Seit der Affäre um die Hitler-Tagebücher gilt der stern als ein Flaggschiff des investigativen Journalismus. Dieser Tradition ist auch Patrick Rösing
verpflichtet, der sich als „Redakteur mit dem Schwerpunkt Editorial
SEO“ darum kümmert, „dass unsere Geschichten den Lesern zugänglicher
werden - datengetrieben und mit journalistischem Gespür“. Wie wörtlich
er diese Absicht in die Tat umsetzt, ist mir zum ersten Mal aufgefallen,
als ich eine Geschichte von ihm las, in der es darum ging, dass in den
USA die Wahrscheinichkeit, von einem Kleinkind getötet zu werden, viel
größer ist als die, von einem Terroristen ins Jenseits befördert zu
werden.
Diese Geschichte hatte
Rösing aus der Washington Post abgekupfert, datengetrieben und mit
journalistischem Gespür. „Im laufenden Jahr“, schrieb der
Super-Rechercheur am 17.5.2016, seien „bereits 23 Menschen von
Kleinkindern erschossen worden“; dieser Bilanz stellte er „die Zahl der
Menschen, die in diesem Jahr in den USA bislang von muslimischen
Terroristen getötet wurden“ gegenüber - „null“. Wobei er nur zu
erwähnen vergaß, dass muslimische Terroristen am 11. September 2001
ordentlich auf Halde vorgearbeitet hatten.
Jetzt hat sich Rösing „Trumps Chefberater“ Stephen Bannon zur Brust
genommen und ihn als den „gefährlichsten Mann im Weißen Haus“ entlarvt,
der „fast mehr als der künftige Präsident“ polarisiert. „Er gilt als
Nationalist und Antisemit – unter anderem.“ Auch diese Geschichte hatte Rösing im copy-and-paste-Verfahren fabriziert, also aus Berichten in US-Zeitungen zusammengeschmiert.
Ich muss zugeben, dass mir Stephen Bannon bis vor zwei Tagen ein No-name war. Ich hatte weder etwas von noch über ihn gelesen. Auch als
Verbreiter antisemitischer Ideen war er mir, im Gegensatz zu einigen
Helden des deutschen Feuilletons wie Chomsky und Finkelstein, nicht aufgefallen. Wenn aber ein stern-Reporter
wie Rösing daherkommt und so was behauptet, gehe ich erst einmal davon
aus, dass es so ist. Schliesslich geht er datengetrieben und mit
journalistischem Gespür ans Werk. Ich möchte gerne wissen, was Bannon
gesagt, geschrieben oder getan hat, das ihn als Antisemiten
qualifiziert. Hat er den Holocaust geleugnet? Israel das Existenzrecht
abgesprochen? Zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen? Sich von
türkischen Islamisten zu einer Kreuzfahrt einladen lassen? Ist er mit
einem Hamas-Schal, auf dem Israels Vernichtung vorweggenommen wurde,
aufgetreten?
Also setzte ich mich hin und schrieb eine kurze Email an Rösing:
Sehr geehrter Herr Rösing, in ihrem Artikel über Trumps
Chefberaten Stephen Bannon erwähnen Sie viermal, Vorspann
eingeschlossen, Bannon gelte als Antisemit, er operiere antisemitisch am
rechten Rand usw. Gibt es dafür irgendeinen Beleg, den zu erwähnen Sie
vergessen haben? Bitte, klären Sie mich auf. B.
Heute traf Rösings Antwort bei mir ein. Und die las sich fast noch besser als seine Geschichte über Bannon.
Sehr geehrter Herr Broder, wie Sie ja selbst schreiben, heißt es
im Text nicht, er IST Antisemit, sondern „er GILT als Antisemit“ bzw.
„operiert am antisemitischen Rand“. Die Formulierungen gründen vor allem
auf dem Tenor der Berichterstattung in US-Medien sowie dem Umstand,
dass Bannon mit Breitbart ebenjenen Kreisen in den letzten Jahren
bereitwillig eine Plattform gab - in den Artikeln der Seite, wie auch in
den den Kommentarspalten.
Bannon selbst hat Breitbart als Sprachrohr
der Alt-Right-Bewegung bezeichnet, in der eben auch antisemitische
Ströme vorhanden sind. Darüber hinaus kursieren auch von Bannon selbst
abfällige Äußerungen über Juden in den amerikanischen Medien. Er selbst
streitet diese ab, aber seine Ex-Frau gab sie bereits 2007 unter Eid zu
Protokoll. Aussage gegen Aussage also.
