In ihrem Buch
"Tote weiße Männer lieben“ beschreibt die "habilitierte
Kulturwissenschaftlerin" Sophie Liebnitz – der Name ist ein Pseudonym;
im besten Deutschland, das es je gab, kann es für die universitäre
Karriere heikel werden, wenn man in falschen Verlagen falsche Texte
publiziert – den vor allem in der angelsächsischen Welt um sich
greifenden Rassismus gegen den DWEM, den "Dead White European Male".
Anhand durchaus unglaublicher Einzelbeispiele enthüllt die Autorin das
Grundmuster eines so schwachsinnigen wie gefährlichen linken
Kulturkampfs – man könnte auch sagen: eines kulturfeindlichen Amoklaufs
–, der über die Stationen Stigmatisierung, Verleumdung und Entrechtung
offenbar zur totalen Entmachtung und kulturellen Auslöschung des weißen
Mannes führen soll. Also jenes Geschöpfs, dessen Anteil an den
wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen
Hervorbringungen der Menschengattung sämtliche anderen Ethnien und ca.
67 Geschlechter zu Statisten degradiert, depraviert, ja diskriminiert.
Aber
verhält es sich nicht genau andersherum, dass die argen weißen Kerle
alle andere Welt unterdrücken und zuschanden machen? Ist Frau Liebnitz
ein "Panikmacher" (P. Bahners)? Sehen wir zu. Die Autorin zitiert
zunächst die DWEM-Definition des Oxford Dictionary: "Informal a writer,
philosopher or other signifikant figure whose importance and talents may
have been exaggerated by virtue of his belonging to a historical
dominant gender and ethnic group." Die These lautet, dass Shakespeare,
Mozart, Edison oder Planck wegen ihres Genders und ihrer ethnischen
Herkunft möglichweise überschätzt werden. Allein in dieser
Unterstellung, da würde mir Kamerad Nietzsche sicherlich zustimmen,
steckt mehr Ressentiment als im gesamten Christentum. Ich komme darauf
zurück.
Schauen wir auf einige der genannten Beispiele. Im Herbst
2017 bot das New York Hunter College, das zur University of New York
gehört, eine Lehrveranstaltung "Abolition of Whiteness" ("Abschaffung
des Weißseins") an – Sie denken sich bitte komplementär immer die
Varianten "des Schwarzseins", "Judeseins", "Frauseins", "Moslemseins",
"Queerseins" dazu. In der Beschreibung des Kurses, notiert die Autorin,
"wird Weißsein direkt mit ‚white supremayy‘ und Gewalt gleichgesetzt."
Ein College in Santa Fe (New Mexico) lud wiederum zu einem Studienkurs,
der sich der "deprayity of whiteness" widmete, also der Verdorbenheit
oder Verkommenheit des Weißseins.
Ebenfalls 2017 gab es eine Serie
von Anschlägen auf Columbus-Denkmäler in den USA, denn der Genueser
brachte ja den weißen Mann übers Meer. Bei der Schmähung des Entdeckers
der Neuen Welt wollten es die Progressisten freilich nicht belassen. Die
Säuberungswelle erreichte kurz darauf den Gründervater der USA, George
Washington, denn der hatte Sklaven, wie das damals in seiner Klasse
üblich war. Wenig später geriet sogar Abraham Lincoln, der trotz seiner
Verdienste um die Sklavenbefreiung angeblich im Herzen ein Rassist
geblieben war, in den Blick der Kulturrevolutionäre: In Chicago wurde
einen Büste des Präsidenten verbrannt, andernorts beschmierte und
beschädigte man Statuen von ihm.
Ja, und die reaktionären
Südstaatler kamen erst recht an die Reihe! "Charlottesville mit der
Universität von Virginia und seinen 50.000 Einwohnern ist zu einem
Schauplatz der Auseinandersetzung um den Umgang mit Symbolen der
Sklaverei sowie zum Spielplatz für eine ultrarechte Bewegung geworden",
schrieb Spiegel online am 12. August 2017. "Die
liberale Stadt hatte sich im April dafür entschieden, aus einem
zentralen Park eine Statue von Robert E. Lee zu entfernen. Lee war der
Befehlshaber der Truppen der Südstaaten, die im amerikanischen
Bürgerkrieg für den Fortbestand der Sklaverei kämpften. Der fragliche
Park wurde bereits von Lee Park in Emancipation Park umbenannt.
