Die Inzidenzwerte steigen und das exponentiell. Die vierte Welle der Corona-Pandemie hat uns fest im Griff, und mancher spricht schon von der fünften und sechsten, die bevorstehe. Die Zahl der Erkrankten steigt, die Intensivstationen der Krankenhäuser füllen sich, und in einigen Bundesländern denkt man schon über die Verlegung von Patienten in andere Bundesländer nach, weil die eigenen Kapazitäten absehbar nicht ausreichen werden. Jens Spahn (CDU), der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister, erklärte Anfang dieser Woche: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein.“
Was die Genesung betrifft, haben wir kaum Einflußmöglichkeiten. Was das Sterben infolge oder unter Einfluß von Covid-19 betrifft, gibt es immerhin Optionen. Was die Impfung angeht, ganz gewiß. Denn auch wenn die Impfung keinen absoluten Schutz bietet, es „Impfdurchbrüche“ gibt und der Geimpfte selbst ansteckend bleiben kann, bietet sie doch relative Sicherheit und mildert die Krankheitsverläufe.
Schon deshalb liegt die Einführung einer Impfpflicht nahe. Warum wurde die offene Erwägung dieser Möglichkeit trotzdem so lange vermieden? Die Gründe liegen auf der Hand: Die Politische Klasse neigt zur Entscheidungsflucht, man hoffte, daß die Pandemie nach der „Sommerpause“ allmählich auslaufen werde, man wollte den Kritikern einer „Gesundheitsdiktatur“ keine Argumente bieten und den heiklen Eingriff in Grundrechte vermeiden.
Freiheit beruht auf Ordnung
Jetzt hat nur noch der letzte Punkt Gewicht. Tatsächlich ist damit zu rechnen, daß Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Impfzwangs zu juristischen Auseinandersetzungen mit erheblicher Tragweite führen. Vor allem aber wird in Teilen der Bevölkerung – nicht nur unter Querdenkern, Querulanten und denen, die glauben, das Opfer einer großen Verschwörung zu sein – der Eindruck entstehen, hier gehe der Staat über das Maß des Erlaubten hinaus.
Entscheidend wird deshalb sein, dieser Gruppe etwas deutlich zu machen, was über sehr lange Zeit systematisch verschleiert wurde: daß nämlich die Freiheit, die wir genießen, weder Himmelsgabe noch Selbstverständlichkeit ist. Sie beruht auf Bedingungen, vor allem dem Vorhandensein staatlicher Ordnung.
Das Wesen solcher Ordnung ist, daß sie die Freiheit des Individuums reguliert und einschränkt. Auch wenn das unter normalen Umständen kaum spürbar ist, fügt sie den Menschen ein und zwingt ihn notfalls zum Fügen. Man mag die Regeln in Frage stellen und kann trefflich darüber streiten, wie das Einfügen konkret vonstatten zu gehen hat und darüber, ob ein Notfall besteht oder nicht. Aber an dem Zusammenhang selbst dürfte kein Zweifel bestehen. Auch daran nicht, daß er für einen modernen Staat mit einer Massenbevölkerung eine besondere wichtige Bedeutung hat.
Der Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff (1902–1974) sprach davon, daß der heutige Staat nicht nur wie jeder Staat zuvor seine eigene Dauer sichere, sondern auch „Daseinsvorsorge“ zu leisten habe. Zu den wesentlichen Bereichen solcher „Daseinsvorsorge“ gehört die Volksgesundheit. Ist sie gefährdet, muß der Staat eingreifen. Ist die Impfpflicht das Mittel der Wahl, um sie zu schützen, dann hat der Staat sie durchzusetzen und darf über die Vorbehalte, die Uneinsichtigkeit oder den Unwillen einzelner hinweggehen, um das Gemeinwohl zu schützen. Also: Ärmel hoch!
Der Beitrag ist Teil eines Pro und Contras zum Thema Impfpflicht. Das Contra von Thorsten Hinz lesen Sie hier.
