Wird irgendwo ein „Fakten-Check“ oder ein unter „Endlich
verständlich“ laufendes Stück angekündigt, ist so gut wie sicher, dass
man es nunmehr mit einer besonders dreisten Aneinanderreihung von
Halbwahrheiten, Verdrehungen und Beschwichtigungen zu tun hat.
Das
„Journalisten-Handbuch zum Thema Islam“ gehört auch dazu. Man sollte meinen, dass in Zeiten, in denen ZEIT online einen
Gastbeitrag mit dem Titel „Was für die Kinderehe spricht“
veröffentlicht, die Presse ganz sicher nicht mehr auf Linie gebracht
werden muss, allein: weit gefehlt! Geht es um das heiße Eisen Islam,
nimmt Staatsministerin Aydan Özoğuz - Beauftragte der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge und Integration und eben erst mit einem
Statement gegen ein „pauschales“ Verbot von Kinderehen auffällig
geworden - auch mal Steuergelder in die Hand, um dem Mediendienst Integration (laut
Tagesspiegel „2012 gegründet, um die Qualität der Berichterstattung zur
Einwanderungsgesellschaft zu heben und Medien rasch mit solidem Wissen
zu versorgen“) die Erstellung eines „Journalisten-Handbuches zum Thema
Islam“ zu ermöglichen.
Ließ einst der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda noch
die Herren Chefredakteure (damals: Schriftleiter) persönlich antanzen
(damals: erscheinen), um sie tagesaktuell einzuordnen, haben willfährige
Medienleute nunmehr jederzeit einen leicht verdaulichen Leitfaden zur
Hand, um das zunehmend bockige Volk zu erziehen. Schließlich sind, wie
es im Vorwort heißt, „Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber
Muslimen und ,dem Islam´ in der Bevölkerung“ verbreitet; den
„Ressentiments“ setzen die Autoren den Versuch entgegen, „das ganze
Bild“ zu zeigen, denn Terror, Gruppenvergewaltigungen, Ehrenmorde,
Zwangshochzeiten (Stichwort: verwandt, verlobt, verheiratet), Kinderehen
und ähnlich unschöne Phänomene lassen den Islam derzeit nicht wirklich
als Bereicherung unserer Gesellschaft erscheinen.
„Das ganze Bild“ fällt ziemlich genau so aus, wie man es erwarten
musste. Bei der Schilderung der Entstehung des Islam bleiben die
durchaus beunruhigenden Ereignisse in der Vita des Propheten Mohammed
auf der Strecke, und auch die gewaltsame Ausbreitung dieses Glaubens auf
abendländischen Boden weiß man wohlwollend zu umschreiben:
„Im Jahr 711 n. Chr. überquerte Tariq ibn Ziyad mit seinem Heer
die Meerenge von Gibraltar und brachte die Iberische Halbinsel und damit
europäisches Territorium unter seine Kontrolle.“
Ja, die Sprache, sie ist verräterisch. Der Mediendienst Integration weiß
sie jedoch einzusetzen, wenn er es mit mehrheitlich linksdrehenden
Journalisten zu tun hat, die zu faul sind, sich selbst mit dem gebotenen
Tiefgang in Geschichte und Gegenwart des Islam einzulesen: Ständig ist
von „Differenzierung“ die Rede, von „Vorurteilen“, „Diskriminierung“,
„Stereotypen“, „Nachhaltigkeit“, you name it, und Themen, die dem
Zeitgeist entsprechend ganz oben auf der Prioritätenliste der
Medienschaffenden stehen, werden mit der Muslim-Problematik verknüpft:
„Islam und Feminismus“ ist da ebenso ein Unterpunkt wie „Islamische
Umweltschützer“.
„Islam und Homophobie“ ist zwar vermintes Gelände, das sich jedoch
weiträumig umgehen lässt, indem das Schicksal Homosexueller in der
islamischen Welt unerwähnt bleibt und stattdessen der Spieß umgedreht
wird:
„Oft wird kritisch hinterfragt, wie sich islamische
Gemeinschaften im Umgang mit sexuellen Minderheiten positionieren. Und
mehrheitlich muslimische Länder werden als Negativbeispiele genannt,
wenn es um Geschlechter- und Sexualitätsfragen geht. Wie kommt es, dass
vor allem über Muslime diskutiert wird, wenn es um Homophobie geht?
Viele Wissenschaftler und Menschenrechtsaktivisten sagen, die
Fokussierung auf muslimisch dominierte Länder lenke von Problemen in
Deutschland ab.“
Bevor nun jemand meint, hier werde so dreist wie platt vom Thema
Muslime und Homophobie abgelenkt, möge er folgende Erhebung zur Kenntnis
nehmen, welche nicht nur die Hühner von Casablanca bis Islamabad lachen
lassen dürfte:
„Demgegenüber stimmten einer Studie der ,Bertelsmann-Stiftung´
zufolge 60 Prozent der befragten ,mittelreligiösen´ Sunniten der Aussage
zu, homosexuelle Paare sollten die Möglichkeit haben, zu heiraten.Unter
,hochreligiösen´ Sunniten lag die Zustimmungsrate bei immerhin 40
Prozent. Andere Untersuchungen zu diesem Thema stellten sich bei genauem
Hinsehen als wenig belastbar heraus. Ein pauschaler Vorwurf, dass
Muslime homophob sind, ist damit nicht haltbar.“
Beim ähnlich brisanten Thema „Muslime und Antisemitismus“ behaupten
die Autoren, es gebe keine „repräsentativen Forschungsergebnisse, die
eine allgemeine Einschätzung zum Phänomen judenfeindlicher Einstellungen
unter Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund ermöglichen“.
