Mittwoch, 7. März 2018
Betreutes Lesen
Am 15. März beginnt die Leipziger Buchmesse. Das Ereignis, das zeigt ein beachtlicher medialer und politischer Niederschlag, dürfte sich in diesem Jahr von allen Vorgängerveranstaltungen gründlich unterscheiden. Denn es geht nicht mehr hauptsächlich um das Lesen, sondern um die politische Haltung.
Bekanntlich hatten im vergangenen Jahr linksradikale Gruppen auf der Frankfurter Buchmesse nachts Bücher und Kataloge an den Ständen des Manusriptum– und des Antaios-Verlags entwendet oder zerstört, tagsüber marschierten Messe-Mitarbeiter mit schablonengemalten Schildern vor Verlagsständen auf, die Messe-Geschäftsführer Jürgen Boos vorher in einer ausführlichen Mitteilung als „rechts“ markiert hatte, um dazu aufzufordern, sich mit ihnen „auseinanderzusetzen“. Linksaußen-Gruppen störten mehrfach Veranstaltungen an den Ständen, eine Lesung mit dem österreichischen Identitären Martin Sellner verhinderten sie ganz. Zum Gesamtbild gehörte es damals, dass eine Reihe von Medien die rechten Kleinverlage als eigentlich unzumutbares Sicherheitsrisiko darstellten, während sie die massiven Stör- und Vandalismusaktionen milde als „Protest“ beschrieben. Mehrere Zeitungen setzten das Foto eines glatzköpfigen tätowierten Linksradikalen so in Szene, dass bei den Lesern der Eindruck hängenblieb, es handle sich um einen „Rechten“, und blendeten den tatsächlich Rechten, – den Antaios-Verleger Götz Kubitschek – auf den der Glatzkopf drohend zuging, geschickt aus.
Die Lügengeschichte des Frankfurter „Partei“-Stadtverordneten Nico Wehnemann, „Nazis“ hätten ihn auf der Buchmesse unter „Sieg-Heil-Rufen“ verprügelt, übernahmen eine Reihe von Zeitungen mit Begeisterung und vor allem ohne Recherche (BILD: „Rechte verprügeln Abgeordneten“). In Wirklichkeit war Wehnemann von Sicherheitsmitarbeitern der Messe zu Boden gebracht worden, als er versuchte, eine Absperrung zu durchbrechen.
Alles in allem mussten die Aktivisten außerhalb und in den Redaktionsstuben am Ende der Messe feststellen, dass die Störaktionen Kleinverlagen wie Antaios und Manuscriptum eine Aufmerksamkeit verschafft hatten, für die sie am Werbemarkt eine sechsstellige Summe hätten zahlen müssen.
In Leipzig soll die Aktion gegen Rechts deshalb anders laufen. Gründlicher, besser organisiert. Schon im Jahr 2017 stellte die Leipziger Stadtratsfraktion der Linkspartei den Antrag, die Stadt als Gesellschafter der Buchmesse solle „rechten Verlagen“ einfach generell die Messeteilnahme verbieten.
Buchmesse-Chef Oliver Zille teilte daraufhin mit, das gehe schon deshalb nicht, weil die Mitglieder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels per Satzung zur Verteidigung der Meinungsfreiheit angehalten seien. Zille scheint das tatsächlich auch so zu meinen.
In den Leipziger Messehallen wird jetzt aus Sicht der Kämpfer gegen Rechts also die zweite Halbzeit nach Frankfurt ausgetragen. Etliche Qualitätsmedien schreiben schon in der bewährten Verdrehung wie hier pars pro toto der Tagesspiegel:
„Der Tumult um die rechten Verlage auf der Frankfurter Buchmesse war groß. Ein bisschen steckt er auch Oliver Zille in den Knochen, obwohl er der Direktor der Buchmesse in Leipzig ist, die erst wieder im März stattfindet. Wie lässt es sich vermeiden, dass Rechte eine Buchmesse zum Ziel ihrer Provokationen wählen, Proteste dagegen wiederum als angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit brandmarken? “
Auch der Mitteldeutsche Rundfunk ringt die Hände und bedauert, leider könne man die üblen Verlage nicht von der Messe fernhalten, aber dafür werde ganz, ganz viel couragierte Auseinandersetzung geben, außerdem ein „neues Sicherheitskonzept“.