Und hier:
Vollständig gegen Corona geimpft sind die Bewohner Gibraltars, des britisch regierten Landzipfels an der Südküste Spaniens. Trotzdem steigen dort die Infektionszahlen, öffentliche Veranstaltungen wurden abgesagt. Irland, das sich gleichfalls einer vorbildlichen Impfquote rühmt, wurde gerade als Hochrisikogebiet eingestuft. In Deutschland, wo 68 Prozent – wie es offiziell heißt – „vollständig geimpft“ sind, liegen die Infektionszahlen aktuell höher als zu Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020.
Fazit: Die Impfung hat nicht gehalten, was die Regierenden sich und den Regierten von ihr versprachen. Weder schützt sie vollständig vor Ansteckung, noch verhindert sie gänzlich die Weitergabe des Virus. Auch doppelt Geimpfte liegen auf der Intensivstation. Und Saarlands Innenminister Bouillon (CDU) hat sich trotz einer dritten Impfung infiziert.
Die Impfung verringere zumindest die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs, heißt es nun, und beuge so auch der Überlastung der Krankenhäuser vor. Dieses Argument wiegt schwer. Dagegen stehen freilich die Nebenwirkungen der im Eilverfahren zugelassenen Impfstoffe, die in der Berichterstattung unterschlagen oder bagatellisiert werden. Sogar bei Fußballern, die der Inbegriff körperlicher Robustheit sind, ist es nach Impfungen vermehrt zu Herzerkrankungen gekommen.
Gänzlich unterbelichtet bleibt die Gefahr von Langzeitfolgen. Die spezielle Art der Impfung bedeutet einen Eingriff, der nach Meinung versierter Immunologen zu Tumor- und Autoimmunerkrankungen führen kann. Das überlastete – und unterbezahlte – medizinische Personal ist indes Folge einer kostenintensiven, aber fehlgeleiteten Gesundheitspolitik.
Das Impfen wird damit weitgehend zum Selbstzweck, der die Legitimität des politisch-medialen Komplexes sichert. Was die Zweitimpfung nicht geleistet hat, soll jetzt die dritte, ganz gewiß aber die vierte, fünfte, sechste Impfung besorgen. Die Bürger werden seit Monaten in einem Dauerzustand zwischen Angst, Hoffnung und Enttäuschung gehalten. Zur Entlastung wird ihnen die „Tyrannei der Ungeimpften“ als Sündenbock angeboten. Die Propaganda bewegt sich teilweise auf dem Niveau impliziter Gewaltaufrufe, die durch öffentlich-rechtliche und staatliche Autorität gedeckt werden.
Eine Impfpflicht wäre der Befehl an jeden, sich total, auf Gnade oder Ungnade, in die Hände einer zweifelhaften Obrigkeit zu begeben und sich seine Unterwerfung in den Körper einschreiben zu lassen. Die sich abzeichnenden Umrisse eines Totalitarismus im Gewand der Biopolitik würden weiter geschärft. Bereits jetzt ist das öffentliche und private Leben in ein biopolitisches Abstraktum, in ein System aus magischen Formeln – 2G, 2G-plus, 3G –, gepreßt, in dem der einzelne sich als ohnmächtiges Atom wiederfindet.
Wenn Politiker, welche die Gesetze beschließen und exekutieren, zusätzlich die Funktion des Arztes übernehmen, der die medizinische Diagnose erstellt und die Therapie anordnet, dann kann potentiell jeder Bürger auf das nackte, gegen den Zugriff der Macht absolut schutzlose Leben reduziert werden. Die Tatsache, daß die nationalen Machthaber als Transmissionsriemen einer globalen Mechanik agieren, macht die Sache noch furchterregender.
Der
Verfasser dieses „Nein zur Impfpflicht“-Plädoyers ist ein doppelt
Geimpfter. Als allergischer Asthmatiker wäre er durch eine
Corona-Infektion besonders gefährdet, weshalb er sich auf dringenden
ärztlichen Rat und nach gründlicher Risikoabwägung für die Impfung
entschieden hat. Das war seine individuelle, seine freie Entscheidung.
