Stationen

Samstag, 19. November 2016

Der Halunkenjournalismus des stern

Seit der Affäre um die Hitler-Tagebücher gilt der stern als ein Flaggschiff des investigativen Journalismus. Dieser Tradition ist auch Patrick Rösing verpflichtet, der sich als „Redakteur mit dem Schwerpunkt Editorial SEO“ darum kümmert, „dass unsere Geschichten den Lesern zugänglicher werden - datengetrieben und mit journalistischem Gespür“. Wie wörtlich er diese Absicht in die Tat umsetzt, ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als ich eine Geschichte von ihm las, in der es darum ging, dass in den USA die Wahrscheinichkeit, von einem Kleinkind getötet zu werden, viel größer ist als die, von einem Terroristen ins Jenseits befördert zu werden.




Diese Geschichte hatte Rösing aus der Washington Post abgekupfert, datengetrieben und mit journalistischem Gespür. „Im laufenden Jahr“, schrieb der Super-Rechercheur am 17.5.2016, seien „bereits 23 Menschen von Kleinkindern erschossen worden“; dieser Bilanz stellte er „die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr in den USA bislang von muslimischen Terroristen getötet wurden“ gegenüber - „null“.  Wobei er nur zu erwähnen vergaß, dass muslimische Terroristen am 11. September 2001 ordentlich auf Halde vorgearbeitet hatten.

Jetzt hat sich Rösing „Trumps Chefberater“ Stephen Bannon zur Brust genommen und ihn als den „gefährlichsten Mann im Weißen Haus“ entlarvt, der „fast mehr als der künftige Präsident“ polarisiert. „Er gilt als Nationalist und Antisemit – unter anderem.“ Auch diese Geschichte hatte Rösing im copy-and-paste-Verfahren fabriziert, also aus Berichten in US-Zeitungen zusammengeschmiert.
Ich muss zugeben, dass mir Stephen Bannon bis vor zwei Tagen ein No-name war. Ich hatte weder etwas von noch über ihn gelesen. Auch als Verbreiter antisemitischer Ideen war er mir, im Gegensatz zu einigen Helden des deutschen Feuilletons wie Chomsky und Finkelstein, nicht aufgefallen. Wenn aber ein stern-Reporter wie Rösing daherkommt und so was behauptet, gehe ich erst einmal davon aus, dass es so ist. Schliesslich geht er datengetrieben und mit journalistischem Gespür ans Werk. Ich möchte gerne wissen, was Bannon gesagt, geschrieben oder getan hat, das ihn als Antisemiten qualifiziert. Hat er den Holocaust geleugnet? Israel das Existenzrecht abgesprochen? Zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen? Sich von türkischen Islamisten zu einer Kreuzfahrt einladen lassen? Ist er mit einem Hamas-Schal, auf dem Israels Vernichtung vorweggenommen wurde, aufgetreten?
Also setzte ich mich hin und schrieb eine kurze Email an Rösing:

Sehr geehrter Herr Rösing, in ihrem Artikel über Trumps Chefberaten Stephen Bannon erwähnen Sie viermal, Vorspann eingeschlossen, Bannon gelte als Antisemit, er operiere antisemitisch am rechten Rand usw. Gibt es dafür irgendeinen Beleg, den zu erwähnen Sie vergessen haben? Bitte, klären Sie mich auf. B.

Heute traf Rösings Antwort bei mir ein. Und die las sich fast noch besser als seine Geschichte über Bannon.

Sehr geehrter Herr Broder, wie Sie ja selbst schreiben, heißt es im Text nicht, er IST Antisemit, sondern „er GILT als Antisemit“ bzw. „operiert am antisemitischen Rand“. Die Formulierungen gründen vor allem auf dem Tenor der Berichterstattung in US-Medien sowie dem Umstand, dass Bannon mit Breitbart ebenjenen Kreisen in den letzten Jahren bereitwillig eine Plattform gab - in den Artikeln der Seite, wie auch in den den Kommentarspalten. 
Bannon selbst hat Breitbart als Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung bezeichnet, in der eben auch antisemitische Ströme vorhanden sind. Darüber hinaus kursieren auch von Bannon selbst abfällige Äußerungen über Juden in den amerikanischen Medien. Er selbst streitet diese ab, aber seine Ex-Frau gab sie bereits 2007 unter Eid zu Protokoll. Aussage gegen Aussage also.
Nach meiner Auffassung rechtfertigt das die in Frage gestellten Formulierungen.


