Nachdem viele Juristen die „Gemeinsame Erklärung 2018“ unterschrieben
hatten, sah der vormalige Präsident des Deutschen Anwaltsvereins,
Wolfgang Ewer, dringenden Handlungsbedarf. Er griff zur Feder und ließ
das Ergebnis seiner Phantasien als Editorial in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 17/2018) unter dem Titel „Die zweite Verantwortung“ veröffentlichen. „Die dritte Schuld“ wäre passender gewesen.
Er zitiert eingangs die „Erklärung 2018“ und behauptet:
„Zur These, dass die Zulassung der massenhaften Einreise von
Flüchtenden illegal sein soll, reicht der Hinweis, dass das BVerfG eine
gegen diese Verfahrensweise gerichtete Verfassungsbeschwerde durch den
Beschluss von 10.2.2016 nicht zur Entscheidung angenommen hat.“
Dass dies ohne Begründung geschah, fügt Ewer nicht hinzu. Das von
Ewer als zweiten „Beweis“ herangezogene EuGH-Urteil beschäftigt sich
lediglich mit den europäischen Aspekten der Massenaufnahme von
„Flüchtlingen“, nicht mit der Gesetzmäßigkeit an der deutschen Grenze.
Last but not least, wirft Ewer den Unterzeichnern vor, nicht zwischen
Einwanderern und Flüchtlingen unterscheiden zu können. Ein Defizit, das
auf ihn zutrifft, denn wenn die erdrückende Mehrheit der Ankömmlinge
weder einen Asyl- noch einen Flüchtlingsstatus anerkannt bekommen hat,
sind es eben keine Flüchtlinge. Ein Jurist sollte das eigentlich wissen.
Im zweiten Teil seiner Ausführungen wird es unappetitlich. Ewer führt
angebliche Vorkommnisse auf, die von den Unterzeichnern mit ihrer
Unterschrift gebilligt wurden. Nur ein Beispiel: Er zitiert einen
Redner, der 2015 bei einem „Aufmarsch“ in Dresden gesagt haben soll: „Es
gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider außer
Betrieb.“ Dieses „Zitat“ war eine Zeitungsente und
musste von dutzenden Medien richtiggestellt werden, was der Anwalt
Joachim Steinhöfel für den Redner gerichtlich erstritt. Dass ein
Top-Jurist eine erwiesene Falschmeldung in einem juristischen Fachblatt
als Argumentationshilfe präsentiert, ist mehr als merkwürdig. Mit
Fahrlässigkeit kann das nicht mehr entschuldigt werden. Vera Lengsfeld
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