Bei der muß es bleiben. Und zwar für alle. Hinz
Martin Lichtmesz kommentiert die Gegenrede von Thorsten Hinz:
Dies ist die Schlüsselstelle:
Eine Impfpflicht wäre der Befehl an jeden, sich total, auf Gnade oder Ungnade, in die Hände einer zweifelhaften Obrigkeit zu begeben und sich seine Unterwerfung in den Körper einschreiben zu lassen. Die sich abzeichnenden Umrisse eines Totalitarismus im Gewand der Biopolitik würden weiter geschärft. Bereits jetzt ist das öffentliche und private Leben in ein biopolitisches Abstraktum, in ein System aus magischen Formeln – 2G, 2G-plus, 3G –, gepreßt, in dem der einzelne sich als ohnmächtiges Atom wiederfindet.
Wenn Politiker, welche die Gesetze beschließen und exekutieren, zusätzlich die Funktion des Arztes übernehmen, der die medizinische Diagnose erstellt und die Therapie anordnet, dann kann potentiell jeder Bürger auf das nackte, gegen den Zugriff der Macht absolut schutzlose Leben reduziert werden. Die Tatsache, daß die nationalen Machthaber als Transmissionsriemen einer globalen Mechanik agieren, macht die Sache noch furchterregender.
Weißmanns Beitrag hingegen ist eine Apologie der “staatlichen Ordnung”, ohne die es nach klassisch konservativer Auffassung keine Freiheit geben kann, was auch “Querdenker”, “Querulanten” und all jene, “die glauben, das Opfer einer großen Verschwörung zu sein” endlich kapieren müssen. Er kritisiert den Staat wegen seiner Laschheit und “Entscheidungsflucht” vor der Impfpflicht, deren Durchsetzung seiner Meinung nach überfällig ist.
Damit liegt Weißmann auf einer zielgeraden Linie mit den Leitartiklern des Mainstreams, die schon seit geraumer Zeit ihre autoritäre Ader entdeckt haben, ganz besonders glühend im linksliberalen Sektor, wo man alle Hemmungen lustvoll hinter sich gelassen hat. An seinem Staat hat der deutsche Durchschnittsjournalist nur mehr auszusetzen, daß er nicht hart genug gegen “Corona” und “Coronaleugner” vorgeht (früher waren es “Rechtsextremisten”, “Rechtspopulisten” usw), umso giftiger ist er jedoch gegenüber Bürgern, die dem Staat nicht ausreichend gehorchen. Er buckelt nach oben und tritt nach unten, und hat nun dank Weißmann Schützenhilfe “von rechts” bekommen.
Auch die Juristen tun, was sie gegenüber der Macht schon immer getan haben und schaffen fleißig Legitimationen heran. Der Verfassungsrechtler Christoph Möllers erklärte die “Impfpflicht” in einem Interview mit der Zeit für grundgesetzkonform, und warf den Politikern, ähnlich wie Weißmann, Entscheidungsschwäche und Konfliktscheue vor:
ZEIT: Das ist jetzt weniger eine juristische, eher eine politische Frage: Gegen die Impfpflicht wird immer wieder eingewandt, sie führe zu einer Spaltung der Gesellschaft oder vertiefe die Spaltung der Gesellschaft. Sehen Sie solche Gefahren?
Möllers: Ich finde, so ein Argument ist immer eine Prämie für Radikalisierung. Das Argument belohnt es ja, wenn Leute sich besonders aggressiv gegen etwas zur Wehr setzen, was mehrheitlich als richtig anerkannt wird, und dann mit Spaltung drohen. Wenn man sich darauf einlässt, schaff man einen eigentümlichen Anreiz: Wer am lautesten schreit, gewinnt am meisten Einfluss. (…) Ich halte das Spaltungsargument für eine Fiktion, mit der Politiker Konflikte vermeiden wollen.
In derselben Zeitung schreiben Kolumnisten Artikel mit Titeln wie “Die Gesellschaft muß sich spalten!”, Zitat:
Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern ein scharfer Keil. Einer, der die Gesellschaft spaltet. Wenn davon die Rede ist, entsteht schnell ein Zerrbild im Kopf, als würde das Land in zwei gleich große Teile zerfallen. Doch so ist es nicht. Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom gefährdeten Teil der Gesellschaft.
