Stationen

Montag, 2. April 2018

Gottlose Beamten der Heilssehnsucht

Die Osterpredigten von Reinhard Kardinal Marx und Heinrich Bedford-Strohm gelten als wichtiges Medienereignis, meist enthalten sie eine sog. Kernbotschaft, die es in die Überschriften von fast allen Qualitätszeitungen schafft. Bei beiden Hirten, dem katholischen und dem evangelischen, handelt es sich um relative Personen der Zeitgeschichte, spätestens, nachdem sie im Oktober 2016 bei ihrem Besuch in der al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg ihr Pektoralkreuz abgenommen hatten.Das geschah seinerzeit auf Bitte von Scheich Omar Adwadallah Kiswani von der islamischen Stiftung Wakf, der die christlichen Symbole dort nicht dulden wollte.
Zurück in Deutschland, merkte das geistliche Duo, dass die Kreuzabnahme auf dem Tempelberg bei vielen ihrer Gläubigen daheim nicht besonders gut angekommen war. Bischof Bedford-Strohm entschied sich deshalb erstens dafür, Kritiker aus den eigenen Reihen zu schelten, in denen er „rechtsgerichtete Kreise“ ausmachte. Zweitens attackierte er die wenigen Medien, die über den Fall berichtet hatten. Die Juden, so der EKD-Vorsitzende, hätten schließlich das gleiche von ihm und Marx vor dem Besuch der Western Wall, also der Klagemauer verlangt:
„Man inszeniert einen Kulturkampf mit der Sache, um zu zeigen, der Islam sei intolerant. Warum wird nicht gleichzeitig darauf hingewiesen, dass wir bei beiden Religionen, die wir besucht haben, von den Betreuenden gebeten wurden, das Kreuz nicht zu tragen, um nicht zu provozieren?“ Hier.
Allerdings fand sich in ganz Israel niemand, der die Geschichte von den ebenfalls unter einer Kreuzallergie leidenden Juden bestätigen wollte, keine Polizei-, Regierungs- oder sonst eine Stelle. Der Autor dieser Zeilen fragte deshalb bei Bedford-Strohm und Marx nach, wer sie denn nun genau zum Kreuzablegen an der Western Wall aufgefordert hätte. Beide ließen damals ihre Sprecher murmeln, sie wollten die Sache nicht vertiefen und sich, ähem, nicht weiter einlassen, mit anderen Worten, sie räumten ein, dass sie ihr Kreuzverstecken auch noch harmonisch mit einer Lügengeschichte verbunden hatten, die wiederum auf einer Verleumdung Israels fußte. Selbstredend blieben beide trotzdem im Amt, wenn auch endgültig ohne Würden.
Zu jedem Osterfest treten sie, wie gesagt, als Synchronredner an, äußerlich Stan Laurel und Oliver Hardy nicht unähnlich, nur nicht so unterhaltsam. Die Zeitungen nehmen jedes Mal sehr umfangreich Notiz.
Kardinal Marx forderte 2018 die Christen auf, öfter Muslime zu sich nach Hause einzuladen. Das würde viele Spannungen lösen. Damit traf er nicht ganz das Konzept der weltweit geltenden Gastfreundschaft, denn niemand lädt einen anderen in sein Haus, weil der andere Muslim, Christ, Jude oder Agnostiker ist, und möchte mit ihm gesellschaftliche Spannungen abbauen. Sondern jemand ist mit einem anderen gut bekannt – die Einladung ins Haus kommt in aller Regel nicht als erster Schritt – und er komplimentiert ihn zu sich, weil es sich um eine interessante Person handelt, die erst in zweiter Linie einer oder keiner Religion angehört.
Als Zwischenstufe empfiehlt sich ein Treffen auf neutralem Boden. Vor einiger Zeit hatten sich Michael Klonovsky und der Autor mit dem Publizisten Eren Güvercin, dem Chefredakteur der Islamischen Zeitung Sulaiman Wilms und dem CDU-Politiker Mehmet Celebi zusammengefunden. Unser westöstlicher Diwan stand in Dresden, der Hauptstadt der Begegnung. Wir verbrachten bei Wein (wir) und Wasser (die drei anderen) einen sehr unterhaltsamen Abend. Sulaiman Wilms besitzt übrigens Witz („Wie lange dauert Ramadan? – Fast’n Monat“), aber das gilt nur halb als Beweis eines spezifisch muslimischen Humors, weil er Konvertit ist. In unserer Runde ging es zu wie in einer Talkshow ohne Maybrit Illner und lästige Gäste. Wir meinten nicht jeden Meinungsunterschied überbrücken zu müssen, waren aber aneinander interessiert und sehr bereit zum zivilen Umgang. Allemal redeten die anderen drei interessanter und geistvoller als der Kardinalfehler aus dem Münchner Palais Holnstein und der Schmunzelhase der EKD.
