Bei allen methodischen Vorbehalten sagen sie immerhin mehr aus als die bei uns üblichen Schummeleien, wo Neusprech aus Impfversagen „Impfdurchbruch“ macht.
In der alten Normalität könnten sie einem leidtun: jene Propagandisten der Corona-Massen-Impfungen, die den Sinn des Ganzen mit Zahlen untermauern sollen. Denn welchen messbaren Effekt soll das Impfen aller gegen eine Erkrankung, die „bei den allermeisten mild verläuft“ (Drosten) schon haben? Nach den Kriterien evidenzbasierter Medizin ist es seit Jahrzehnten nicht gelungen, den Nutzen von Grippeimpfungen – wenn schon nicht für die Bevölkerung, so doch – wenigstens für Risikogruppen zweifelsfrei nachzuweisen (vgl. eine Stellungnahme des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin vom 02.05.2019). Das mag auch an Schwierigkeiten liegen, den Impfstoff auf die saisonal stark variierenden Erreger vorausahnend abzustimmen.
Entscheidender ist aber ein grundsätzliches Dilemma beim künstlichen Immunisieren gegen Erkältungserreger: Die Idee setzt intakte Immunsysteme voraus, die allerdings auch ohne Impfung mit dem Erreger fertig würden, weshalb die Praxis weitgehend versagt bei geschwächten Immunsystemen, die vom Erreger überfordert werden könnten, und daher ein Aufpäppeln nötig hätten. Zweitens ließe sich eine etwaige – wenn auch mikroskopische – Impfwirkung schon rein logisch besser nachweisen, wenn der Erreger einigermaßen virulent ist, also mitten in der Saison, als wenn (im Sommer) ohnehin wenig vonstatten geht und man „Fälle“ mit der Lupe suchen muss.
Für die Corona-Vakzine bedeutet dies, dass die meisten Menschen den sogenannten vollständigen Impfschutz erst erreichten, als die Saison 2020/21 längst am Abklingen bzw. vorbei war. Einigermaßen aussagekräftig in Hinblick auf eine Effektivität der Impfung wären (vernünftig) erhobene Daten über Krankheitsverläufe bei (einfach, doppelt oder dreifach) Geimpften hier und Ungeimpften da also für den kommenden Zeitraum Dezember 2021 bis Februar 2022. Nichtsdestotrotz wird seit Monaten in der Öffentlichkeit über die Impfeffektivität sinniert.
Die Corona-Vakzine seien einerseits sehr wirksam, andererseits lasse ihre Wirkung mit der Zeit nach, weshalb sogenannte Auffrischungsimpfungen (Booster) im Halbjahrestakt erforderlich werden könnten. Zwar gäbe es einerseits durchaus sogenannte Impfdurchbrüche, diese seien jedoch andererseits entweder zahlenmäßig nicht relevant oder bezögen sich nur auf „Infektionen“, die dann mild verlaufen würden, soll heißen: Geimpfte können sich anstecken und das Virus weitergeben, dies komme aber seltener vor und führe seltener zu schweren Verläufen als bei Ungeimpften. Diese Beteuerungen sollen dann irgendwelche Studien oder Zahlen belegen, soweit überhaupt noch der Versuch unternommen wird, den politischen Impfdruck samt 3-G- oder 2-G-Regeln empirisch und logisch zu rechtfertigen.
Deutsche Schummeleien
In Deutschland wird hier gerne ein bisschen geschummelt. Das beginnt schon damit, dass – wie bereits vielfach kritisiert – von Politik und Medien nur noch „Impfdurchbruch“ genannt wird, was dem epidemiologischen Lexikon des RKI nach einst eher „Impfversagen“ hieß. Zu „Impfdurchbruch“ (S. 59) steht nur der Verweis „Impfversagen“, bei „Impfversagen“ (S. 66) dann: „(engl.: vaccine failure) Impfdurchbruch, Erkrankung trotz Schutzimpfung“. Im Neusprech versagt also nicht die Corona-Impfung, wenn ein Geimpfter erkrankt und Geimpfte ansteckt, nein, dem Virus ist es in dem Fall gelungen, die eigentlich sehr wirksame und stabile Schutzmauer der Impfung zu durchbrechen, was es besonders heimtückisch und gefährlich mache. Das geht damit weiter, dass Ungeimpfte häufiger getestet werden als Geimpfte und ein Ungeimpfter allein durch positiven PCR-Test (also auch ohne Symptome) zum „Fall“ wird, während ein „Impfdurchbruch“ erst dann als solcher zählt, wenn bei einem doppelt Geimpften mindestens 14 Tage nach der zweiten Dosis positiver PCR-Test und Symptome zusammenkommen.