Dass „bei Jugendlichen ,aus muslimisch geprägten
Sozialisationskontexten´ Antisemitismus insgesamt häufiger anzutreffen“
sei, habe jedoch meist mit dem „Gefühl von Benachteiligung“ zu tun, „bei
dem die eigenen Erfahrungen von Diskriminierung und Abwertung mit dem
Leid der Muslime weltweit verknüpft werden“. Und irgendwie ist der Jud´
eben daran schuld.
Und da ist noch eine Frage, die auf den Nägeln brennt:
„Ist der Islam modern? Bloggerinnen wie Kübra Gümüşay, Eşim Karakuyu oder Khola Hübsch kritisieren, dass der Begriff „modern“
synonym mit „westlich“ verwendet wird. Sie treten alternativ für das
Konzept einer vielfältigen Moderne ein.“
Diese „vielfältige Moderne“ sieht dann Kopftücher allenthalben vor,
womöglich auch die Akzeptanz von organisierten „Ehen“ mit 13-jährigen
Mädchen, denn wer sagt, dass dem Westen die Deutungshoheit über den
Begriff „modern“ zusteht? Auch die mit dem Smartphone gefilmte und ins
Netz gestellte Enthauptung ist ja nicht zur Gänze archaisch, wie selbst
der ressentimentgeladenste Mitteleuropäer zugeben muss. So wie man es
sich auch mit Islamisten nicht zu einfach machen darf, denn diese stehen
„für unterschiedliche, zum Teil auch konkurrierende Vorstellungen“, und
bei Salafisten gilt es ebenso zu differenzieren, sie sollten „nicht als
einheitlicher Block missverstanden werden“. Was sie natürlich von den
Pegidisten unterscheidet.
Mangelt es Muslimen an Bildungswillen? Das ist die Frage. Sie ließe
sich vielleicht im Vergleich mit Autochthonen oder Einwanderern etwa aus
Russland oder Vietnam klären, würde jedoch nicht die erwünschte Antwort
zeitigen. Deshalb setzen die Autoren des Handouts die schlechten
Platzierungen des Homo Bosporus in den Statistiken zu Schulabschlüssen
in Relation zu jenen der Vorgängergeneration, und siehe da: „Wichtige
Unterschiede und Entwicklungen“ sind offenbar übersehen worden. Wo es
nicht geklappt hat mit dem Hauptschulabschluss, ist dann wieder die
„Benachteiligung“ ursächlich, klar.
Sehr erheiternd ist ein Interview zum Thema „Muslime und Medien“ mit
dem Medienwissenschaftler Prof. Dr. Kai Hafez und dem Journalisten
Daniel Bax. Letzterer verharmlost den arabischen Sexmob von Köln in
Augsteinscher Manier als „grapschende Kleinkriminelle“; was die mit der
Religion Islam zu tun haben sollen, erschließt sich dem intellektuellen
Minderleister "überhaupt nicht“, denn von Frust aufgrund repressiver
Sexualmoral und von der Frauenverachtung in einer vom Islam dominierten
Kultur hat er noch nie etwas gehört. Dass Politik und Medien die
ungeheuerlichen Ereignisse tagelang beschwiegen, erklärt Bax so: „Viele
Redaktionen haben einen Faktencheck gemacht, bevor die Panikmacher das
Ruder übernahmen.“
Professor Doktor Hafez reibt sich ebenfalls an kritischen Stimmen in
der Berichterstattung - dass es so häufig um Krieg, Terror und Gewalt im
Zusammenhang mit Muslimen geht, hat für ihn nicht etwa damit zu tun,
dass muslimische Länder besonders oft und grausam Krieg führen, Terror
vor allem von islamistischen Organisationen ausgeht und Gewalt in jeder
Form häufig von Muslimen, sondern mit „strukturellem Rassismus“. Damit
keine antimuslimischen Ressentiments bedient würden, müssten einige
Fachredakteure noch rundgelutscht bzw., in Hafez´ Worten, „in
interkultureller Kompetenz geschult“ werden.
Alle anderen, also die große Mehrheit der mit den Wölfen heulenden
Medienfuzzis, werden die 160-seitige Anleitung zur Unmündigkeit
begrüßen. Nicht auszudenken, wenn die Vertreter der Wahrheitspresse sich
in ihrem heroischen Kampf gegen die überwiegend negative Wahrnehmung
der Religion des Friedens und der Toleranz ihres eigenen Verstandes ohne
Hilfe der Regierenden bedienten. Kant ist doch sowas von 18.
Jahrhundert. Heute herrscht die „vielfältige Moderne“ à la Gümüşay. Wenn
die Eingeborenen mit ihren "Überfremdungs- und Bedrohungsgefühlen“ das
nicht einsehen wollen, hat Frau Özoguz die Staatsknete völlig umsonst
ausgegeben. Das kann doch keiner wollen. Claudio Casula
Das Schlimme ist, dass der Begriff der „vielfältigen Moderne" viel stichhaltiger ist, als Lyotards unsäglich abwegiges, nichts-und-alles-sagendes Epochenetikett „postmodern“. Wenn man selber nichts stichhaltiges mehr über die Lippen bringt, braucht man sich nicht zu wundern, wenn einem das Szepter der sinnstiftenden Narrative aus der Hand gerissen wird und eine entschlossene Hermeneutik um die Ohren gehauen wird.
Aaaahhh, all Ihr Konservativen und Reaktionäre, all Ihr Burschenschaftler und Corpsbrüder, was habt Ihr alles versäumt! Wie habt Ihr es Euch in Eurer blinden Einfalt leicht gemacht! Ihr habt nicht reagiert und Ihr habt nichts bewahrt. Ihr habt nur die Asche gehütet.
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