Möglicherweise ist es schon zu Marx gedrungen, dass diese beiden Voraussetzungen – Interesse und ziviler Umgang – nicht von allen muslimischen jungen Männern gleichermaßen erfüllt werden, insbesondere dann, wenn sie noch nicht so lange hier leben. In vielen Fällen, wie man an Messer- und Eisenstangendisputen zwischen Afghanen und Syrern respektive Sunniten und Schiiten auf dem Alexanderplatz und anderswo sieht, geht es noch nicht einmal untereinander gesittet zu. Noch hat kein Politiker und/oder Publizist festgestellt: „Kein Messer ist illegal“, das steht vermutlich noch bevor. Bis dahin empfiehlt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul angesichts der um mehrere hundert Prozent gestiegenen so genannten Schneidwerkvorfälle: „Man muss nicht jeden unbedingt an sich heranlassen.“ Das macht die Osterbotschaft von Marx/Reul so besonders, weil sie auf den Punkt bringt, was Psychologen Double Bind nennen: Lade den Muslim in seiner Eigenschaft als Muslimprototyp zu dir ein, aber pass bloß auf, wen du an dich ranlässt. Feiere ausgelassen Karneval, aber mit einer Armlänge Abstand. Die Polizei kann nur sporadisch helfen, außerdem hat sie anderes zu tun.
Durch den Double Bind wird auch die Schuldfrage geklärt. Steigen die Spannungen in der Gesellschaft, zum Beispiel an Großstadtschulen, wo jüdische und christliche Schüler etwas unter Druck und in die Bredouille geraten? Dann seid ihr schuld, die ihr schon länger hier lebt. Warum habt ihr die Eltern der muslimischen Mehrheitskinder nicht eingeladen, zumal diese Eltern ja nur auf ein Briefchen mit Datum und rsvp warten? Andererseits, gab es auf der Straße abends unschöne Erlebnisse? Ja, warum passt ihr nicht ein bisschen besser auf? Auf Sat1 gab es schließlich schon Filme mit sachdienlichen Hinweisen speziell für Frauen:
„Den Schlüssel in der Hand tragen, um den Schlag zu verstärken.
Handtasche oder Regenschirm: Schlagen Sie mit allem zu, was greifbar ist.
Treten und kratzen Sie, zielen Sie dabei auf das Gesicht und die Augen.
Schreien Sie laut bei Ihrer Selbstverteidigung, rufen Sie nach der Polizei.
Auch mit dem Kopf können Sie zuschlagen – hält man Sie fest, ist Kopfarbeit gefragt.“
Wessen Schädel dann eher bricht – das gehört zu den Dingen, die täglich neu ausprobiert werden müssen.
Aber jetzt zu etwas ganz anderem. Wenn Begegnung und Befriedung doch zusammenhängen sollten: wäre es da nicht ein guter Anfang, Marx, Bedford, Heribert Prantl, Herbert Reul, Katrin Göring-Eckardt und andere würden einen Unterzeichner der „Erklärung 2018“ zu sich nach Hause laden? Die Wahrscheinlichkeit, dass sich einer davon in der Nachbarschaft der Wohlmeinenden befindet, wächst jedenfalls stündlich. Zurzeit verdoppelt sich die Zahl der Unterschriften fast von Tag zu Tag.
Als Lockerungsübung könnte die Kirche schon einmal vorangehen und die Annahme von Spenden für die Diakonie – also eigentlich für die Bedürftigen – nicht vom Parteibuch des Spenders abhängig machen. Das alles würde der Befriedung wahrscheinlich mehr dienen als Kreuzverstecken und die Aufforderung an Normalbürger, im privaten interreligiösen Dialog gesellschaftliche Verwerfungen wieder gerade zu biegen, die Funktionselitenangehörige trotz ihrer Ausstattung mit Geld, Macht und journalistischen Leibwächtern seit Jahren nicht nur nicht mildern, sondern ständig verschärfen.
Über die Traditionshasenfrage reden wir ein andermal.   Wendt


Mit keinem Wort erwähnten diese beiden Kirchenvertreter die Christenunterdrückung in islamischen Ländern, die z.B. Mosebach gerade thematisiert hat.
Eine Reihe unzähliger Fehlentwicklungen muss sich ungehindert ereignet und in ihrer Wirkung summiert haben, um zu ermöglichen, dass zwei Halunken wie Marx und Bedford-Strohm Karriere machen konnten. Und die sind ja nur die Spitze des Eisbergs!  Die ganze Generation dieser beiden Schufte hat in die Führungspositionen lauter zwielichte Gestalten gehoben, deren gemeinsames Merkmal moralische Eitelkeit und Verantwortungslosigkeit ist.

Ich habe zeitbedingte Faktoren immer im Auge behalten. Aber dass ihre Wirkung im Vergleich zu zeitlosen Faktoren so stark werden könnte, hätte ich nicht gedacht.

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