Es war ein schöner Sommertag des Jahres 1985, als ich bei einem
Abstecher nach Ost-Berlin mit zwei Damen im Straßencafé in ein
interessantes Gespräch verwickelt wurde. In für mich verblüffender
Offenheit zogen sie über die Missstände ihrer Republik her.
Das
dauerte, bis sich eine weitere Dame zu uns gesellte. Meine bisherigen
Gesprächspartnerinnen haben als gelernte DDR-Bürger sofort gerochen,
dass mit der Frau irgendwas nicht stimmte, und verstummten weitgehend.
Die Neue warf sich denn auch sofort in die Schlacht zur Verteidigung des
Arbeiter- und Bauernstaates. Selbstverständlich habe jeder DDR-Bürger
das Recht, offen seine Meinung zu sagen, meinte sie allen Ernstes.
Ach
ja? Da wollte ich wissen, ob ich meine Meinung denn auf Flugblättern
verteilen dürfe in den Straßen der DDR. Ja sicher, antwortete die
mutmaßliche Genossin − vorausgesetzt natürlich, dass das, was ich da
schreibe, auch der Wahrheit entspreche.
Ich war baff. Das Abitur
gerade hinter mir, musste ich eingestehen: Keiner meiner Politiklehrer
hatte es vermocht, mir den Unterschied von Demokratie und Diktatur,
Freiheit und Unterdrückung so fein zugespitzt zu servieren wie diese
rote Tante.
In freiheitlichen Demokratien gilt: Niemand „besitzt“
die Wahrheit, sie ist immer umstritten, weshalb jeder seine eigene
Version öffentlich verkünden darf, ohne dafür bestraft zu werden. In
unterdrückerischen Diktaturen dagegen gibt es eine Instanz, welche die
„Wahrheit“ festlegt. Wessen öffentliche Kundgebungen dieser Wahrheit
nicht entsprechen, spürt die Knute.
War ich aber froh, durch den
Kontrollposten an der Friedrichstraße zurück in einen freien Staat
entweichen zu können, in dem ich ohne eigenes Zutun leben darf − oder
nur bis vor Kurzem leben durfte?
Die Gestalt der roten Tante ist
nämlich wieder auferstanden, nur trägt sie heute die Gesichtszüge von
Volker Kauder. Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag ärgert sich in
einem Beitrag für „Welt/N24“ darüber, dass große Internetforen zu
„Plattformen geworden (sind), auf denen Unwahrheiten verbreiten werden“
und fordert: „Wir müssen weiter diskutieren, ob die Betreiber der
Plattformen nicht mehr tun müssen, um das Netz nicht nur von
rechtswidrigen Inhalten freizuhalten, sondern von Lügen generell in der
politischen Debatte.“
Donnerwetter: Ab sofort gibt es oben an der
Macht also wieder Leute, die für alle verbindlich festlegen, was als
„Wahrheit“ zu gelten hat und was als „Lüge“. Wessen öffentliche
Absonderungen im Internet sich nicht an jene „Wahrheit“ halten, der soll
aus der Debatte geworfen werden.
Diktatorische Machthaber werfen
ihren Kritikern gern vor, sie seien für das böswillige Ausland
unterwegs, mithin feindliche Agenten. Bei Kauder liest sich das so:
„Bekanntlich wird aber auch aus Russland versucht, politische Debatten
bei uns zu beeinflussen.“ Diese skandalöse Enthüllung kommt gerade
rechtzeitig, da bekannt wird, dass eine staatliche deutsche Institution
ein paar Milliönchen hat springen lassen für die Stiftung der Eheleute
Clinton.
In den USA können sich die einzig wahren
Bestimmer der Wahrheit noch immer nicht damit abfinden, dass das Volk
den Falschen gewählt hat. „Widerstand“ formiert sich. Wogegen
eigentlich? Gegen Trump, klar. Allerdings ist der gerade demokratisch
gewählt worden.
Wie das passieren konnte, ist nach wie vor ein
großes Rätsel. Auch, warum man es nicht hat kommen sehen. Dabei standen
doch alle gemeinsam gegen den blonden Teufel! Das scheint auch weiterhin
so zu sein, wie der „Welt/N24“-Korrespondent erfreut berichtet: „Wer
sich in diesen Tagen mit New Yorker Aktivisten, Sozialarbeitern,
Künstlern, Journalisten und Pädagogen unterhält, spürt eine gewaltige
Mobilisierung und Bereitschaft, sich Trump und dessen Ideologie
entgegenzustellen.“ Mit welchem Ziel? Die demokratische Entscheidung zu
„korrigieren“? Interessant, was „engagierte Demokraten“ heute für Blüten
treiben.