Eine Petition eines afroamerikanischen Schülers hatte das Ganze ins
Rollen gebracht." So handeln nur wirklich liberale Städte.
Als ein
an Militärgeschichte leidlich Interessierter kann ich Ihnen versichern,
dass Lee zu den größten militärischen Genies aller Zeiten zählt
(schlimm), dass er ein Ehrenmann war und im Gegensatz zu den
Nordstaaten-Schlächtern Sherman und Sheridan ein ritterlicher Krieger,
der die Zivilbevölkerung schonte. Aber mit dem Fortschritt im Tornister
hat es sich bekanntlich zu allen Zeiten am herzigsten gebrannt und
gemordet.
Direkt nach den Protesten in Charlottesville gegen die
Schleifung des Lee-Denkmals zerstörten gute Rassisten in North Carolina
ein Kriegerdenkmal für Soldaten der ehemaligen Südstaaten. In Baltimore
ließ die Stadtverwaltung ein Doppelmonument der Generäle Lee und Thomas
"Stonewall" Jackson abreißen, wobei hier ein neues, eigentlich aber
uraltes Zeichen des Triumphs gesetzt wurde: Die Denkmäler wurden nicht
nur entfernt, sondern durch ein neues ersetzt, wie das die Sieger im
Land der Besiegten zu allen Zeiten getan haben, um ihren
Herrschaftsanspruch auch symbolisch auszudrücken. Anstelle der beiden
weißen Offiziere steht nun eine schwarze Schwangere mit einem Kind auf
dem Rücken dort, die wem auch immer mit der Faust droht. Sogenannte
Aktivisten gaben ihr den Namen "Lady Liberty". Eine deutlichere
Kampfansage sei nicht vorstellbar, notiert Liebnitz: "Der
Freiheitsstatue, klassizistisch, weiß, steril und in ihrer Aussage
universalistisch, wird eine expressive, schwarze, fruchtbare Figur
entgegengesetzt, die durch ihre erhobene Faust signalisiert, für ihre
Interessen und die ihres Nachwuchses aggressiv eintreten zu wollen."
Wechseln
wir auf die britische Insel, wo derselbe wohlgesinnte Wahn waltet. Im
King’s College zu London, Lehrstatt von zwölf späteren
Nobelpreisträgern, füllte der Dean of education im Juli 2017
das Sommerloch mit der Forderung, man möge die Porträts der Gründerväter
aus der Eingangshalle entfernen, weil es den Studenten nicht zuzumuten
sei, von Bildern bärtiger weißer Männer aus den zwanziger Jahren umgeben
zu sein (Bilder gewisser bärtiger Männer aus dem 7. bzw. 21.
Jahrhundert sind aber in Zukunft bestimmt willkommen). Die Cambridger
Altphilologin Mary Beard (sic!) summierte die dort Proträtierten bündig
als "viktorianische Rassisten", deren Anblick speziell die farbigen
Studenten verhöhne, wobei zu deren Inschutznahme gesagt sei, dass die
Initiative nicht von ihnen ausging, so emanzipiert sind sie noch nicht.
Der Ikonoklasmus auf der Insel befindet sich noch im Stadium des bloßen
Forderns, kommt aber bei der Wahl des zu beseitigenden Personals dem
überseeischen Vorbild schon recht nahe: Eine afrikanischstämmige
Journalistin hat im Guardian dazu aufgerufen, die Statue Lord
Nelsons, immerhin ein "white supremacist", am Trafalgar Square zu
entfernen. Wenn man sich vor Augen führe, was der Sieger der Seeschlacht
von Trafalgar für die Briten bedeute, kommentiert Liebnitz, "kann man
die Provokationskraft und den Machtwillen ermessen, die in dieser
Forderung stecken".
Zur Agenda der Weißenschmnähung gehört die
sukzessive Umschreibung der Geschichte, die ja sowieso keiner mehr
kennt, was die Angelegenheit erleichtert – ich erinnere an die reizende
Story, dass türkische Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg
Westdeutschland wieder aufgebaut haben. Ein Lehrvideo der BBC
zeigt einen schwarzen römischen Offizier, der den Bau des Hadrianswalls
kontrolliert, um nach getaner Arbeit zu seiner weißen Frau heimzukehren
und mit ihr gemeinsam dem Töchterchen zuzuschauen, wie es mit dem
Spielzeugschwert hantiert, um dereinst den Wall gegen blütenweiße Briten
zu verteidigen. Bereits 2009 hatte es in einem Robin-Hood-Film einen
schwarzen Bruder Tuck gegeben. Die Geschichte umzuschreiben, gehörte
stets zu den ersten Maßnahmen von Eroberern. "Was die UN ganz unverblümt
als 'replacement migration' benannte, wiederhold sich hier auf
symbolischer Ebene" (Liebnitz).