Möllers’ Gaslichterei soll offenbar den Spaltern ein gutes Gewissen verschaffen. Wir kennen das Muster aus anderen Zusammenhängen, etwa aus der “Flüchtlingskrise”: Die Regierung setzt eine radikale, extremistische Politik durch und versucht diese mit Hilfe der Medien zu “normalisieren”. Wer dagegen protestiert, wird als “Radikaler” und “Extremist” gebrandmarkt und ausgegrenzt. Die Radikalisierung der Regierung hingegen wird geleugnet und schöngeredet. Folgt man Möllers Argument, so wäre überhaupt keine oppositionelle Einflußnahme und kein Gegendruck mehr erlaubt (am “lautesten schreien” nebenbei immer noch die Massenmedien). Übrig bleibt die laufende Eingewöhnung an einen offen autoritären Regierungssstil, wie er sich seit März 2020 in der westlichen Welt schleichend durchsetzt.
Der Blogger Eugyppius beschreibt die Art der Herrschaft, die sich schon lange vor “Corona” im Westen etabliert hat und die sich im Zeichen der Pandemiebekämpfung zum totalitären System zuspitzt, so:
Die Demokratien der Ersten Welt sind alles andere als Systeme, die den Willen des Volkes kanalisieren. Vielmehr sind sie durch den Aufstieg der Massenmedien und der Massengesellschaft zu ausgeklügelten Konsensfarmen geworden. Die westlichen Regierungssysteme sind historische Unikate, die sich der Massenmedien bedienen, um das Phänomen der öffentlichen Meinung zu erzeugen, die durch eine Kombination aus Propaganda und politischer Partizipation zu einem Regierungs- und Konsensinstrument eigener Art geformt wird [dessen Autoritarismus sich von Systemen wie Faschismus, Kommunismus oder Sozialismus unterscheidet. – ML]
Auf diese Weise wird die Mehrheit zunächst an die Agenda des Staates gewöhnt und dann zur Durchsetzung von Regierungsanweisungen und zur Unterdrückung von Andersdenkenden, Nonkonformen und zunehmend auch von Desinteressierten mobilisiert. Die Corona-Eindämmung ist ein offensichtliches Produkt dieses Systems, das sich auf eine weit verbreitete Konsenspolitik stützt, die weniger von der Polizei als von enthusiastischen, von Journalisten beauftragten Mehrheiten durchgesetzt wird.
Wie stellt sich nun Weißmann die Umsetzung der Impfpflicht konkret vor? Welche Mittel erscheinen ihm angemessen, um über die “Uneinsichtigkeit oder den Unwillen einzelner hinwegzugehen”? Ist ihm bewußt, daß von solchen Zwangsmaßnahmen der überwiegende Großteil der rechten und konservativen Milieus betroffen wäre?
In meinem Heimatland Österreich werden die “Ungeimpften” von der Regierung immer mehr an die Wand gepreßt, während sie von einer hetzerischen, mit Staatsgeldern gefütterten Presse zu Sündenböcken erklärt werden, die an der Fortdauer der “Pandemie” schuld seien. Ein “Gesetzesentwurf” zur Impfpflicht sieht folgendes vor:
Erst dann wird gestraft, dafür aber ordentlich: Vorgesehen sind bis zu 3.600 Euro Geldstrafe oder vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit. Der Hammer: Die Strafe kann sich auf bis zu 7.200 Euro verdoppeln, wenn jemand bereits zwei Mal wegen des Verstoßes gegen die Impfpflicht bestraft wurde oder wenn „aus der Verwaltungsübertretung eine schwerwiegende Gefahr für Leben oder Gesundheit einer Person entstanden ist.“
Dies soll bereits für Jugendliche ab 14 Jahren gelten, über die Dauer von drei (!) Jahren (!) hinweg. Die finanzielle Erpressung bedroht vor allem die kleinen Leute und die sozial schwächeren Schichten, die durch die Geldstrafen existentiell vernichtet werden können. Genötigt werden auch frisch Genesene mit hohen Antikörper-Werten und Doppelt-Geimpfte, die keinen “Booster” mehr wollen.
