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Freitag, 20. April 2018

Macronitude

Wie ehrlich meint es Macron? Der französische Staatspräsident sonnte sich im Glanz der deutschen Baustelle namens Berliner Stadtschloss, jedenfalls im medialen Glanz. Denn bei ihm zu Hause sah es ganz anders aus und in den französischen Medien kümmerte man sich um den Besuch in Berlin unter ferner liefen auf den Seiten sieben folgende oder berichtete, wenn überhaupt, in den Abendsendungen nur am Rande.
Hauptthema in Frankreich waren die Proteste der Eisenbahner, der Studenten, der Rentner und anderer Berufsgruppen in Paris, Marseille, Montpellier, Besancon, Nantes, Rennes, Lille. Noch kann man nicht von einem Aufstand der Straße sprechen, um den sich die kommunistische Gewerkschaft CGT so intensiv bemüht. Aber der Funke kann überspringen und Pflastersteine fliegen schon mal. Mit anderen Worten: Die Reformfront zu Hause ist verhärtet und von ihr hängen Legitimität und Glaubwürdigkeit des medialen Sonnyboys aus Paris ab.
Emmanuel Macron weiß das. Auch deshalb macht er Druck. Erfolge im Brüsseler Europa können ihm in Paris helfen und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen kann er mit europäischen Federn seine Position stärken nach dem Motto: Wir müssen in Europa die Nummer eins werden oder wenigstens wettbewerbsfähig bleiben.
Frankreichs Außenpolitik orientiert sich an Interessen Frankreichs
Zum zweiten kann er mit Blick auf künftige deutsche Transferleistungen den Spardruck lockern und schon heute den Gewerkschaften Zugeständnisse machen. Und, was in Berlin kaum zur Sprache gekommen sein dürfte, die Zeit spielt für ihn. Denn wenn die Briten die EU verlassen, ändern sich die Stimmenverhältnisse in den Gremien.
Dann gewinnen die Südländer qualifizierte Mehrheiten, ein Übergewicht, das sie bei Verhandlungen über Stabilitätskriterien in die Waagschale werfen werden. Angela Merkel wäre die letzte, die sich dauerhaft solchen Mehrheiten entgegenstellen würde. Mehr Hoffnungen könnte man schon in Scholz setzen, weil der seine Zukunft in Berlin sieht, Merkel eher in der Uckermark.
Hinzu kommt: Frankreich hat eine Außenpolitik, die sich zuerst an den Interessen Frankreichs und dann an denen Europas ausrichtet und für die es auch Mittel bereitstellt. Vielleicht nicht genug, aber doch so viele, um ernst genommen zu werden. Gleiches gilt übrigens für Großbritannien. Das kann man bedauern oder bewundern, es ist so. Wenn es ernst wird, steht der Marquis de la Fayette an der Seite der Angelsachsen und diese Geschlossenheit macht Paris zum geschätzten Gesprächspartner nicht nur in Washington und London.
EU-Projekt ist an einer Grenze
Es rächt sich, daß Angela Merkel sich mit Blick auf den Koalitionspartner noch vor dem Schlag in Syrien davon distanzierte, um nachher dann viel zu spät politisch beizudrehen und mit dem deutschen Ruderboot im Kielwasser der westlichen Flotte zu treiben. Man muß nicht mitfliegen oder mitbomben. Aber Skepsis vorher und Kopfnicken danach erhöhen nicht die Glaubwürdigkeit. Genauso dürfte man im realpolitischen Paris auch die Europa-Politik Berlins einschätzen. Erst dagegen und nachher mitlaufen. Man muß nur lange genug drängen, dann werden die konsenssüchtigen Deutschen schon einlenken.
Man kann es geostrategisch, innenpolitisch und wirtschaftlich drehen und wenden, wie man will: Das EU-Projekt ist an einer Grenze, vielleicht an seinen Grenzen angekommen. Übrigens auch für Macron selber. Er will keinen direkt gewählten Kandidaten für die Kommission, den sollen die nationalen Regierungen, mithin das Elysee also er selbst, bestimmen.
Aus seinen Reformvorhaben in Frankreich und für Europa läßt sich darüber hinaus eine Tendenz ablesen: Er ist unerbittlich, wenn es um die Interessen der Banken geht. Der Vorwurf seines Vorgängers Hollande, Macron sei der Präsident der ganz Reichen, ist nicht unbegründet. Das ist auch ein starkes Motiv der Protestierenden. Und natürlich ist er auch wortbrüchig, wenn es um die Steuern geht. Seine Regierung hat die Tabaksteuer und die Benzinsteuer erhöht, sie hat die Bemessungsgrenzen bei Steuererleichterungen, etwa für Familien, deutlich gesenkt, so daß die Kaufkraft der Mittelschicht schwindet. Die Leute merken das in ihrem Portemonnaie.
Die Skepsis gegen Macron wächst
Macrons Glaubwürdigkeit in Frankreich steht auf dem Prüfstand. Die Skepsis gegenüber seinen bis ins Detail inszenierten Auftritten wächst. Er ist nicht nur blitzgescheit und hochgebildet, sondern auch ein guter Schauspieler. Niemand weiß das besser als seine Frau Brigitte, sie war die Lehrerin der Theater-AG, bei der der junge Emmanuel die Bühne beherrschte.
Nun will er auch die Europa-Bühne beherrschen und es ist keiner zu sehen, der ihm glaubhaft und mit fester Stimme Paroli bietet. Macron will die schon beim alten Griechen Sophokles aufgekommene und bei Ortega y Gasset auf Europa gemünzte Resignation widerlegen, die sich in dem Satz bündelte: Es gibt keine Helden mehr, es gibt nur noch den Chor. Er will der Held Europas sein und der mediale Chor soll ihn besingen. In Deutschland ist ihm das weitgehend gelungen.   Liminski

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