptung des Films, die Hirtenkultur des Landesinnereien mit ihren Blutfehden und ungeschriebenen Gesetzen, sei eine „Männergesellschaft“ ist mit Vorsicht zu genießen. Die Kehrseite all der wunderbar männlichen Merkmale ist nämlich eine Frauengesellschaft, in der die Frauen hohen Respekt genießen und im Verborgenen die Fäden ziehen. Wie selbstverständlich sind im Alltag matriarchale Elemente anzutreffen, die in den durch afamilialen, kinderarmen Individualismus geprägten Gesellschaften der modernen westlichen Demokratien, die die Möglichkeit der Auswahl bis zum Exzess zu ihrem Ideal gemacht haben, nicht einmal mehr vorstellbar ist, wie in denselben auch die Fähigkeit verlorenging, wahrzunehmen, dass man als Mann in einer Hirtengesellschaft genausowenig die Wahl hat, wie als Frau.
Beide, Mann und Frau verfügen in ihren jeweiligen Funktionsbereichen über zahlreiche Fähigkeiten, die in unseren modernen, arbeitsteiligen Gesellschaften an Fachidioten (Bäcker, Metzger, Käseproduzent) delegiert werden: beide sind Alleskönner in einem komplementären Universum, in dem karge Ressourcen genutzt werden. Der Viehraub im Gebirge, fern vom Dorf, war noch in den 50-er Jahren eine nicht geahndete Selbstverständlichkeit unter Hirten. Mit einer Ausnahme: wer wagte das Milchschaf, das im Dorf die Milch für die Kinder sicherte, zu stehlen, musste mit Blutrache rechnen.
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