Martin Sellner kommentierte auf Telegram:
Der Impfzwang ist ein staatlich verordneter Venflon, also ein gesetzlicher Venenkatheter, durch den die biopolitischen Technokraten 3 Jahre lang in beliebiger Häufigkeit beliebige Substanzen in unseren Organismus jagen dürfen.
Wer durch ökonomischen, juristischen und sozialen Zwang gebeugt wird, sich den Impfstoff in regelmäßigen Abständen gegen seinen Willen in den Körper injizieren zu lassen, wird dies nicht anders als Erniedrigung, Vergewaltigung, Tyrannei zu erleben, was es zweifellos auch ist.
Niemand wird dadurch zur höheren Einsicht gelangen, daß die staatliche Ordnung zum Zwecke des “Gemeinwohls” die “Freiheit des Individuums regulieren und einschränken” soll (Weißmann), insbesondere in diesem spezifischen Bereich, der zu gefügiger Einsicht keinerlei Anlaß und Grund bietet. Stattdessen wird sich in einem großen Teil der Bevölkerung ein explosiver Zorn aufstauen, der noch den letzten vorhandenen Rest unseres Gemeinwesens zerrütten wird.
Schlimmer noch: Ein beträchtlicher Teil der Gepreßten, tausende, zehntausende, vielleicht noch mehr, wird als Folge der Impfung erhebliche gesundheitliche Schäden erleiden, viele werden daran sterben. Wen wird man dafür zur Verantwortung ziehen? Die Hersteller haben sich dagegen legal abgesichert.
Der sich täglich verschärfende Tonfall der Presse und der Politiker läßt keinen Zweifel zu, daß das Establishment den “Ungeimpften” den Bürgerkrieg erklärt hat. “Freund” und “Feind” werden nun schärfer unterschieden als in den schönsten Blütezeiten des “Kampfes gegen Rechts”. Das einschlägige Gekreische ist so laut, daß Weißmann es unmöglich überhören kann, wenn er nicht gerade seinen Kopf in einen Symbolkundewälzer oder ähnliches versenkt hat.
Mit seinem Aufruf stellt er sich auf die Seite von Merkel, Söder, Spahn, Scholz, Laschet, Ramelow, Kretschmann, Kretschmer, Bouffier, Animata Touré, Lauterbach, Montgomery (der von einer “Tyrannei der Ungeimpften” sprach), Wieler, Drosten, an die Seite von Sascha Lobo, Böhmermann, Marina Weisband, Olaf Gersemann und Nikolaus Blome, und, von einer erweiterten Perspektive aus gesehen, an die Seite von Bill Gates, Klaus Schwab und Albert Bourla, um nur ein paar wenige Namen zu nennen. Weißmanns Fähigkeit zur Freund-Feind-Erkenntnis hat hier aufs Gröbste versagt. Er heult im Chor mit unseren schlimmsten Feinden, und dient sich ihnen mit “konservativen” Argumenten an.
Dies ist die Schlüsselstelle von Weißmanns Artikel:
Der Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff (1902–1974) sprach davon, daß der heutige Staat nicht nur wie jeder Staat zuvor seine eigene Dauer sichere, sondern auch „Daseinsvorsorge“ zu leisten habe. Zu den wesentlichen Bereichen solcher „Daseinsvorsorge“ gehört die Volksgesundheit. Ist sie gefährdet, muß der Staat eingreifen. Ist die Impfpflicht das Mittel der Wahl, um sie zu schützen, dann hat der Staat sie durchzusetzen und darf über die Vorbehalte, die Uneinsichtigkeit oder den Unwillen einzelner hinweggehen, um das Gemeinwohl zu schützen. Also: Ärmel hoch!