Die Scottish National Portrait
Gallery in Edinburgh präsentierte im vergangenen Jahr eine Schau mit
Porträts aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Eine Hip-Hop-Truppe der Stadt
durfte in der Ausstellung ein Video drehen, in dem ein halbnackter,
barfüßiger schwarzer Bursche aggressiv die Räume durchstreift,
Boxbewegungen gegen die Gemälde ausführt und dazu rappt: "Bedeutet das,
mich gibt es nicht? … Weil ich kein Gesicht wie meins, in Gold gerahmt,
an den Wänden sehe? … Tote, weiße Kerle … eine lange Reihe
inzüchtlerischer Brut, die bald aussterben wird. Aber ich bin hier. Mein
bloßes Dasein, meine Nähe, mein Atem – alles beleidigt dich!" Nun, der
letzten Bemerkung wird wohl niemand widersprechen. Der Hassausbruch
gegen die britische Geschichte wurde auf bewährte weiße, aber nicht
besonders weise Weise mit britischen Steuergeldern finanziert. Wenn die
Brut wirklich ausgestorben ist, wird auch das vorbei sein, wenigstens
das.
Ich sprach vorhin von Ressentiment in Reinform. Hier steht
ein kulturloser, zu jeder Art Schöpfertum unfähiger, wegen seiner
Hautfarbe mit Nachsicht zu behandelnder Fatzke vor Zeugnissen der
westlichen Kunst und deutet schon mal an, was diese Genies eines Tages
wahrscheinlich wirklich erledigen werden: deren Zerstörung. (Es sei
denn, die Chinesen oder reiche Araber kaufen das alles; die kennen auch
noch die angemessene Art, mit Leuten umzugehen, die ihnen ihren Besitz
kaputtmachen wollen.) Es geht dem Buben nicht nur darum, die
unerreichbaren Trauben als ihm viel zu sauer abzuwerten, er will das
Verlangen nach Süße überhaupt diskreditieren. Womit wir beim für heute
letzten Exempel wären. 2016 brachte eine Gruppe von Studenten der
Universität Yale eine Petion ein, die eine fundamentale Änderung der
Studienlektüre forderte. Die Kenntnis von Shakespeare, Milton und
anderer toter weißer Männer sollte nicht mehr verbindlich sein für das
Studium englischer Literatur, denn ein Studium "wo die literarischen
Beiträge von Frauen, farbigen Menschen und Queers fehlen, beschädigt
alle Studenten, egal welcher Identität“, notierte damals der Guardian.
Dergleichen geschieht derzeit an vielen Universitäten im
angelsächsischen Raum. Der Kanon ist entschieden zu weiß. Saul Bellows
Bemerkung: "Wenn die Zulus einen Tolstoi haben, werden wir ihn lesen",
ist als weißer Übelegenheitsdünkel überführt.
Wer jetzt
vorschlägt, man könne doch das eine tun und das andere nicht lassen, hat
das Prinzip nicht begriffen. Es geht nicht um Partizipation, sondern um
Macht. Mit literarischer Qualität hat das nichts zu tun. Die
Überlegenheit der toten weißen Männer in allen Künsten außer vielleicht
Hip-Hop, Säbel- und Bauchtanz ist so enorm, dass es auch der
diversifiziertesten Esel*In bei der Parallellektüre oder -betrachtung
irgendwann aufginge; deshalb muss Shakespeare ganz weg. Mehr
Ressentiment ist, wie gesagt, schwer möglich.
