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Donnerstag, 17. November 2016

Paragraf 81e Strafprozessordnung

FREIBURG. Zwei Frauen wurden innerhalb von drei Wochen vergewaltigt und getötet. 80 Ermittler arbeiten an der Aufklärung der Fälle. Nicht nur in der idyllischen Stadt Freiburg im Breisgau, sondern im gesamten Südwesten der Republik geht die Angst um. Mordet ein Serientäter?
Und unter den Ermittlern steigt der Frust und Ärger. Denn: An einer der toten Frauen konnte genetisches Material sichergestellt werden. Es könnte DNS-Material des Täters sein. Aber vollständig auswerten dürfen die Beamten die Spuren nicht.
Die Taten: Am 16. Oktober 2016 radelt die Medizinstudentin Maria L. (19) frühmorgens von einer Feier in Freiburg nach Hause. Dort kommt sie aber nie an. Eine Spaziergängerin findet später ihre Leiche in dem Fluß Dreisam. Die junge Frau wurde laut Rechtsmedizin zuvor vergewaltigt. Die Gerichtsmediziner können eine DNS sicherstellen.
Am 6. November 2016 geht Carolin G. (27) am Sonntagnachmittag für eine Stunde durch den Wald joggen. Sie kehrt nie nach Hause zurück. Abends meldet ihre Familie sie als vermißt. Polizei, Suchhunde, Fahndungsaufrufe. Vier Tage später dann die schreckliche Gewißheit: Die junge Frau ist tot. Ihre Leiche wird in einem kleinen Wald zwischen Endingen und Bahlingen entdeckt. Auch Carolin G. wurde vergewaltigt und getötet.
Doch es gibt noch einen weiteren Fall, der Parallelen zu den beiden jüngsten Tötungsverbrechen aufweist: In Überlingen am Bodensee wird am 9. Juni die halbnackte Leiche der Rettungsschwimmerin Sabine K. (28) entdeckt. Sie war seit dem 3. Juni verschwunden. Die Polizei geht von einem Suizid aus. Doch ihre Eltern glauben das nicht, starten Zeugenaufrufe in den Medien.
Wegen der ersten beiden Fälle werden zwei Sonderkommissionen eingesetzt. Für Maria L. die Soko „Dreisam“, für Carolin G. die Soko „Erle“. Die Beamten arbeiten mit Hochdruck. Die Soko Erle geht 300 Hinweisen nach, die Soko Dreisam hat bisher 940 Zeugen befragt, über 1.000 Spuren gesichert.
Eine dieser Spuren im Fall Maria L., die der Soko Erle helfen könnte die Tat aufzuklären, ist das gesicherte DNS-Material. „Wir selbst überprüfen die DNS-Spuren nicht“, erläutert Laura Riske, Sprecherin des Polizeipräsidiums Freiburg, gegenüber der JUNGE FREIHEIT.
„Die Auswertung läuft über das Landeskriminalamt. Sie beinhaltet die DNS-Spur selbst und das Geschlecht“, so Riske. „Weitere Merkmale dürfen innerhalb des DNS-Strangs nicht ausgewertet werden.“ Und warum nicht? „Wir sind nicht Verfasser der Strafprozessordnung“, sagt sie.
Im Bundesjustizministerium schildert die Sprecherin des Ministeriums Juliane Baer-Henney, zuständig für Strafrecht, gegenüber JF die Sachlage: „Der Paragraph 81 e Strafprozessordnung erlaubt die Untersuchung des DNS-Material auf Identität, Abstammung und Geschlecht. Aber er verbietet die Bestimmung nach Größe, Haaren, Augenfarbe und Ethnie. Die Gesetzesbegründung steht in der Bundesdrucksache 13/667.“
Und die stammt aus dem Jahr 1995, damals regierte die CDU noch mit der FDP. Dort heißt es wörtlich: „Die in weiten Teilen der Bevölkerung anzutreffenden, mit der Gentechnik ganz allgemein verbundenen Ängste und Befürchtungen vor übermäßigen, den Kern der Persönlichkeit berührenden Eingriffen, legen aber eine besondere gesetzliche Regelung der DNA-Analyse für die strafprozessuale Nutzung nahe, die die Voraussetzungen und Beschränkungen, die sich für den einzelnen aus der Durchführung einer solchen Untersuchung ergeben, klar festschreiben.“

Baer-Henney weiter: „Es ist ein furchtbarer Fall. Ich kann die Forderung nach einer Ausweitung der DNS-Untersuchung verstehen, aber grundsätzlich sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor. Die Gesetze sind unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zustande gekommen.“   JF

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