Wenn dann am Ende trotz dieser Beschönigungen der Daten zugunsten der Impfung in absoluten Zahlen mehr Geimpfte als Ungeimpfte mit oder wegen Corona im Krankenhaus oder auf den Intensivstationen liegen, heißt es, das wäre ja zu erwarten gewesen, da inzwischen viel mehr Menschen geimpft als ungeimpft seien. Und der Einwand ist sogar insofern zutreffend, als man die im Corona-Zusammenhang infizierten, hospitalisierten und gestorbenen Geimpften wie Ungeimpften tatsächlich jeweils auf die Population der Geimpften wie der Ungeimpften beziehen müsste, um die Anteile zu vergleichen und damit wenigstens mal erste Indizien für die Wirksamkeit der Impfung zu erhalten. Nur: Genau diese Raten werden von deutschen Behörden gerade nicht ermittelt oder zurückgehalten, jedenfalls nicht publiziert. Dagegen sind die Veröffentlichungen der britischen Behörden ein wahrer Lichtblick; gemeint sind die wöchentlichen „COVID-19 vaccine surveillance reports“ der UK Health Security Agency (UKHSA).
Britische Offenbarungen
Grundsätzlich gelten für die britischen Daten aus der Perspektive evidenzbasierter Medizin dieselben Vorbehalte wie immer und allerorten bei der Covid-Wissenschaft. Das betrifft zum einen die Definitionen: Als „Infektion“ sollte nicht nur ein positiver PCR-Test gelten, zudem sollte es entsprechende Symptome geben und, da diese nicht spezifisch sind, einen differentialdiagnostischen Ausschluss anderer Erreger. In diesem Sinne sollten „hospitalisierte“ Covid-Patienten wegen schwerer Corona-Verläufe behandelt werden, also nicht bloß mit einem positiven PCR-Test wegen anderer Erkrankungen. In diesem Sinne macht allein 28 Tage oder 60 Tage nach einem positiven Corona-Test zu sterben, keinen „Corona-Tod“. So oder so sollten für Geimpfte wie Ungeimpfte wenigstens dieselben Definitionen von Infektion, Hospitalisierung und Tod im Coronazusammenhang gelten. Der zweite Vorbehalt betrifft die Unvollständigkeit der Daten. Es fehlen zum Beispiel Angaben zum Geschlecht, zum Vorhandensein etwaiger Vorerkrankungen und ihrer Anzahl, zu Medikamentierungen (wegen möglicher Unverträglichkeiten) und vieles andere, das unabdingbar wäre, um sich ein halbwegs genaues Bild vom Nutzen oder Versagen einer Impfung zu machen.
Immerhin aber publizieren die Briten für acht Altersgruppen (Unter 18, 18–29, 30–39, 40–49, 50–59, 60–69, 70–79, über 80), unterschieden nach Nichtgeimpften und Doppelt-Geimpften, die Raten der „Infektion“, der „Hospitalisierung“ und des „Todes“ (für 28 und 60 Tage nach positivem Test). Die beiden jüngsten Berichte aus KW 42 und 43 bilden den Zeitraum von der 38. bis zur 42. Kalenderwoche ab, also vom 20.09. bis 24.10.2021.
Impfeffektivität gegen Infektion
Im Bereich der „Infektion“ sind die Ergebnisse für die Impfbefürworter denkbar schlecht. Nur bei den unter 18-Jährigen, die vergleichsweise frisch und in bisher geringer Zahl geimpft sind, lässt sich noch ein deutlicher Vorteil der Geimpften gegenüber Ungeimpften feststellen. Bei den 18–29-Jährigen gleichen sich die Infektionsraten von Geimpften und Ungeimpften einander an. Für alle anderen Altersgruppen ab 30 sind die Infektionsraten der Geimpften höher als die der Ungeimpften, abgesehen von den über 80-Jährigen sogar doppelt so hoch. Von einem Selbstschutz oder gar Fremdschutz vor „Infektion“ (oder positivem Test) durch Massenimpfung kann auf dieser Indizienebene also nicht die Rede sein. Die Daten sprechen (auch in der Tendenz) eher fürs Gegenteil. Die Werte für die Relative Risiko-Reduktion (RRR) sind ebenso wie die für die entscheidendere Absolute Risiko-Reduktion (ARR) nicht nur schwach, sondern negativ.
