An Niederlagen ist das politische Leben des Barack Obama wahrhaft
nicht arm. Eine der folgenreichsten hat er jetzt, gegen Ende seiner
zweiten Amtszeit, einstecken müssen. Es geht um ein Gesetz, das es
betroffenen Bürgern der USA erlaubt, andere Staaten wegen
Unterstützung des Terrorismus zu verklagen.
Wegen der
anhaltenden, ja zunehmenden Zweifel an der Korrektheit der
Regierungsuntersuchung zum Attentat vom 11. September 2001 hatte das
Weiße Haus zusätzlich zu den bisherigen Erklärungen ein mageres Bündel
von erheblich geschwärzten 28 Seiten veröffentlicht, in dem von einer
möglichen Verstrickung Saudi-Arabiens in den Anschlag die Rede ist. In
der Folge verabschiedete der Kongress am 5. Oktober ein Gesetz, das es
betroffenen US-Bürgern erlaubt, gegen Saudi-Arabien zu klagen.
Obama
hatte das bis zum letzten Moment verhindern wollen, doch sein Veto
wurde vom Kongress überstimmt. Der US-Präsident hatte argumentiert:
„Falls wir den Begriff der gerichtlichen Immunität von Staaten
aussetzen, könnten auch gegen unsere Militärs weltweit Klagen
eingereicht werden.“ Tatsächlich verstößt das neue Gesetz gegen den
Grundsatz der Staatenimmunität im Völkerrecht, wonach Staaten gegenüber
anderen Staaten nur ein sehr eingeschränktes Klagerecht haben,
Privatleute gegenüber Staaten aber überhaupt keines.
Allerdings plagen
den US-Präsidenten keinerlei Sorgen ums Völkerrecht, denn der Sinn und
Zweck der sogenannten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta besteht ja nicht
zuletzt darin, Privatunternehmen zu ermöglichen, gegen Staaten zu
klagen. Dieser Bruch mit dem Völkerrecht ist für Obama und seine
Regierung längst System geworden. Obama geht es denn auch um etwas
völlig anderes, nämlich um das politische Verhältnis seines Landes zu
Saudi-Arabien.
Dieses stellt für Washington einen wichtigen Baustein
in seiner Nahost-Strategie dar. Saudi-Arabien ist traditionell ein
Verbündeter der USA, das natürliche Bollwerk gegen den Iran, es hat
strategische Bedeutung wegen seines Ölreichtums, garantiert zusammen mit
den Golfemiraten Einfluss in der gesamten Region und stellt die ideale,
weil nur mittelbare Verbindung zu den islamistischen Organisationen wie
al-Kaida oder Islamischer Staat (IS) dar, vor allem, wenn es um
Waffenlieferungen geht.
Zudem sind die USA bei den Saudis erheblich
verschuldet. Nach den Angaben der Agentur Bloomberg vom Mai dieses
Jahres belaufen sich die Verbindlichkeiten Washingtons auf rund 117
Milliarden US-Dollar. Es gibt sogar Schätzungen, die sich bis auf eine
halbe Billion erstrecken. Vor diesem Hintergrund sagte Marc Chandler,
der Chefwährungsstratege bei der New Yorker Investment Bank Brown
Brothers Harriman zu Bloomberg mit Blick auf die Saudis: „Ich meine,
dass wir uns keinen Gefallen tun, wenn wir unsere Anfälligkeit gegenüber
großen Gläubigern unterschätzen.“
Die Saudis wiederum wissen sehr
wohl, was sie wert sind und welchen Platz sie in der Strategie der Neuen
Weltordnung der USA einnehmen. Sie dürfen sich daher eine ziemlich
unverblümte Antwort auf jenes Gesetz erlauben. Halef Batarfi,
Politikwissenschaftler an der Feisal-Universität in Hofuf, schreibt:
„Mit dieser Entscheidung zeigt Washington seine Unzuverlässigkeit als
Verbündeter. Zudem bestätigen die USA, dass sie kein Rechtsstaat sind,
denn dort können Gesetze zugunsten momentaner konjunktureller Interessen
novelliert werden.“ Wenn auch ein Universitäts-Professor nicht der
berufene Sprecher der Regierung ist, so dürfte Batarfi seine Anmerkung
nicht gegen den Willen des Königs getan haben. Das gilt auch für die
folgende Aussage des Professors: „Jeder Investor, der sein Geld in der
Wirtschaft eines anderen Landes anlegt, rechnet mit dem Erhalt seiner
Mittel, was die nationalen Gesetze garantieren sollen. Dieses Prinzip
wurde hier verletzt.“ Die Saudis sehen sehr wohl die Gefahr, dass in den
USA aufgrund des neuen Gesetzes saudische Konten gesperrt oder
gepfändet werden könnten. Das Außenministerium in Riad hat bereits
damit gedroht, alle Aktiva aus den USA abzuziehen. Dabei handelt es
sich um 750 Milliarden US-Dollar.
Ganz in der Attitüde eines
Sachwalters internationaler Rechtsfragen ließ das saudi-arabische
Außenministerium verlauten: „Die Zerstörung der Grundlagen staatlicher
Souveränität, die seit Jahrhunderten die Basis internationaler
Beziehungen bildet, hätte eine üble Wirkung auf alle Länder, darunter
auch für die USA.“ Florian Stumfall
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