Nach meiner Auffassung rechtfertigt das die in Frage gestellten Formulierungen.
So was nennt man Verdachtsberichterstattung. Immerhin gibt Rösing zu,
dass er aus US-Medien abschreibt. Er hat kein wörtliches Zitat zur
Hand, seine Kronzeugin ist Bannons Ex-Frau, die vor zehn Jahren etwas
„zu Protokoll“ gab, das Bannon bestreitet. Nach meiner Auffassung
rechtfertigt so eine Arbeitsweise die Bezeichnung „Lumpenjournalismus“.
Rösing mag das anders sehen. Dann steht eben Aussage gegen Aussage. HMB
Seit Jahrzehnten gibt es ein Fachblatt für Buntes und lange
Fotostrecken, das gelegentlich auch ins seriöse Fach ausgreift, etwa,
wenn es gilt, den Sexismus eines angeschickerten Rainer Brüderle zu
enthüllen. Ganz gelegentlich schreibt der „Stern“ auch mit Verve
Geschichte um, beziehungsweise neu, unlängst die des „kleinen
Bundeslandes am äußersten rechten Rand“, nämlich Sachsen.
Praktischerweise braucht es dazu nicht die ausgebuddelten Tagebücher
August des Starken. Die Aufzeichnungen des Stern-Autors Walter
Wüllenweber aus dem großen Bundesland oben halb links genügen dazu
vollauf.
Und Wüllenweber zeigt anschaulich, was es heißt, heute von dieser
Position aus Journalismus zu betreiben. Mut zur Lücke, zur kreativen
Faktenneuordnung und gelegentlicher Erfindergeist sind da unverzichtbar.
Vorhang auf also zu Wüllenwebers Titelstory "Sachsen, ein Trauerspiel".
Gleich am Anfang klärt der Autor seine Leser darüber auf, dass es sich
bei dieser schlecht ausgewischten dunkeldeutschen Ecke bestenfalls um
eine Halbdemokratie handelt:
„Vor 26 Jahren wurde Kurt Biedenkopf zum ‚König‘ des Freistaats
gewählt. Seitdem regiert die CDU ohne Unterbrechung. Nur die SED war in
Sachsen länger an der Macht.“
Zwar regierten die Wettiner das Land deutlich länger, die SED hielt
Wahlen für Quatsch, was den Vergleich mit der CDU zur albernen Arabeske
macht, außerdem existierte das Land Sachsen zwischen 1952 und 1990
nicht. Aber das sind Feinheiten, die den Wüllenweberschen Rap nur
gestört hätten. Außerdem müssen die Dinge schon allein deshalb anders
gedeutet werden, weil sie in Sachsen stattfinden. Banalitäten zu Papier
bringen kann jeder, etwa, dass auch die SPD in Brandenburg seit 26 Jahre
die Wahlen gewinnt, während sie in Hamburg noch etwas länger am Stück
durchregierte. Wie schlimm es in der Sachsen-CDU zugeht, illustriert
Wüllenweber am Fall des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow,
dem man zu Recht vorwerfen kann, nach dem Selbstmord des Terroristen
Jaber al-Bakr im Gefängnis nicht zurückgetreten zu sein. Der
Stern-Journalist erkennt in ihm allerdings noch ein ganz anderes
Symptom:
„Sebastian Gemkow ist ein Kind dieser Sachsen-CDU. Sein Vater war
nach der Wende Ordnungsbürgermeister in Leipzig, sein Großonkel Rudolf
Krause wurde von Kurt Biedenkopf in dessen erstes Kabinett berufen. Fast
zwangsläufig wurde das Eigengewächs der Partei mit nur 36 Jahren
Deutschlands jüngster Minister.“
Posten, so Wüllenwebers Subtext, werden in Sachsen nicht erarbeitet,
sondern vererbt. Feudalismus comme il faut! Nun amtierte Gemkows
Großonkel Krause von 1990 bis 1991, bis ihn seine Partei wegen dessen
verschwiegener Stasi-Spitzelei vom Hof jagte. Profitiert hätte Gemkow
jr. also schwerlich von dieser Verwandschaft – zumal der Junge damals
gerade 13 Jahren alt war. Sein Vater Hans-Eberhard Gemkow starb 1994 an
Krebs – da war der Sohn 16. Aber die schöne Geschichte von der
CDU-Politik als zwangsläufige Familienbandenbildung muss ein Autor ja
nicht mutwillig kaputtrecherchieren. Zumal, wenn es um das ganz große
Bild eines kleinen dunklen Landes geht.
