Mit dem Auftritt einer Frau im „Nikab“ hat sich Anne Will ziemlichen
Ärger eingehandelt. Ins schwarze Gewand der radikalen Musliminnen
gewickelt, das nur einen Sehschlitz freilässt, durfte die schweizerische
Konvertitin in Wills Staatsfunk-Sendung kräftig die Trommel für den
„Dschihad“ rühren und fanatische Meuchelmörder zu den eigentlichen
„Opfern“ umfrisieren. Das war nicht nur Henryk M. Broder zu viel. Der
streitbare Autor schreibt, ab jetzt zahle er keine Rundfunkgebühren
mehr, basta.
Arme Anne Will. Es war wohl einfach zu früh für eine
solche Vorstellung. Hätte sie noch ein oder zwei Jahre gewartet, wer
weiß? Vielleicht sind wir dann endlich kultursensibel genug, um das
schwarze Gespenstertuch als Bereicherung anzunehmen und stattdessen
alles zu beseitigen, was ein Moslem als Beleidigung seiner
Weltanschauung auffassen könnte wie Weihnachtsmärkte, Schweinefleisch
oder unzüchtig bekleidete Frauen.
Oder Kreuze. Bei ihrem Besuch des
Jerusalemer Felsendoms haben die höchsten Repräsentanten der größten
deutschen Kirchen bei der Zurückdrängung des christlichen Symbols einen
weiteren Markstein gesetzt. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen
Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der
Evangelischen Kirche in Deutschland, Bayerns Landesbischof Heinrich
Bedford-Strohm, legten ihre Kreuze dort ab, weil ein muslimischer und
angeblich auch ein jüdischer Würdenträger sie darum gebeten hätten.
Bedford-Strohm
beeilte sich zu beteuern, dass das natürlich eine Ausnahme bleibe.
Sei’s drum: Entscheidend ist doch, dass unter anderem islamische
Geistliche entscheiden durften, ob und wo die Bischöfe ihre Kreuze
tragen dürfen oder eben nicht. Vom Felsendom aus können sie die
kreuzfreie Zone nun schrittweise ausdehnen. Hat Mohammed nicht bestimmt,
dass die ganze Welt Allah und nur Allah gehöre? Verkünden das nicht
auch jeden Tag abertausende islamische Prediger weltweit?
Ach, das
meinen die ja gar nicht so. Orientalisches Blut kocht leicht mal über
und hinterher wird’s nie so heiß gegessen, wie’s ... oder etwa doch? Wir
erinnern uns da an einen türkischen Politiker, der einst
hinausposaunte, die Demokratie sei nur der Zug, auf den man aufspringe,
um an die Macht zu gelangen. Das sei bloß so ein Spruch, beruhigten uns
damals die Kenner der Region und priesen den Mann als Führer der
„gemäßigt islamischen Partei AKP“, mit anderen Worten: so eine Art
Christdemokrat auf mohammedanisch. Dann ist Erdogan in den Bahnhof
eingefahren, und nun verschrottet er gerade den besagten Zug.
Auf die
verfolgten Christen in Syrien, dem Irak und anderswo muss das
Kreuzablegen der deutschen Kirchenfunktionäre einen sagenhaften Eindruck
gemacht haben. Vielleicht fangen manche von ihnen an, ihren nach
Deutschland geflüchteten Verwandten zu glauben, die ihnen berichten,
dass die Christenverfolgung, vor der sie sich in Sicherheit bringen
wollten, in den deutschen Asyllagern munter weitergehe.
Wer diesen
Skandal allzu laut anklagt, sollte sich allerdings in Acht nehmen. Vor
wem? Vor islamischen Eiferern? Nein, vor Heinrich Bedford-Strohm. Denn
wer vor der Ausbreitung der Christenverfolgung nach Deutschland warnt,
schürt schließlich Ängste, „statt sie zu überwinden“. Und das sei das
Merkmal von „Rechtspopulisten“, denen gegenüber wir „klare Kante
zeigen“ müssten, wie der EKD-Chef sinnigerweise gleichzeitig mit der
Diskussion über seinen kreuzlosen Felsendom-Besuch in die Debatte warf.
Virtuos
wirbelte er in seiner Philippika die Begriffe „völkisch“,
„rechtsextrem“ und „rechtspopulistisch“ durcheinander, sodass der
Eindruck entstehen muss: Ist alles das Gleiche. Da seien „Gestalten“ am
Werk, die „unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit gegen andere
hetzen“, so der Bischof. Von diesen Bösewichten werde beispielsweise
„ein anti-islamischer Kulturkampf inszeniert“. An dieser Stelle dürften
selbst die hoffnungslosesten, verzweifeltsten Christen des Nahen Ostens
ihr Lachen zurückgewinnen.