Das ist eine abstrakte, rein theoretische Ableitung, die der Lage nicht angemessen ist, und somit eine erschütternde Bankrotterklärung für einen ehemaligen “Vordenker”, der sich stets als nüchterner, den Tatsachen verpflichteter Realist oder “Verist” präsentiert hat. Sein Text liest sich, als hätte Robert Neumann eine stilechte Weißmann-Parodie geschrieben. Der bemüht stramme, professorale Duktus mit passenden Zitaten (Geburtsjahr-Sterbejahr) wirkt wie ein gespenstisches Relikt aus einer Welt, die längst nicht mehr vorhanden ist, und dies nicht erst seit 2020.
In einem Artikel für die Druckausgabe der Sezession (“notfalllibertär”, August 2021) bin ich auf die Frage eingegangen, wie sich eine konservative Weltsicht mit einer Kritik an den Corona-Maßnahmen vereinigen läßt. Die Antwort ist simpel: Liegt tatsächlich der Ernstfall im eminenten Sinne vor, etwa eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“, dann müssen einleuchtenderweise entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, auch in einem liberalen Staat. Liegt dieser Ernstfall nicht vor – dann eben nicht. Nun muß freilich irgendjemand entscheiden (ewig kann man es nicht ausdiskutieren), ob der Ernstfall vorliegt, und wer dies kann, erweist sich als souverän. Und das war in Deutschland unglücklicherweise dieselbe Kanzlerin, die 2015 die Grenzen öffnen ließ.
In meinem Artikel schrieb ich:
Es trifft zu, daß manche Rechte im Frühstadium der Coronavirus-Krise auf eher antiliberale und antiglobalistische Konsequenzen gehofft haben. Das Szenario schien uns von der Flüchtlingskrise her vertraut: Von außen rollt eine Gefahr auf unser Land zu, und der schwache, ernstfallblinde Staat ist nicht imstande, es davor zu schützen, etwa durch Einreisestopps oder Grenzschließungen.
Heute erkennen wir deutlich, daß wir es mit einem medial induzierten Kollektivwahn zu tun haben, der eine beispiellose globalistische Machterweiterung ermöglicht hat. In diesem Manöver spielen die Nationalstaaten die Statthalter einer Weltregierung in spe, indem sie die ihnen aufgetragenen repressiven Maßnahmen vor Ort durchsetzen und rechtfertigen. Sämtliche Institutionen wurden nach totalitärer Manier in den Dienst des Regimes gestellt: das Gesundheitssystem, die Schulen, die Kirchen, die Polizei. Langfristiges Ziel scheint eine Art Menschheitsformatierung durch gentherapeutische Massenimpfungen zu sein.
Die Antwort auf den Spott von Linken und Liberalen, warum wir Rechten als Fans der souveränen staatlichen Durchsetzungskraft und als Kritiker des Individualismus uns nun beklagen, ist also recht einfach: Die Behauptung, daß es eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ gäbe, trifft schlichtweg nicht zu. Damit entbehren die staatlichen Maßnahmen, inklusive der Einschränkung der Grundrechte auf unbestimmte Zeit, jeglicher Legitimität und Verhältnismäßigkeit. Man ist keinem Staat Gehorsam schuldig, der sein Volk vorsätzlich in Panik versetzt, belügt und in die Irre führt.
Noch vor einem Jahr beantwortete Weißmann in der JF die Frage “Was ist rechts?” mit dem Schlagwort “Begreifen, was ist, und gegensteuern!” In diesem Aufsatz finden sich auch ein paar Sätze über den “Staat der Neuzeit”:
Seine Auflösung im Namen von Globalisierung und Grenzenlosigkeit war aus der Sicht der Veristen genauso ein Irrtum wie die Bereitschaft, ihn den Verbänden und allen möglichen Ambitionen der Gesellschaft auszuliefern. Der Verist ist unbedingt für den starken Staat, „den Staat oberhalb … der Interessenten“ (Alexander von Rüstow), den Staat, der seine Handlungsfreiheit bewahrt und – in weiser Selbstbeschränkung – den Bürger vor seiner – fiskalischen, pädagogischen, religiösen – Zudringlichkeit.
