Stationen

Donnerstag, 14. Oktober 2021

Thomas Eppinger kommentiert die Causa Kurz

Ein paar Worte, speziell für meine deutschen Leser.
Florian Klenk erklärte bei Markus Lanz heute die Affäre Kurz. Unterhaltsam, prägnant und in einfacher Sprache, damit's auch jeder versteht. Ganz erstaunt geben sich die Zuhörer, wie besonders korrupt die Zusammenarbeit mit den Medien unter Kurz gelaufen sei. Es gilt die Unmutsvermutung, sagt Klenk, und trotz Unschuldsvermutung für alle Beteiligten: den Unmut teile ich.
Der »ungesunden Beziehung, geprägt von gegenseitiger Abhängigkeit und Abneigung« (NZZ) zwischen Politik und Medien galten meine ersten Kommentare nach den jüngsten Entwicklungen. Allerdings verspüre ich den Unmut schon sehr viel länger als seit einer Woche. Zur Veranschaulichung:
Der Vor-Vorgänger von Sebastian Kurz, Werner Faymann, SPÖ, hat die Beziehung zwischen Politik und Medien in bis dahin unbekannte Höhen geführt. Faymann legte die Basis seiner Kanzlerschaft als Wiener Wohnbaustadtrat, was Beobachter damals vor allem auf eines der höchsten Inseratenbudgets der Republik zurückgeführt haben. Aber nicht nur, man kann Geld auch anders unter die Medien bringen:
»Die damaligen news-Macher Wolfgang und Helmuth Fellner (dieselben Player wie in der aktuellen Causa Kurz, Anm.) hätten dringend Platz in der Stadt benötigt - für die Zentrale ihres Imperiums. Die Generali, Eigentümer des Areals in der Taborstraße, war bereit, das Büro-Hochhaus zu vermieten. [Bernhard] Görg (von 1996 bis 2001 Wiener ÖVP-Vizebürgermeister, Anm.): ›Ich habe dann die Kontakte zu den Fellners hergestellt.‹ Die Fellner-Brüder hätten jedoch bald erkannt, dass sie viel zu viel Raum gemietet hatten, weshalb sie einen Untermieter suchten. Görg: ›Da ist dann ,Wiener Wohnen' unter Werner Faymann eingesprungen.‹ (Im Jahr 2000, Anm.) Es kam zu den laut Rechnungshof ›stark überhöhten Mietzahlungen‹. Konkret: 31,6 statt der ortsüblichen 12,4 Euro pro Quadratmeter seien bezahlt worden. Mehr noch: Die Miete wurde für zwölfeinhalb Jahre im Voraus bezahlt – 2,7 Millionen Euro.« Berichtete der KURIER 2011, Link im Kommentarbereich.
Noch einmal: Die nach eigener Angabe »größte kommunale Hausverwaltung Europas«, die heute rd. 220.000 Wiener Gemeindewohnungen verwaltet, bezahlt auf Veranlassung ihres Chefs und späteren Bundeskanzlers an die damaligen Herausgeber des Wochenmagazins NEWS für die Miete in deren Büroräumlichkeiten fast das Dreifache der üblichen Miete – und das auch noch mehr als zwölf Jahre im Voraus. 2,7 Mio. Euro wandern von der Öffentlichen Hand zu einem einzigen Medienkonglomerat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Konsequenzen gab es für Faymann übrigens keine. Eine von den Grünen geforderte Überprüfung der Causa wurde vom Kontrollausschuss des Wiener Gemeinderates abgelehnt.
Selbstverständlich entschuldigt ein Unrecht nicht das andere. Aber hier handelt es sich um Unrecht, das systemisch ist. Strukturelle Korruption ist ein parteiübergreifendes Phänomen, sonst wäre sie ja nicht strukturell.
Ich weiß nicht mehr, wie der Falter damals über Faymann berichtet hat, und habe keine Lust, das zu recherchieren. Ich hoffe doch mit der gleichen Verve, der gleichen Entschiedenheit, mit der er jetzt gegen das »System Kurz« ins Feld zieht. (Exkurs: Herr Klenk ist Chefredakteur des Wiener Wochenmagazins »Falter«. Unter den wichtigsten Inserenten des Falter finden sich so gut wie keine private Unternehmen, fast alle relevanten Inserenten stammen aus dem Umfeld der Stadt Wien bzw. der SPÖ.)
Und natürlich hat auch Werner Faymann das System nicht erfunden, er hat es nur in damals neuer Perfektion betrieben – und hatte offenbar die Justiz auf seiner Seite, wie viele Politiker vor ihm. Erinnert sei an dieser Stelle an die Affäre Proksch. Für die Jüngeren hier: Udo Proksch war der frühere Eigentümer der Konditorei Demel, der rechtskräftig verurteilt wurde, sechs Menschen bei der Sprengung eines Frachtschiffs zum Zwecke des Versicherungsbetrugs ermordet zu haben. Ein Jahrzehnt lang wurde er von seinen Freunden vor der Verfolgung beschützt:
Da sind ein Major, der wegsieht, als Proksch den Sprengstoff aus Bundesheerbeständen abzweigt; ein Verteidigungsminister, der Rückendeckung gibt; ein Außenminister, der seine Diplomaten vom rumänischen Geheimdienst Securitate gefälschte Papiere besorgen lässt; ein Innenminister, der seinen Behörden Ermittlungen untersagt; ein Oberstaatsanwalt, der seine Staatsanwälte blockiert; willfährige Gerichtspräsidenten. Und die Staatspolizei ermittelt auf Hochtouren – allerdings nicht gegen Proksch, sondern gegen den Autor eines Buches, in dem die Affäre aufgedeckt wird. Mehr dazu im ersten Kommentar.
Strukturelle Korruption nennt man in Österreich verniedlichend »Freunderlwirtschaft«. Als Faustregel gilt: Empörend sind immer die Freunderl der anderen.   Thomas Eppinger

 

Martin Sellner fügt hinzu

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.