So was nennt man Verdachtsberichterstattung. Immerhin gibt Rösing zu, dass er aus US-Medien abschreibt. Er hat kein wörtliches Zitat zur Hand, seine Kronzeugin ist Bannons Ex-Frau, die vor zehn Jahren etwas „zu Protokoll“ gab, das Bannon bestreitet. Nach meiner Auffassung rechtfertigt so eine Arbeitsweise die Bezeichnung „Lumpenjournalismus“. Rösing mag das anders sehen. Dann steht eben Aussage gegen Aussage.   HMB




Seit Jahrzehnten gibt es ein Fachblatt für Buntes und lange Fotostrecken, das gelegentlich auch ins seriöse Fach ausgreift, etwa, wenn es gilt, den Sexismus eines angeschickerten Rainer Brüderle zu enthüllen. Ganz gelegentlich schreibt der „Stern“ auch mit Verve Geschichte um, beziehungsweise neu, unlängst die des „kleinen Bundeslandes am äußersten rechten Rand“, nämlich Sachsen.

Praktischerweise braucht es dazu nicht die ausgebuddelten Tagebücher August des Starken. Die Aufzeichnungen des Stern-Autors Walter Wüllenweber aus dem großen Bundesland oben halb links genügen dazu vollauf.




Und Wüllenweber zeigt anschaulich, was es heißt, heute von dieser Position aus Journalismus zu betreiben. Mut zur Lücke, zur kreativen Faktenneuordnung und gelegentlicher Erfindergeist sind da unverzichtbar.
Vorhang auf also zu Wüllenwebers Titelstory "Sachsen, ein Trauerspiel". Gleich am Anfang klärt der Autor seine Leser darüber auf, dass es sich bei dieser schlecht ausgewischten dunkeldeutschen Ecke bestenfalls um eine Halbdemokratie handelt:
„Vor 26 Jahren wurde Kurt Biedenkopf zum ‚König‘ des Freistaats gewählt. Seitdem regiert die CDU ohne Unterbrechung. Nur die SED war in Sachsen länger an der Macht.“
Zwar regierten die Wettiner das Land deutlich länger, die SED hielt Wahlen für Quatsch, was den Vergleich mit der CDU zur albernen Arabeske macht, außerdem existierte das Land Sachsen zwischen 1952 und 1990 nicht. Aber das sind Feinheiten, die den Wüllenweberschen Rap nur gestört hätten. Außerdem müssen die Dinge schon allein deshalb anders gedeutet werden, weil sie in Sachsen stattfinden. Banalitäten zu Papier bringen kann jeder, etwa, dass auch die SPD in Brandenburg seit 26 Jahre die Wahlen gewinnt, während sie in Hamburg noch etwas länger am Stück durchregierte. Wie schlimm es in der Sachsen-CDU zugeht, illustriert Wüllenweber am Fall des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow, dem man zu Recht vorwerfen kann, nach dem Selbstmord des Terroristen Jaber al-Bakr im Gefängnis nicht zurückgetreten zu sein. Der Stern-Journalist erkennt in ihm allerdings noch ein ganz anderes Symptom:
„Sebastian Gemkow ist ein Kind dieser Sachsen-CDU. Sein Vater war nach der Wende Ordnungsbürgermeister in Leipzig, sein Großonkel Rudolf Krause wurde von Kurt Biedenkopf in dessen erstes Kabinett berufen. Fast zwangsläufig wurde das Eigengewächs der Partei mit nur 36 Jahren Deutschlands jüngster Minister.“
Posten, so Wüllenwebers Subtext, werden in Sachsen nicht erarbeitet, sondern vererbt. Feudalismus comme il faut! Nun amtierte Gemkows Großonkel Krause von 1990 bis 1991, bis ihn seine Partei wegen dessen verschwiegener Stasi-Spitzelei vom Hof jagte. Profitiert hätte Gemkow jr. also schwerlich von dieser Verwandschaft – zumal der Junge damals gerade 13 Jahren alt war. Sein Vater Hans-Eberhard Gemkow starb 1994 an Krebs – da war der Sohn 16. Aber die schöne Geschichte von der CDU-Politik als zwangsläufige Familienbandenbildung muss ein Autor ja nicht mutwillig kaputtrecherchieren. Zumal, wenn es um das ganz große Bild eines kleinen dunklen Landes geht.

