Der
Wahlsieg Donald Trumps hat die Medienlandschaft nicht nur in Amerika,
sondern auch in Deutschland schwer erschüttert. Schließlich hatten die
Meinungsschaffenden doch klar auf ihr Zugpferd Hillary Clinton gesetzt.
Eine klare Niederlage fühlt sich bitter an, doch jeder weiß, daß eine
knappe Niederlage sehr viel bitterer ist. In diesem Fall kommt hinzu,
daß Clinton eben nicht knapp verloren, sondern sogar knapp gewonnen hat –
schließlich erhielt sie doch eine Million Stimmen mehr.
Erinnerungen werden wach an das Auszählungschaos im Jahr 2000, aus
dem bekanntermaßen George Bush als klarer Sieger hervorging, obwohl
Kandidat Al Gore etwa eine halbe Millionen Stimmen mehr erhalten hatte.
Weit weniger bekannt ist, daß auch Obama ähnlich siegte. Zwar nicht bei
den Präsidentschaftswahlen, wohl aber bei den parteiinternen primaries
(Vorwahl innerhalb der Partei) in denen er mehr Delegierte aber weniger
Wählerstimmen als Konkurrentin Hillary Clinton erhielt.
Wie kommt es überhaupt zu diesem paradoxen Ergebnis?
In den USA wird
der Präsident nicht direkt vom Volk, sondern indirekt über das
Wahlmännerkollegium gewählt. Jeder Bundesstaat entsendet eine bestimmte
Zahl an Wahlmännern – kleine Staaten anteilsmäßig sogar etwas mehr als
große. Wer die Mehrheit in einem Staat erzielt, gewinnt alle Wahlmänner.
Gewinnt ein Kandidat in den größeren Staaten sehr deutlich, sein Gegner
in den vielen kleineren Staaten nur knapp, kann eine Situation
entstehen, in der die Ergebnisse auf den Kopf gestellt werden.
Leidtragende dieser Entwicklung ist Hillary Clinton. Ihre Anhänger
haben die Hoffnung jedoch nicht aufgegeben. Noch ist der nächste
US-Präsident nicht gewählt, das Wahlmännerkollegium tritt erst im
Dezember zusammen. Eine Petition und auch mehrere Prominente, wie zum
Beispiel die Sängerinnen Lady Gaga, Pink und Sia fordern nun die
republikanischen Wahlmänner dazu auf, entgegen ihrer Parteipräferenz für
Clinton zu stimmen, weil dies dem eigentlichen Wählerwillen und damit
der Demokratie entspreche.
Aber ist es wirklich so einfach? Klar – nach dem derzeitigen
Wahlsystem hat Clinton die meisten Stimmen gewonnen. Aber was – rein
hypothetisch gesprochen – wenn die Vereinigten Staaten ihr Wahlsystem
reformiert hätten, so dass der Präsident direkt, also nicht durch das
Wahlmännerkollegium bestimmt würde?
In diesem Fall hätte der Wahlkampf
völlig anders ausgesehen.
Clinton konnte sich darauf verlassen, daß New York und Kalifornien
demokratisch wählen würden, während sich Trump der Stimmen aus dem Süden
sicher war. Wirklich spannend war der Wahlkampf nur in den Swing
States, in denen kein klarer Sieger zu prognostizieren war. Nur in
diesen (je nach Definition) rund 10-15 Staaten fand der eigentliche
Wahlkampf statt. Hier wurden 90 Prozent aller Wahlkampfgelder ausgegeben
und ebenso viele Wahlkampfauftritte absolviert.
Ein Republikaner ging in Kalifornien nicht zur Urne, weil er wußte,
dass seine Partei verlieren würde, ähnlich ging es seinem demokratischen
Gegenstück in Wyoming. Würde aber der Präsident nach der Anzahl der
meisten Stimmen bestimmt, hätten diese beiden Nicht-Wähler allen Grund
gehabt, ihre Stimme dennoch abzugeben. Statt der Konzentration auf
wenige Swing States hätte der Wahlkampf also im gesamten Land
stattgefunden und wäre vielleicht völlig anders ausgegangen.
Clinton gewann eine Million Stimmen mehr – sicher. Aber dieser
Abstand ist nicht so exorbitant hoch, daß wir mit Sicherheit annehmen
können, dass sie auch diese hypothetische Wahl gewonnen hätte. Lukas Mihr
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