Aber warum ist eigentlich unentwegt von der CDU die Rede? Wollte der
Hamburger Fernbeobachter nicht vor allem mit dem braunen
AfDPegidaNeonazipacksachsen abrechnen?
Gemach. Alles hängt bei
Wüllenweber nämlich mit allem zusammen, nicht unbedingt kausal, aber
verknüpft durch den „braunen Faden“. Wie das geht?
„Ein Vierteljahrhundert hielt sich die CDU an die
Biedenkopf-Doktrin: das konsequente Leugnen des Offensichtlichen. Es
wurde zum braunen Faden der sächsischen Landespolitik. Clausnitz,
Heidenau, Freital, Mügeln, Bautzen, Dresden. Auf jeden Anschlag folgt
die Beteuerung: Mit Sachsen hat das nichts zu tun.
Anschlag-Leugnen-Anschlag-Leugnen. Der sächsische Refrain.“
Nun protestierten und brüllten ein paar Dutzend Clausnitzer im
Februar tatsächlich gegen die Ankunft eines Busses mit Asylbewerbern.
Ein Anschlag war das nicht. Und noch nicht einmal strafbar. In Heidenau
riefen Demonstranten Parolen gegen die Kanzlerin, gewalttätige
Demonstranten verletzten Polizisten – nicht ganz so viele wie bei einer
routinemäßigen revolutionären Feier im Hamburger Schanzenviertel, aber
doch einige. Um einen Anschlag handelte es sich aber auch in Heidenau
nicht. In Mügeln kam es 2007 zu einer Kirmesschlägerei zwischen
Einheimischen und Indern, die sich später in den Ermittlungen dann doch
als, nun ja, ambivalent herausstellte.
Also ebenfalls kein Anschlag. In Bautzen brannte im Juni 2016 das
leerstehende Hotel „Husarenhof“, das für Asylbewerber vorgesehen war,
durch Brandstiftung ab. Bis jetzt stehen die Täter nicht fest, die
Polizei ermittelt ausdrücklich in alle Richtungen. Ebenso Dresden: Wer
hinter der Verpuffung von Flaschen mit einem Benzin-Gas-Gemisch vor der
Tür der Dresdner DITIB-Moschee in Dresden-Cotta verantwortlich ist,
wissen die Kriminalbeamten noch nicht. Nur in Freital und Umgebung
verübte eine Gruppe von Rechtsextremisten tatsächlich Anschläge gegen
Asylbewerberheime. Für den „Stern“ ist der braune Hintergrund in allen
Fällen trotzdem schon ausermittelt. Ganz nebenbei: welcher sächsische
Politiker „leugnet“ die Vorfälle von Mügeln bis Dresden eigentlich?
Pressekommissare aus Hamburg und Berlin lassen sich grundsätzlich
nicht beirren. Vor allem, wenn es um Sachsen geht. Im Jahr 2000
übertitelte die BILD eine Horrorgeschichte aus dem sächsischen Sebnitz:
„Gegen 50 Neonazis hatte der kleine Joseph keine Chance“, die „taz“
wusste: „Badeunfall erweist sich als rassistischer Mord“. Und praktisch
die gesamte deutsche Presse trampelte der Geschichte aus Dunkelsachsen
mit wohligem Grusel hinterher. Bis sich nur Tage später der angebliche
Mord an dem deutsch-irakischen Kind Joseph Kantelberg-Abdullah als
Badeunfall herausstellte und die von der Mutter gesammelten
Augenzeugenberichte als zurechtgefälscht. „Aber es hätte doch so sein
können“, beharrte taz-Chefin Bettina Gaus, bevor sich ihr Blatt für die
Headline eine Rüge des Presserates fing.
Als 2008 im sächsischen
Mittweida eine Jugendliche behauptete, Nazi-Skinheads hätten ihr ein
Hakenkreuz in die Hüfte geritzt, schlagzeilten etliche Medien: typisch
Sachsen! „Passanten schauten zu“, dichtete die Korrespondentin der „Süddeutschen Zeitung“.