Aber warum ist eigentlich unentwegt von der CDU die Rede? Wollte der Hamburger Fernbeobachter nicht vor allem mit dem braunen AfDPegidaNeonazipacksachsen abrechnen?

Gemach. Alles hängt bei Wüllenweber nämlich mit allem zusammen, nicht unbedingt kausal, aber verknüpft durch den „braunen Faden“. Wie das geht?
„Ein Vierteljahrhundert hielt sich die CDU an die Biedenkopf-Doktrin: das konsequente Leugnen des Offensichtlichen. Es wurde zum braunen Faden der sächsischen Landespolitik. Clausnitz, Heidenau, Freital, Mügeln, Bautzen, Dresden. Auf jeden Anschlag folgt die Beteuerung: Mit Sachsen hat das nichts zu tun. Anschlag-Leugnen-Anschlag-Leugnen. Der sächsische Refrain.“
Nun protestierten und brüllten ein paar Dutzend Clausnitzer im Februar tatsächlich gegen die Ankunft eines Busses mit Asylbewerbern. Ein Anschlag war das nicht. Und noch nicht einmal strafbar. In Heidenau riefen Demonstranten Parolen gegen die Kanzlerin, gewalttätige Demonstranten verletzten Polizisten – nicht ganz so viele wie bei einer routinemäßigen revolutionären Feier im Hamburger Schanzenviertel, aber doch einige. Um einen Anschlag handelte es sich aber auch in Heidenau nicht. In Mügeln kam es 2007 zu einer Kirmesschlägerei zwischen Einheimischen und Indern, die sich später in den Ermittlungen dann doch als, nun ja, ambivalent herausstellte.
Also ebenfalls kein Anschlag. In Bautzen brannte im Juni 2016  das leerstehende Hotel „Husarenhof“, das für Asylbewerber vorgesehen war, durch Brandstiftung ab. Bis jetzt stehen die Täter nicht fest, die Polizei ermittelt ausdrücklich in alle Richtungen. Ebenso Dresden: Wer hinter der Verpuffung von Flaschen mit einem Benzin-Gas-Gemisch vor der Tür der Dresdner  DITIB-Moschee in Dresden-Cotta verantwortlich ist, wissen die Kriminalbeamten noch nicht. Nur in Freital und Umgebung verübte eine Gruppe von Rechtsextremisten tatsächlich Anschläge gegen Asylbewerberheime. Für den „Stern“ ist der braune Hintergrund in allen Fällen trotzdem schon ausermittelt. Ganz nebenbei: welcher sächsische Politiker „leugnet“ die Vorfälle von Mügeln bis Dresden eigentlich?

Pressekommissare aus Hamburg und Berlin lassen sich grundsätzlich nicht beirren. Vor allem, wenn es um Sachsen geht. Im Jahr 2000 übertitelte die BILD eine Horrorgeschichte aus dem sächsischen Sebnitz: „Gegen 50 Neonazis hatte der kleine Joseph keine Chance“, die „taz“ wusste: „Badeunfall erweist sich als rassistischer Mord“. Und praktisch die gesamte deutsche Presse trampelte der Geschichte aus Dunkelsachsen mit wohligem Grusel hinterher. Bis sich nur Tage später der angebliche Mord an dem deutsch-irakischen Kind Joseph Kantelberg-Abdullah als Badeunfall herausstellte und die von der Mutter gesammelten Augenzeugenberichte als zurechtgefälscht. „Aber es hätte doch so sein können“, beharrte taz-Chefin Bettina Gaus, bevor sich ihr Blatt für die Headline eine Rüge des Presserates fing.

