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Freitag, 26. November 2021

Jurist, Gewerkschafter, Burschenschaftler

Friedhelm Farthmann ist ein Genosse, wie man ihn sich malen würde. Der heute 91-Jährige war einst einer der mächtigsten Männer der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen und damit automatisch auch in Deutschland. Denn Nordrhein-Westfalen, besonders das Ruhrgebiet war einst – Achtung, liebe Jugendliche! – die Herzkammer der SPD in Deutschland. Hier, im kleinbürgerlichen Arbeitermilieu, konnte man zur Wahl auch einen roten Schuh aufstellen – die Menschen hätten ihn gewählt.

Jurist, Gewerkschafter, Burschenschaftler (!) aus Ostwestfalen. Ohne ihn jemals persönlich getroffen zu haben, bin ich sicher, dass er auch heute noch einen Blick auf den Fußballclub der Ostwestfalen hat, der nach dem unbeugsamen Feldherrn Arminius benannt wurde, der es sogar den als unbesiegbar geltenden Römern einst ordentlich gezeigt hat. Ja, Fahrtmann, das war kein Politiker, den man verbiegt, der gehörte zu den kantigen alten Sozis, nach denen sich sogar Konservative wie ich heute sehnen, wenn sie Frau Esken und Kevin Kühnert abends im Fernsehen ertragen müssen.
Farthmann hat viel Gutes bewirkt für seine Partei und die Menschen an Rhein und Ruhr, das steht außer Zweifel. Doch zu bundesweiter Berühmtheit schaffte er es mit einem einzigen Satz im Jahr 1990, der ihn bis ans Lebensende verfolgen wird. Verärgert über die Listenaufstellung seiner SPD in der vor sich hin quotierenden Partei sagte er damals:

»Das einzige Kriterium, weshalb Frauen bei der NRW-SPD so weit oben landen, ist das, daß sie zwischen den Beinen anders aussehen als ich.«

Und während die Genossinen im Saal noch nach Luft schnappten, setzte der prominente Gegner von Frauenquoten nach und bezeichnete seine Parteifreundinnen als „Piepmäuse in der SPD“. Aus Presseberichten in den Tagen danach erfuhren wir, dass das noch eine Verharmlosung war zu dem in der damaligen SPD von den Karrierejungs üblicherweise verwendeten Begriff „Pipimädchen“.
Auch damals erhob sich ein Sturm der Entrüstung über diese Ungeheuerlichkeiten. Als einen »Genitalen Hasardeur«, beschimpfte ihn SPD-Präsidiumsfrau Heidemarie Wieczorek-Zeul, »nicht lernfähig«, zeterte Inge Wettig-Danielmeyer von den herabgewürdigten SPD-Frauen. Man empfahl dem Parteifreund allerlei Unschönes angefangen vom »Vierteilen« bis zum »Aufhängen«. Und seine Kritiker förderten andere Aussagen Farthmanns zu Tage, etwa seine Empfehlung, wenn man Frauenhäuser einrichte, müsse es auch Häuser für geschlagene Männer geben.
Warum erzähle ich Ihnen heute über den wackeren Herrn Farthmann? Ganz einfach, weil die Quotenhysterie heute, 30 Jahre danach, ungebrochen groß ist. Unser zukünftiger Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, er wolle ein Kabinett aus gleich vielen Männern und Frauen bilden. Und man fragt sich unwillkürlich: Warum denn?
Sollte in der Politik nicht ebenso wie in den Unternehmen die Besetzung von Spitzenämtern ausschließlich dem Kriterium folgen, wer sind die besten Leute für einen Job? Es ist mir völlig wurscht, ob im Kanzleramt ein Mann oder eine Frau residiert – trotz der jetzt endlich ausscheidenden Frau Merkel. Und wenn mein Vorgesetzter eine Frau ist – so what? Von mir aus kann die ganze Bundesregierung aus Frauen oder aus Männern bestehen, und der ganze Bundestag gleich dazu, wenn sie einen guten Job machen. Wenn sie die Besten sind.

Können die Leute mehr als unsereins, sind sie die richtigen Menschen für den Job? Allein das muss zählen, und nicht, ja, wie sie zwischen den Beinen aussehen.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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