Daß sich die politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte immer weiter von diesem Ideal entfernt hat, weckt das Mißtrauen und die Sorge der Veristen. Denn die „liberale Demokratie“ ist offenbar je länger je weniger in der Lage, ihre Gefährdung zu erkennen und abzuwehren. Ihren Bestand garantiert heute nur noch eine unheilvolle Mischung aus Utopismus, Konsum und social engineering. Die vorpolitischen Grundlagen, auf denen sie errichtet wurde, hat sie rücksichtslos vernutzt. Daß dem niemand Einhalt gebietet, hat mit der Macht der „Nonsensdenker“ (Roger Scruton) zu tun, aber auch mit dem „Massenwahn“ (Douglas Murray), der die vielen gierig hören läßt, daß es gut geht und noch besser gehen wird.
Der Verist weiß, wie schwer es ist, diese Lage zu verändern und die existentielle Bedrohung des Gemeinwesens abzuwenden. Denn die Institutionen, denen seine Neigung gehört, stehen unter feindlicher Kontrolle, und ihm fehlt das Zutrauen der Aufklärer in den zwanglosen Zwang des besseren Arguments.
Was ist aus all diesen Einsichten geworden, insbesondere, daß die Institutionen, mithin der Staat selbst “unter feindlicher Kontrolle stehen”? Was aus dem “unbedingten” Eintreten für die Bewahrung des Bürgers vor unbotmäßiger staatlicher Zudringlichkeit?
Stattdessen übernimmt Weißmann in seinem Impfpflicht-Pläydoyer allen Ernstes, ohne einen Milimeter Distanz, das jämmerliche Propagandanarrativ der Regierung, und zitiert etwa Jens Spahn: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen oder gestorben sein.“
Der Staat der Bundesrepublik Deutschland, und das dürfte Weißmann bekannt sein, ist ganz offensichtlich weder am “Volk” (ein mittlerweile verfassungsfeindlicher Begriff, insofern damit eine gemeinsame Abstammung impliziert wird) noch an seiner “Gesundheit” in irgendeiner Weise interessiert. Das Programm der “Ampelkoalition” sollte keinen Zweifel daran lassen, daß dieser Staat vielmehr im Zeichen der Auflösung des Volkes steht (soviel zur “Daseinsvorsorge”) und seines totalen Ausverkaufs an globalistische Interessen und Doktrinen (wozu auch die Einführung vom Impfpässen und digitalen Identitäten zählt).
Diesem Staat, dieser Regierung, mit ihrem Gruselkabinett an verkommenen, korrupten, verlogenen, infantilen, inkompetenten, ridikülen, machthungrigen Gestalten traut Weißmann zu, ausgerechnet im Bereich “Corona” das Richtige zu kennen, zu wollen und zu tun? Diesem traurigen und unwürdigen Personal, das sein dezidierter politischer Feind ist, will er eine beispiellose Verfügungsgewalt über die Körper von Millionen Menschen in die Hand geben?
Der „retour au réel“ (Gustave Thibon, 1903–2001) des “Gegenaufklärers” Weißmann ist auf peinliche Weise gescheitert. Seine Begründung für die Notwendigkeit einer generellen Impfpflicht ist beschämend dünn:
Was die Genesung betrifft, haben wir kaum Einflußmöglichkeiten. Was das Sterben infolge oder unter Einfluß von Covid-19 betrifft, gibt es immerhin Optionen. Was die Impfung angeht, ganz gewiß. Denn auch wenn die Impfung keinen absoluten Schutz bietet, es „Impfdurchbrüche“ gibt und der Geimpfte selbst ansteckend bleiben kann, bietet sie doch relative Sicherheit und mildert die Krankheitsverläufe. Schon deshalb liegt die Einführung einer Impfpflicht nahe.