Als 2008 im sächsischen Mittweida eine Jugendliche behauptete, Nazi-Skinheads hätten ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt, schlagzeilten etliche Medien: typisch Sachsen! „Passanten schauten zu“, dichtete die Korrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“.
Das hatte zwar noch nicht einmal das vermeintliche Opfer ausgesagt – aber es machte die Sachsen-Geschichte süffiger. Später stellte sich dann der Überfall als erfunden heraus und das Hakenkreuz als Selbstfabrikation der psychisch etwas wackeligen jungen Frau. Sie wurde rechtskräftig wegen Vortäuschung einer Straftat verurteilt.

Im Januar 2015 fanden Anwohner den erstochenen Asylbewerber Khaled Idris Bahray im Hof eines Plattenbau-Gevierts. "Der erste Pegida-Tote",trompetete der „Stern“. Auch dieses Mal war es nicht ganz so: die Polizei überführte kurz darauf einen anderen Asylbewerber als Täter. Und nach dem - wie beschrieben – bis heute unaufgeklärten Brand im Bautzener Husarenhof wusste fast die gesamte helldeutsche Presse zu berichten, ein „Mob“ habe die Löscharbeiten behindert. Im Polizeibericht stellte sich der Mob dann als Ansammlung von drei besoffenen Jugendlichen heraus, von denen die Beamten zwei in eine Arrestzelle zum Ausnüchtern steckten. Dass die vollgetankten Gestalten sie behindert hätten, dementierte die Bautzner Feuerwehr heftig.
Nützte nur nichts: Die „Hamburger Morgenpost“ färbte damals eine Sachsenkarte komplett braun ein und druckte die Zeile daneben: „Der Schandfleck“. Nur als kurzer Einschub, da im Zusammenhang mit Sachsen so viel von Hetze die Rede ist: Im Paragraf zur Volksverhetzung (130 StGB) heißt es: „Wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Und noch ein Apropos: Wie war das eigentlich mit dem quer durch die Presse beklagten postfaktischen Zeitalter?

Vor allem aber scheinen sich Hochmoralexperten wie Wüllenweber und Kollegen nie Gedanken darüber zu machen, ob ihr zwanghaftes Durchladen und Feuern bei jedem sächsischen Thema nicht vielleicht etwas mit den vielen journalistischen Rohrkrepierern der Vergangenheit zu tun haben könnte: irgendwann, so hoffen sie, muss es doch einmal mit dem Wirkungstreffer klappen, der alle zusammen erwischt, die CDU, die AfD, die vier Millionen Sachsen und ihre unvermeidlichen Nazis.
Nun gäbe es ja genügend authentischen Stoff für Reportagen über Rechtsradikalismus in Sachsen (über Linksradikalismus genauso). Aber dazu bräuchte es schon Recherchen am Ort. Von Hamburg und Berlin aus geht es einfach schneller und bequemer, hinter jeden ungeklärten Kriminalfall eine braune Kulisse zu schieben, die ruhig ein paar Tage oder Wochen später zusammenkrachen kann. Tut nichts, das nächste Sebnitz kommt bestimmt. Macht sich eigentlich jemand in den diversen Redaktionen Gedanken, warum das Wort von der „Lügenpresse“ als erstes in Sachsen auftauchte?