Im Bereich von „Hospitalisierung“ und „Tod“ lässt sich mit den britischen Daten – im Unterschied zu den Zahlen deutscher Behörden – immerhin einmal nachvollziehen, dass und inwiefern in absoluten Zahlen zwar viel mehr Geimpfte als Ungeimpfte betroffen sind, den relevanteren Raten nach aber deutliche Vorteile für die Geimpften zu verzeichnen sind. Für die mit Abstand am häufigsten mit „Hospitalisierung“ und „Tod“ konfrontierten über 80-Jährigen stehen nämlich für Geimpfte Werte wie 56,8 (Hospitalisierung) und 44,9 (Tod, 28 Tagen nach Test) den nahezu doppelten Werten von Ungeimpften, nämlich 120,8 (Hospitalisierung) und 110 (Tod) gegenüber. Diese beeindruckende, allerdings bloß relative Risikoreduktion relativiert sich jedoch als absolute Risikoreduktion erheblich, wenn man die Bezugsgröße der Ratenangabe in Rechnung stellt, nämlich 100.000. Wenn damit im Corona-Zusammenhang also 120,8 von 100.000 Ungeimpften hospitalisiert wurden und 110 von 100.000 Ungeimpften gestorben sind, dann betrug das Risiko nichtgeimpfter über 80-Jähriger für eine Hospitalisierung 0,12 Prozent (für zweifach Geimpfte: 0,06 Prozent) und für den Tod 0,11 Prozent (für zweifach Geimpfte: 0,04 Prozent). Der Vorteil der Geimpften ist für die jüngeren Jahrgänge zwar noch größer, sie sind von Hospitalisierung oder Tod diesen Daten zufolge sogar drei- bis fünfmal seltener betroffen als Ungeimpfte, gleichzeitig sinkt aber die Relevanzebene, auf der sich diese Unterschiede abspielen, noch weiter ab. So betrug das Risiko für eine Hospitalisierung bei den 30 bis 39-Jährigen auch ohne Impfung (mit 15,4 zu 100.000) lediglich 0,02 Prozent (lag damit nebenbei also unter dem Risiko schwerer Impfkomplikationen).
Impfeffektivität im Mikroskopischen
Das eine ist nun, dass sich eine derart nachgewiesene Impfeffektivität allein im Mikroskopischen abzuspielen scheint, was den Impfenthusiasmus, geschweige denn den aufgebauten Impfdruck, schwerlich zu rechtfertigen vermag. Das andere ist, dass selbst diese Ergebnisse methodisch fragwürdig sind. Man kann nicht einerseits mit grobschlächtigen Mitteln hantieren (halbgaren Definitionen und unvollständigen Datensätzen) und dann andererseits beanspruchen, signifikante Ergebnisse ganz präzise im Nachkommabereich (gar hinter einer Null) festzustellen.
Zumal ein sehr eng gefasstes Verständnis von „Impfeffektivität“ nichts über den Gesamtnutzen oder -schaden der Impfung verrät. Unmittelbar wären in Datensätze zum sogenannten Schutz vor Hospitalisierung und Tod selbstverständlich die aufgrund von Impfnebenwirkungen im Krankenhaus behandelten und infolge der Impfung gestorbenen Fälle aufzunehmen. Die tauchen auch in der Rechnung der Briten gar nicht auf, nicht einmal als geschätzte Werte, über die man streiten könnte. (Zur Toxizität der Corona-Vakzine siehe z.B. die zahlreichen Artikel von Jochen Ziegler auf Achgut.com.) Mittelbar wäre auch zu untersuchen, wie es sich mit den all-cause Hospitalisierungs- und Sterberaten unter Geimpften und Nicht-Geimpften verhält – die entscheidende Public-Health-Frage, die dort, wo ihr nachgegangen wird (z.B. hier), ebenfalls nichts Gutes verheißt.
Aber all das gilt natürlich nur für die alte Normalität. Sie scheint manchem Befürworter der Massenimpfung noch ein wenig im Nacken zu sitzen: Ähnlich wie der Oberbürgermeister von Weimar, Peter Kleine, der Angaben zu „Personen, die mit Impfung im Klinikum behandelt werden“, zurückhalten wollte (dies inzwischen aber korrigiert hat, siehe unten), weil das die Realität „verzerrt“ und „damit Corona-Leugnern und Impfgegnern in die Hände“ spiele (hier), heißt es auch in der Times, die britische Regierung würde mit den grafischen Darstellungen in den Impf-Reports der UKHSA das Material für Verschwörungstheorien liefern. Dabei ist doch vielen Impflingen völlig Bratwurst, ob die Impfung medizinischen Nutzen hat. Sie lassen sich freiwillig pieksen, weil die Regierung es verlangt oder weil’s dann Freiheiten zurückgibt. Die Frage ist nur, wie oft noch…
Nachtrag 1:
Am 4. November, nach Einreichung dieses Artikels, ist der aktuelle UKHSA-Report erschienen, der die hier beschriebenen Tendenzen bestätigt.
Nachtrag 2:
Inzwischen veröffentlicht Weimar zwar wieder die Daten zum Impfstatus von behandlunsgbedürftig Erkrankten, die sind aber aus vielen Gründen nicht sehr aussagekräftig. Und: Nach wie vor enthalten sie im Unterschied zu den britischen Reports keine Angaben zu den Raten, beziehen die erkrankten Nichtgeimften und erkrankten Zweifachgeimpften also nicht auf die Gesamtpopulation der Nichtgeimpften bzw. Zweifachgeimpften.
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