Da werden Millionen Christen verfolgt,
vertrieben, auf oft entsetzliche Weise von islamischen Fanatikern
massakriert − doch der Oberste der deutschen Lutheraner sieht sich um
den Schlaf gebracht wegen eines „anti-islamischen Kulturkampfes“ in
bundesrepublikanischen Debattenzirkeln. Was Martin Luther wohl dazu zu
sagen hätte? Das ist ja das Ärgerliche an den Großen der Geschichte:
Dass sie alle tot sind. Wie reizvoll wäre es, wenn der Reformator im
Jahr vor dem 500. Jubiläum seines Paukenschlags mal kurz vorbeischauen
könnte, um das Treiben seiner Sachwalter persönlich in Augenschein zu
nehmen. Nicht einmal in einer Moschee wäre der arme Bedford-Strohm
sicher vor der Wut des kantigen Begründers seiner Kirche.
Luthers
Methode war es ja bekanntlich, dem „Volks aufs Maul zu schauen“, während
heutige Kirchenleute doch lieber drüberfahren über des Volkes Mundwerk.
Daher ihr ausgeprägter Ekel vor „Populisten“, die aussprechen, was das
gemeine Gesindel in Stadt und Land daherredet. Früher brauchte uns das
Gesabbel gar nicht zu interessieren. Seit aber „Populisten“ unsere
gepflegten Diskussionsrunden verminen, muss man sich immerzu mit
Widerworten „von unten“ herumschlagen.
Dabei war man sich sicher, das
„Volk“ längst erfolgreich abgeschafft zu haben. Vor etwa 50 Jahren
hatten sich die Wegbereiter der heutigen Herrschaftselite in Politik,
Kirchen, Hochschulen, Medien und wo sonst noch aufgemacht, um die
damaligen Eliten herauszufordern. Sie kamen sich dabei ungemein
emanzipatorisch und revolutionär vor und wähnten sich auf jeden Fall als
„Anwalt der Unterdückten“, sprich des Volkes, wie man es seinerzeit
sogar links noch zu nennen pflegte.
Heute sind die Nachfolger der
damaligen Emanzipierer und Volksbefreier selber an der Macht, weshalb es
ihrer Meinung nach gar keines Volkes mehr bedarf. Leider aber ist
dieses Volk immer noch da und hat zu merken begonnen, dass es
ausgebootet wurde. Seine Reaktion war erst Misstrauen, dann Verärgerung
und schließlich die Wut der „Wutbürger“.
Da gilt es, das Gesocks
unter Kontrolle zu halten. Wie das am besten gelingt, ist historisch gut
erprobt. Die erfolgversprechendste Taktik zur Machterhaltung besteht
darin, den Massen Schuldgefühle einzutrichtern. Wer sich schuldig fühlt,
der gehorcht. Da sie bei den Deutschen überdurchschnittlich gut
funktioniert, findet die Schuldgefühl-Taktik bei unseren Mächtigen auch
besonders großen Anklang.
Die US-Wahllokale waren noch nicht einmal
geschlossen, da hauten uns die Medien bereits um die Ohren, wer am
Hochkommen dieses entsetzlichen Trump die Hauptschuld trägt: Unsere
transatlantischen Verwandten, die Deutsch-Amerikaner! Bei keiner
Einwanderergruppe sei der Rückhalt für den politischen Satan der Saison
so stark wie bei den Nachfahren der Müllers, Meyers und Schulzes, die
irgendwann über den Ozean gekommen waren.
Da haben wir’s wieder: Die
Deutschen machen es von allen am falschesten, sie sollten sich schämen
und vor allem: Einsehen, dass sie das politische Geschäft einer weisen
Führung überlassen sollen, statt sich „populistisch“ eine eigene Meinung
zu erlauben.
Indes muss man sich vorsehen. Mag ja sein, dass die
Deutschen besonders empfänglich dafür sind, sich am Nasenring der
Schuldgefühle führen zu lassen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass
es auch ein Deutscher war, der vor 500 Jahren genau damit Schluss
gemacht hat, als er den Ablasshandel zerschlug. Danach erbebte das
gesamte Abendland. Also: Man darf es nicht übertreiben, sonst schießt
aus dem braven Michel plötzlich ein wütender Martin hervor. Hans Heckel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.