Dieselbe
Unversöhnlichkeit und Kompromisslosigkeit herrscht auch bei der
Bewertung historischer Persönlichkeiten und Ereignisse. Es wäre ja ein
Leichtes, sowohl einen Columbus-Tag als auch, an einem anderen Datum,
einen "Indigenious People Day" zu feiern, aber tatsächlich wurde in
verschiedenen amerikanischen Städten, darunter L. A., der eine bloß
durch den anderen ersetzt. Eine verbindliche, alle Bürger und Ethnien
integrierende nationale Geschichtserzählung scheint nicht mehr möglich
zu sein. Es geschieht, was der Historiker Arthur M. Schlesinger 1991
halb diagnostizierte und halb prophezeite: The Disuniting of America.
Gruppen tragen ihre Interessen mit zunehmender Aggressivität in die
Gesellschaft; das Gemeinsame ist kein Ziel mehr. Angeblich agieren die
linken Aktivisten, die übrigens verblüffend oft weiß sind, als Agenten
des Universalismus, aber diese Zauberlehrlinge erzeugen immer nur neue
Partikularismen. Wobei sie versuchen werden, die DWEM-Denkmäler überall
zu schleifen und durch Buntheitsmonumente zu ersetzen – und uns das
Ergebnis als Universalismus zu verkaufen.
Mit dem Paradoxon,
dass es angeblich Rassen gar nicht gibt, aber Rassenunterdrückung und
Rassenunruhen dann doch – und natürlich die Rasse der Weißen, die dafür
verantwortlich ist –, wollen wir uns nicht aufhalten; es geht hier nicht
um Logik, sondern um Macht.
Liebnitz schreibt dazu: "Wenn Weiße
ihre Dreadlocks abscheiden und sich von Hip-Hop fernhalten sollen" – was
ich sehr befürworten thäte! –, "dann dürften schwarze Amerikaner nicht
mehr in Jeans herumlaufen, sich dürften nicht Auto fahren, keine moderne
Medizin in Anspruch nehmen, keinen Computer oder Fernseher benutzen und
keine Menschenrechte beanspruchen – alles Dinge, die in weißen Kulturen
entwickelt worden sind." Aber auch darauf versteht die antiweiße Fronde
zu reagieren: Man behauptet einfach, dass alle Entwicklungen der Weißen
aus der Unterdrückung und Ausplünderung der anderen resultieren; mithin
sind vom attischen Tempel bis zur Raumstation sämtliche Werke der
weißen Wölfe eigentlich von den anderen Ethnien geschaffen worden. Der
linke alte weiße Mann glaubt, durch die eifrige Bezichtigung und
Verdammung aller anderen weißen Männer seine bleiche Haut zu retten,
aber sie werden ihn nicht verschonen.
Soweit zum Buch. Eine
persönliche Schlussbemerkung will ich mir gestatten. Ich hatte mir unter
dem Titel etwas anderes versprochen, nämlich eine Liebeserklärung. Ich
will sie hier gern aussprechen. Alles, was ich liebe, haben tote (und
ein paar noch lebende) weiße Männer geschaffen, ob nun die
Matthäus-Passion oder die "Meistersinger", Schuberts B-Dur-Sonate oder
Bruckners Achte, Chopins Nocturnes oder Rameaus "Piéces", ob die
Hofzwerge des Velázquez, die Himmel Claude Lorrains oder die Fresken
Giottos, ob "A la recherche du temps perdu" oder "Pnin", ob "Odyssee",
"West-östlicher Divan" oder die Sonette des Großen Einzigen, ob
Tschechows Erzählungen oder die Geschichten Jaakobs, ob Château Margaux
und Château Lafite-Rothschild, ob Lindenoper oder Scala, ob die
Kathedrale von Amiens, die Basilica dei Santi Giovanni e Paolo oder die
Basilika San Francesco, ob "Clockwork orange" oder "Barry Lyndon", zu
schweigen von Rennrad, Speisewagen, Füllfederhalter,
Dreiteiler, Crockett & Jones-Schuhen und halterlosen Damenstrümpfen.
Wenn nun ein paar spezielle Hochbegabte der Meinung sind, die Werke der
toten weißen Männer aus den Universitäten – und wer weiß, wo überall
noch – auszusondern, kann ich das nur glühend befürworten. Weg mit
Goethe, weg mit Baudelaire, weg mit Beethoven, weg mit Michelangelo, weg
mit Vermeer, dieses G'schwärl soll das nicht lesen, nicht sehen, nicht
hören, nicht beschmutzen; mögen sie auch ästhetisch unter ihresgleichen
bleiben, damit ist am Ende allen gedient ... MK am 26. 4. 2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.