Das hatte zwar noch nicht einmal das vermeintliche Opfer ausgesagt –
aber es machte die Sachsen-Geschichte süffiger. Später stellte sich dann
der Überfall als erfunden heraus und das Hakenkreuz als
Selbstfabrikation der psychisch etwas wackeligen jungen Frau. Sie wurde
rechtskräftig wegen Vortäuschung einer Straftat verurteilt.
Im Januar 2015 fanden Anwohner den erstochenen Asylbewerber Khaled Idris Bahray im Hof eines Plattenbau-Gevierts. "Der erste Pegida-Tote",trompetete der „Stern“. Auch dieses Mal war es nicht ganz so:
die Polizei überführte kurz darauf einen anderen Asylbewerber als
Täter. Und nach dem - wie beschrieben – bis heute unaufgeklärten Brand
im Bautzener Husarenhof wusste fast die gesamte helldeutsche Presse zu
berichten, ein „Mob“ habe die Löscharbeiten behindert. Im Polizeibericht
stellte sich der Mob dann als Ansammlung von drei besoffenen
Jugendlichen heraus, von denen die Beamten zwei in eine Arrestzelle zum
Ausnüchtern steckten. Dass die vollgetankten Gestalten sie behindert
hätten, dementierte die Bautzner Feuerwehr heftig.
Nützte nur nichts: Die „Hamburger Morgenpost“ färbte damals eine
Sachsenkarte komplett braun ein und druckte die Zeile daneben: „Der
Schandfleck“. Nur als kurzer Einschub, da im Zusammenhang mit Sachsen so
viel von Hetze die Rede ist: Im Paragraf zur Volksverhetzung (130 StGB)
heißt es: „Wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er
eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen
wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem
Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder
verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren
bestraft.“
Und noch ein Apropos: Wie war das eigentlich mit dem quer durch die
Presse beklagten postfaktischen Zeitalter?
Vor allem aber scheinen sich
Hochmoralexperten wie Wüllenweber und Kollegen nie Gedanken darüber zu
machen, ob ihr zwanghaftes Durchladen und Feuern bei jedem sächsischen
Thema nicht vielleicht etwas mit den vielen journalistischen
Rohrkrepierern der Vergangenheit zu tun haben könnte: irgendwann, so
hoffen sie, muss es doch einmal mit dem Wirkungstreffer klappen, der
alle zusammen erwischt, die CDU, die AfD, die vier Millionen Sachsen und
ihre unvermeidlichen Nazis.
Nun gäbe es ja genügend authentischen Stoff für Reportagen über
Rechtsradikalismus in Sachsen (über Linksradikalismus genauso). Aber
dazu bräuchte es schon Recherchen am Ort. Von Hamburg und Berlin aus
geht es einfach schneller und bequemer, hinter jeden ungeklärten
Kriminalfall eine braune Kulisse zu schieben, die ruhig ein paar Tage
oder Wochen später zusammenkrachen kann. Tut nichts, das nächste Sebnitz
kommt bestimmt. Macht sich eigentlich jemand in den diversen
Redaktionen Gedanken, warum das Wort von der „Lügenpresse“ als erstes in
Sachsen auftauchte?
Klappt es partout nicht mit dem Nazihintergrund, dann muss
wenigstens eine Mafia- und Verschwörungsgeschichte her. Zu diesem Zweck
exhumiert Wüllenweber die so genannte Sachsensumpf-Affäre, eine wahre
Sauherde, die 2007 durch das Mediendorf getrieben wurde. Ganz Sachsen,
hieß es damals, ächze im Würgegriff einer pädophilen Immobilien- und
Justizmafia, schlimmer als das Dutroux-Netzwerk in Belgien.
„Bislang galt der Sachsensumpf als schillerndstes Beispiel dafür“, weiß Wüllenweber: „Die
Ermittlungen in einem Immobilienskandal führten die sächsische
Kriminalpolizei damals auch in ein Bordell, in dem minderjährige Mädchen
zur Prostitution gezwungen wurden. Die Opfer identifizierten einen
hochrangigen Richter sowie einen ehemaligen Staatsanwalt als Freier. Das
Ende der Affäre: Die ermittelnden Beamten wurden versetzt oder
beurlaubt, Journalisten verklagt, die Opfer kamen wegen Verleumdung vor
Gericht. Der Richter blieb im Amt, der Staatsanwalt wurde zum Präsident
eines Gerichts. Fast 20 Jahre beschäftigte der Fall die sächsische
Justiz. Er wurde nie aufgeklärt.“
Das klingt nun wirklich nach Tatort mit allem Tatütata. Zumindest,
solange man nicht recherchiert. Tatsächlich stürmte die Leipziger
Polizei 1993 ein Bordell, in dem Minderjährige anschaffen mussten. Der
Bordellbetreiber bekam eine Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten.