Wo soll man hier anfangen? Eine bloße “Milderung von Krankheitsverläufen”, bei einer Krankheit, deren Risiko stark stratifiziert ist, und die für die meisten Menschen nicht besonders gefährlich ist, kann kein ernsthaftes Argument für einen derart massiven Eingriff wie eine generelle Impfpflicht sein. Die Impfung dient allenfalls zum Selbstschutz, eine kollektive Durchimpfung kann allenfalls bei den “Risikogruppen” gerechtfertigt werden, und selbst dort gibt es erhebliche Bedenken und Einwände.
Die Apologeten der Impfpflicht versprechen indes weitaus mehr als nur gemilderte Verläufe. Sie behaupten, daß die “Pandemie” nur dann beendet werden könne, wenn möglichst viele Menschen geimpft sind, aber die Kriterien, anhand derer man das Ende der “Pandemie” erkennen kann (Inzidenzien? Hospitalisierungen? Impfquoten? “Zero Covid”?), bleiben im Ungewissen und in ständiger Bewegung. Hohe Durchimpfungsraten haben nirgendwo eine Besserung der Corona-Gesamtlage bewirkt, in manchen Aspekten sind sogar deutliche Verschlechterungen zu beobachten.
Wir wissen inzwischen, daß die Impfstoffe nicht lange wirken, daß sie nicht sehr gut wirken und daß sie enorme Nebenwirkungen haben, die von den Gesundheitsbehörden konsequent ignoriert werden (siehe meine – bereits veralteten – Bilanzen hier und hier). Hinzu kommen etliche andere Komplikationen, die noch nicht ausreichend erforscht sind, etwa welchen Einfluß die Massenimpfungen auf die evolutionäre Entwicklung aggressiverer “Varianten” haben, die wiederum die Impfstoffe außer Kraft setzen.
Ist Weißmann dies alles nicht bekannt? Beispielsweise auf der Achse des Guten haben sich seit März 2020 drei, vier Ärzte zu diesem Thema die Finger wund geschrieben, wie auch über den gesamten Rest des aus China importierten Corona-“Franchise” wie Lockdowns, Masken und Tests. Die kritische Literatur über die medizinischen, politischen, psychologischen Aspekte des Virenspuks ist inzwischen turmhoch, und kann nicht mit ein paar Forsthoff-Zitaten aus der Konservendose vom Tisch gefegt werden.
Weißmann ist ein intelligenter Mensch und ein bedeutender konservativer Kopf. Was ist hier geschehen? Geistige Versteinerung, verbunden mit der Unfähigkeit, die eigenen Theoriegebäude einer fundamental veränderten Wirklichkeit anzupassen? Anbetung des “starken Staats” um seiner selbst willen, auch wenn er “feindlicher Kontrolle” unterliegt? Schiere Paralyse angesichts der Umwälzungen, deren ohnmächtige Zeugen wir heute sind, “Nichtwahrhabenwollen”, daß die alten Koordinantensysteme nicht mehr passen?
Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Weißmann weiß womöglich sehr wohl, was geschieht, und fügt sich schon mal vorauseilend in ein als unabwendbar erkanntes Schicksal, hoffend, daß er in einer Nische überleben und weiterhin seine Beamtenpension beziehen kann – man muß ja schließlich realistisch bleiben! Erkenne die Lage! Was sollen die kommenden halbjährlichen mRNA-Pflichtimpfungen bis in alle Ewigkeit schon ausmachen? Was hätte Macchiavelli getan? Was Thukydides, David Hume, Ernest Renan, Georges Sorel, Vilfredo Pareto, Max Weber, Oswald Spengler, Hermann Heller und Julien Freund? Was hat Schmitt nach 1933 getan? Da beißt man eben in den sauren Apfel!
In beiden Fällen hätte Weißmann sein Publikum auf unverzeihliche Weise betrogen (unverzeihlich, denn ein Mann seines Kalibers hat keine Entschuldigung mehr für die unkritische Reproduktion des Corona-Narrativs). Es braucht Orientierung, Wahrheit und Klarheit, keine zwar gelehrte, aber bestürzend fadenscheinige Irreführung.
Und es ist wohl auch nicht im Sinne seines großen Lehrmeisters Arnold Gehlen, sich aktiv an der Errichtung des “Reichs der Lüge” zu beteiligen.
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