Indes, die Frage, warum „wir“ den Trump-Sieg nicht haben
kommen sehen, könnte mit der Auslassung des Korrespondenten durch die
Blume beantwortet worden sein: Wer sich sein Bild von der öffentlichen
Stimmung in den USA im Gespräch mit „New Yorker Aktivisten,
Sozialarbeitern, Künstlern, Journalisten und Pädagogen“ zusammenpinselt,
dürfte das Gemüt des Durchschnitts-Amerikaners um etliche Meilen
verfehlen.
Bei uns wäre das kaum anders: Wer in Deutschland nach diesem
Schema vorginge, könnte heute noch nicht begreifen, warum die DDR der
Bundesrepublik beigetreten ist und nicht umgekehrt.
Wahrheit hin,
Wahrheit her: Der hasserfüllte Kampf gegen Donald Trump liefert uns
zumindest ein paar aufschlussreiche Erkenntnisse darüber, wofür die
politische Linke heute steht und wofür nicht (mehr). Was hat der Mann
versprochen? Er will nicht mehr überall auf der Welt militärisch
eingreifen, was Clinton ganz gewiss getan hätte. Seit den 60er Jahren
prangerten besonders die Linken diese Eingriffe als „US-Imperialismus“
an. Heute attackieren sie denjenigen, der diesen „Imperialismus“
abstellen will. Trump will zudem den Ausgleich mit Russland, keinen
neuen Kalten Krieg. Die angeblichen Erben der „Entspannungspolitik“
gehen durch die Decke. Dann verspricht er, die einfachen Arbeiter vor
Billigkonkurrenz zu schützen − sozialdemokratisch durch und durch. Die
etablierte Linke? Sie findet das ekelerregend.
Friedenspolitik und
den Schutz des „kleinen Malochers“ erklären die Linken also für
Teufelszeug. Man reibt sich die Augen. Auf wessen Seite stehen die
eigentlich? Das kann erahnen, wer einen kurzen Rückblick wagt. Damals,
in den schlimmen Zeiten der „abgeriegelten Nationalstaaten“ mit ihren
abgeschotteten Arbeitsmärkten lief das so: Wenn die Wirtschaft brummte,
wurden bald die Arbeitskräfte knapp. Das nutzten die Arbeitnehmer frech
aus und forderten höhere Löhne. Da sie keinen Ersatz hatten, mussten
die Arbeitgeber oft nachgeben. Das war ärgerlich für sie.
Nun ist es
aber so, dass die Wirtschaft so gut wie niemals in allen Staaten
zugleich boomt. Es gibt immer welche, wo es nicht so gut läuft und
Arbeitskräfte über sind. Daher haben wir heute die
„Arbeitnehmerfreizügigkeit“, durch die man schnell Ersatzarbeiter aus
lahmenden Ländern holen und die Lohnforderer zu Hause so in die
Schranken weisen kann. Als Steigerung dieser „Freizügigkeit“ haben
Merkel und ihre linken Jünger noch die „Politik der offenen Grenzen in
einer globalisierten Welt“ draufgesattelt. Haben Sie mal einen
Konzernchef, einen Grünen-Politiker oder einen Sozi über Zuwanderung
reden hören? Die sagen alle genau das Gleiche. Zufall? Wohl kaum.
Neben
dem Fetisch Zuwanderung und offene Grenzen blieb der Linken noch die
„Klimapolitik“ (mit der die Konzerne Milliarden verdienen) und die
Pflege einiger sorgsam ausgesuchter „Randgruppen“, wo Trump im Wege
stehen könnte. Und der Frauen. Na ja, nicht aller Frauen. Das
reaktionäre Weibsstück, das ausschließlich Hausfrau und Mutter werden
will statt sich der Erweiterung des Arbeitskräfte-Angebots zu
verschreiben, das hat von links ebenso wenig Anerkennung zu erwarten wie
aus den Vorstandsetagen von Daimler oder der Deutschen Bank.
Es ist
sicher kein Zufall, dass Trumps mächtigster Widersacher in den USA
George Soros heißt, der skrupelloseste Milliarden-Spekulant unserer
Epoche. Dass der „Humanist“ Soros allerhand linke Initiativen und ihre
„Aktivisten“ vor seinem Wagen massiv unterstützt, wundert nicht.
Die
zeitgenössische, globale Linke erscheint einem wie die abgefeimteste
List, die sich die Geschichte je hat einfallen lassen. Alles ist anders,
als wir glaubten. Wer diese Erkenntnis teilt, darf stolz einen neuen
Titel tragen: Er lautet „Populist“. Hans Heckel
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