Durchweg ist in den Artikeln nicht von rechtsradikalen Verlagen und Büchern die Rede, sondern grundsätzlich von „rechten“ – was den Definitionsrahmen sehr weit steckt. Kein Wort verliert irgendjemand über die traditionelle Anwesenheit linksradikaler Verlage in Frankfurt wie Leipzig. Und nirgends taucht zumindest probehalber einmal der unerhörte Gedanke auf, dass es in einer Gesellschaft mit einer Fülle von als rechts und links konnotierter Ansichten und einer heftigen Debatte vor allem um die Migrationspolitik völlig normal ist, dass es auch linke wie rechte Verlage gibt. Und dass eine Buchmesse genau der richtige Ort wäre, um zivilisiert über Ansichten zu streiten.
Darum geht es, zumindest aus Sicht der Wohlmeinenden, am allerwenigsten, auch wenn der Demoaufruf linker Gruppen („widersprechen“) sich auf den ersten Blick so liest.
Schon in Frankfurt lehnten Vertreter der Amadeu-Antonio-Stiftung die Einladung des Antaios-Verlags zu einer Diskussion empört ab. Immerhin soll es in Leipzig eine öffentliche Diskussion zwischen der Dresdner Buchhändlerin und Initiatorin der „Charta2017“ Susanne Dagen und dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Alexander Skipis geben. (Dagen, die nach den Übergriffen in Frankfurt einen Aufruf für den Erhalt der Streitkultur und gegen Einschüchterung startete, gilt sehr vielen Vertretern des Kulturbetriebs als „rechts“).
Wie sorgfältig auf der Seite der Guten die Selektion von schlimm rechten Verlagen auf der einen Seite und nicht näher apostrophierten auf der anderen vor der Leipziger Messe durchgeführt wird, zeigt die Liste des Aktivisten B. Kramer, der penibel Akten führt und Dossiers anlegt, in diesem Fall zu 16 Publikationsunternehmen. Auf Kramers Liste stehen unter anderem auch so hochbedenkliche Verlage wie Cato, Cicero und die evangelische Nachrichtenagentur idea. Die Beweisführung zum Fall des in der politischen Mitte angesiedelten Berliner Magazins Cicero etwa liest sich so:
„Der Rechtsruck beim Magazin Cicero war bereits in den Medien oder in Publikationen häufiger Thema, allerding nicht die Autor*innen, die für das Magazin schreiben oder schrieben und auch nicht ihre Verbindungen. Das soll hier nachgeholt werden.
Bisher schrieben u.a. für Cicero:
Imad Karim (Autor Tichys Einblick, Autor Jürgen Fritz Blog, Interviewpartner Philosphia Perennis, Redner auf der rassistischen Demonstration in Kandel (2018)…)
Alexander Kissler (Autor Eigentümlich frei, Autor für die AfD-nahe Freie Welt des Sven von Storch, auch Podiumsdiskussionsteilnehmer einer Veranstaltung der Bibliothek des Konservatismus, einem Zentrum Neuer Rechter, mehrfach geladener Gast bei der Soireé von Ragg’s Domspatz (2012), Autor des Buches „Keine Toleranz den Intoleranten“ …)“
Vor allem Kisslers Buch „Keine Toleranz den Intoleranten“ muss auf diesen Zuarbeiter der Zivilgesellschaft unerträglich provozierend wirken. Und offenbar auch auf etliche mediale Begleiter.
Bei der „Merkel muss weg“- Demonstration in Hamburg am vergangenen Montag hatte jemand den linken „Gegendemonstranten“ ein Schild mit dem Satz entgegengehalten: „I have a dream: Dass ich eines Tages meine Meinung ohne massiven Polizeischutz äußern kann.“
In Leipzig wird es schon ein Fortschritt sein, wenn wenigstens der Polizei- und Wachschutz besser funktioniert als in Frankfurt. Wendt
Der Verlag der Wochenzeitung Junge Freiheit hat seine Teilnahme an der Leipziger Buchmesse zurückgezogen. Im Kündigungsschreiben wirft JF-Geschäftsführer Dieter Stein dem Direktor der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, vor, mit der von linksradikalen Verlagen initiierten Aktion „#verlagegegenrechts“ zu kooperieren. Durch eine einseitige und ungünstige Standplazierung in einem von der Messe konstruierten „rechtsextremen Block“ von Verlagen sei eine Messeteilnahme absolut rufschädigend und wirtschaftlich sinnlos, so Stein.
Dieter Stein: „Die Leipziger Messe, zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand, wäre streng zu politischer Neutralität verpflichtet. Herr Zille, der mit der linksradikalen Aktion ’Verlagegegenrechts’ kooperiert, hat damit der Leipziger Buchmesse als fairem Partner für alle Verlage geschadet.“ JF
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