Und es gab einen Mordanschlag auf einen Manager der Leipziger
Wohnungsbaugesellschaft, der ebenfalls ausermittelt wurde. Die beiden
Täter erhielten lebenslänglich. Eine zunächst vermutete Verbindung
zwischen beiden Fällen bestätigte sich nicht. Erst viel später, 2007,
kamen Akten des sächsischen Verfassungsschutzes in die Öffentlichkeit,
die die alten Gerichtsfälle mit neuen V-Mann-Berichten mischten und eine
gewaltige Verschwörung konstruierten. Wie sich in den folgenden
Ermittlungen herausstellte, ging die Verdachtsschöpfung auf einen
frustrierten Kriminalpolizisten, eine V-Frau und pathologische Lügnerin
und eine eifrige BILD-Journalistin zurück.
Keine ihrer Behauptungen ließ sich belegen. Die beiden
Ex-Prostituierten verwickelten sich in erhebliche Widersprüche. Einer
der beschuldigten Juristen klagte sogar auf Schadenersatz gegen den
Freistaat wegen Verleumdung durch den Verfassungsschutz. Er bekam 12.500
Euro Schmerzensgeld. Auch der Sumpf-Fall wurde sehr wohl geklärt – nur
nicht so, wie sich etliche auf Sachsen kaprizierte Journalisten es sich
gewünscht hatten. Ja typisch, willfährige schwarze Sachsenjustiz! Die
Ermittlungen lagen damals allerdings - unter anderem - in der Hand des
Oberstaatsanwaltes Christian Avenarius, einem überzeugten
Sozialdemokraten, der überdies für freche Widerworte gegen das Justizministerium bekannt war.
Bis vor kurzem saß Avenarius der Dresdner SPD vor. In Wüllenwebers
Moritat kommt er selbstredend nicht vor. Selbst die Opposition aus
Linken und Grünen konnte übrigens in einem parlamentarischen
Untersuchungsausschuss keine Belege für die Sachsensumpf-Verschwörung
zutage fördern. Die Kunst, drei sachlich und zeitlich
auseinanderliegende, aufgeklärte Kriminalfälle für die „Stern“-Leser zu
einem zusammenzubinden und nicht einmal post- sondern kontrafaktisch zu
behaupten, er sei „nie aufgeklärt“ worden – das liegt künstlerisch
schon zwei Stufen über dem Trick, drei Nicht-Anschläge und zwei
ungeklärte Anschläge mit einem braunen Faden zum Paket zu schnüren.
Wo bleibt eigentlich die AfD in der „Stern“-Moritat? Die kommt ganz
zum Schluss. Frauke Petry habe 2014 einen Kandidaten von der AfD-Liste
streichen lassen, deshalb sei die Landtagswahl womöglich ungültig und
müsse wiederholt werden, was der AfD allerdings nach den Umfragen einen
Stimmenzuwachs eintragen würde: „Eine Partei verhält sich grob undemokratisch – und wird von den Wählern reich belohnt. So etwas kann passieren. In Sachsen.“
Wie fast immer bei Wüllenweber verhält es sich etwas komplizierter:
Der AfD-Vorstand – nicht Petry allein – hatte tatsächlich jemand
gestrichen, der Landeswahlausschuss nahm damals aber keinen Anstoß. Und
derzeit kann die AfD bei jeder Wahl mit Stimmengewinn rechnen, egal ob
der Termin außer der Reihe oder regulär stattfindet. Einmal musste in
Deutschland tatsächlich schon einmal eine Landtagswahl wiederholt
werden, 1993. In Hamburg.
Wir wissen zwar nichts Genaues. Aber die Drahtzieher der
schiefgegangenen Wahl werden wohl in „Stern“-Redaktion gesessen haben.
Wir schreiben das jedenfalls mal so hin. Alexander Wendt
Siehe auch: Alan Dershowitz über Stephen Bannon und Der stern, die Napola der Berliner Republik
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