Klappt es partout nicht mit dem Nazihintergrund, dann muss  wenigstens eine Mafia- und Verschwörungsgeschichte her. Zu diesem Zweck exhumiert Wüllenweber die so genannte Sachsensumpf-Affäre, eine wahre Sauherde, die 2007 durch das Mediendorf getrieben wurde. Ganz Sachsen, hieß es damals, ächze im Würgegriff einer pädophilen Immobilien- und Justizmafia, schlimmer als das Dutroux-Netzwerk in Belgien.
„Bislang galt der Sachsensumpf als schillerndstes Beispiel dafür“, weiß Wüllenweber: „Die Ermittlungen in einem Immobilienskandal führten die sächsische Kriminalpolizei damals auch in ein Bordell, in dem minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen wurden. Die Opfer identifizierten einen hochrangigen Richter sowie einen ehemaligen Staatsanwalt als Freier. Das Ende der Affäre: Die ermittelnden Beamten wurden versetzt oder beurlaubt, Journalisten verklagt, die Opfer kamen wegen Verleumdung vor Gericht. Der Richter blieb im Amt, der Staatsanwalt wurde zum Präsident eines Gerichts. Fast 20 Jahre beschäftigte der Fall die sächsische Justiz. Er wurde nie aufgeklärt.“
Das klingt nun wirklich nach Tatort mit allem Tatütata. Zumindest, solange man nicht recherchiert. Tatsächlich stürmte die Leipziger Polizei 1993 ein Bordell, in dem Minderjährige anschaffen mussten. Der Bordellbetreiber bekam eine Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten. Und es gab einen Mordanschlag auf einen Manager der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft, der ebenfalls ausermittelt wurde. Die beiden Täter erhielten lebenslänglich. Eine zunächst vermutete Verbindung zwischen beiden Fällen bestätigte sich nicht. Erst viel später, 2007, kamen Akten des sächsischen Verfassungsschutzes in die Öffentlichkeit, die die alten Gerichtsfälle mit neuen V-Mann-Berichten mischten und eine gewaltige Verschwörung konstruierten. Wie sich in den folgenden Ermittlungen herausstellte, ging die Verdachtsschöpfung auf einen frustrierten Kriminalpolizisten, eine V-Frau und pathologische Lügnerin und eine eifrige BILD-Journalistin zurück.
Keine ihrer Behauptungen ließ sich belegen. Die beiden Ex-Prostituierten verwickelten sich in erhebliche Widersprüche. Einer der beschuldigten Juristen klagte sogar auf Schadenersatz gegen den Freistaat wegen Verleumdung durch den Verfassungsschutz. Er bekam 12.500 Euro Schmerzensgeld. Auch der Sumpf-Fall wurde sehr wohl geklärt – nur nicht so, wie sich etliche auf Sachsen kaprizierte Journalisten es sich gewünscht hatten. Ja typisch, willfährige schwarze Sachsenjustiz! Die Ermittlungen lagen damals allerdings  - unter anderem  - in der Hand des Oberstaatsanwaltes Christian Avenarius, einem überzeugten Sozialdemokraten, der überdies für freche Widerworte gegen das Justizministerium bekannt war.
Bis vor kurzem saß Avenarius der Dresdner SPD vor. In Wüllenwebers Moritat kommt er selbstredend nicht vor. Selbst die Opposition aus Linken und Grünen konnte übrigens in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss keine Belege für die Sachsensumpf-Verschwörung zutage fördern. Die Kunst, drei sachlich und zeitlich auseinanderliegende, aufgeklärte Kriminalfälle für die „Stern“-Leser zu einem  zusammenzubinden und nicht einmal post- sondern kontrafaktisch zu behaupten, er sei „nie aufgeklärt“ worden – das liegt künstlerisch schon zwei Stufen über dem Trick, drei Nicht-Anschläge und zwei ungeklärte Anschläge mit einem braunen Faden zum Paket zu schnüren.

Wo bleibt eigentlich die AfD in der „Stern“-Moritat? Die kommt ganz zum Schluss. Frauke Petry habe 2014 einen Kandidaten von der AfD-Liste streichen lassen, deshalb sei die Landtagswahl womöglich ungültig und müsse wiederholt werden, was der AfD allerdings nach den Umfragen einen Stimmenzuwachs eintragen würde: „Eine Partei verhält sich grob undemokratisch – und wird von den Wählern reich belohnt. So etwas kann passieren. In Sachsen.“
Wie fast immer bei Wüllenweber  verhält es sich etwas komplizierter: Der AfD-Vorstand – nicht Petry allein – hatte tatsächlich jemand gestrichen, der Landeswahlausschuss nahm damals aber keinen Anstoß. Und derzeit kann die AfD bei jeder Wahl mit Stimmengewinn rechnen, egal ob der Termin außer der Reihe oder regulär stattfindet. Einmal musste in Deutschland tatsächlich schon einmal eine Landtagswahl wiederholt werden, 1993. In Hamburg.
Wir wissen zwar nichts Genaues. Aber die Drahtzieher der schiefgegangenen Wahl werden wohl in „Stern“-Redaktion gesessen haben. Wir schreiben das jedenfalls mal so hin.     Alexander Wendt


 Siehe auch: Alan Dershowitz über Stephen Bannon und Der stern, die Napola der Berliner Republik 

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