Der erste Rückschlag für den Plan kam mit der deutschen Bundestagswahl,
die für Merkel nicht das brachte, was die sommerlichen Umfragen
versprochen hatten. Für kurze Zeit zeichnete sich sogar das Desaster
einer Jamaika-Koalition ab, in der eine „renitente“ FDP mehr
„europäische Solidarität“ hätte verhindern können. Doch dieser Kelch
ging an den „Vertiefern“ vorbei, und neue Zuversicht kam auf, als sich
der vorübergehende SPD-Vorsitzende Martin Schulz die deutsche
Europolitik von Kommissionchef Juncker in den Vertrag für die große
Koalition diktieren ließ.
Von den Mitgliedern der SPD abgesegnet, will
die Groko nun nicht nur Junckers Plan zur Vertiefung der Währungsunion
weitgehend folgen, sondern sie will auch noch freiwillig mehr Geld für
„Europa“ lockermachen. Das war sogar etwas mehr als erwartet. Wird aus
Sicht der „Vertiefer“ nun doch endlich gut, was lange währte?
Der Ausgang der
Parlamentswahl in Italien könnte das verhindern. Siebzig Prozent der
Wähler haben dort für populistische Parteien gestimmt, die ihnen das
Blaue vom Himmel versprochen hatten: weniger Steuern für die reichen
Bürger des Nordens, ein auskömmliches und bedingungsloses Grundeinkommen
für den armen Süden, mehr staatliche Investitionen und Mindestrenten
für alle. Auch Autofahrer und Tierliebhaber sollen von Steuern verschont
werden. Eigentlich böte sich in Italien eine richtig große Koalition
der Populisten mit dem Programm „Wohlstand für alle ohne Rücksicht auf
die Kosten“ an.
Doch die
Wahlgewinner sind sich spinnefeind, so dass daraus wohl nichts wird. Die
Regierung Gentiloni aus der vergangenen Legislaturperiode könnte daher
ohne parlamentarische Mehrheit für längere Zeit geschäftsführend im Amt
bleiben. Aber das dürfte die Wahlgewinner nicht davon abhalten, für ihre
Klienten mit wechselnden parlamentarischen Mehrheiten finanzielle
Wohltaten aus dem Staatshaushalt herauszupressen. Ob mit oder ohne neue
Regierung, Italiens Staatsfinanzen dürften unter dem Druck der
Populisten noch kräftiger aus dem Ruder laufen als in der Vergangenheit.
Da käme eine französisch-deutsche Initiative zur
Schuldenvergemeinschaftung aus Sicht der Italiener zur rechten Zeit.
Wären da nur
nicht die bockigen Regierungen einiger EU-Nordländer, die sich strikt
gegen diese Art der „europäischen Solidarität“ stemmen. Die Aussicht auf
einen noch schneller wachsenden italienischen Schuldenberg dürfte ihren
Widerstand gegen die Vergemeinschaftung von Schulden verstärken. An
ihrem Veto könnte daher die Gründung eines Europäischen Währungsfonds
unter EU-Recht als Instrument zur gemeinschaftlichen Verschuldung und
Drehscheibe für zwischenstaatliche Transfers scheitern. Damit wäre aber
auch der Plan zur Entlastung der EZB gescheitert.
Die EZB hat mit
Billigung insbesondere der deutschen Bundesregierungen die Pflicht
übernommen, zu tun, was immer nötig ist, um den Euro zu erhalten.
Unverzichtbar sind dafür niedrige Zinsen und der ungehinderte Zugang der
Eurostaaten zum Finanzmarkt zur Finanzierung auslaufender Schuldtitel
und neuer Verschuldung. Die italienische Politik dürfte dafür sorgen,
dass die EZB nun noch mehr tun muss, um ihre Pflicht zu erfüllen. Dabei
muss ihre vertraglich vereinbarte Aufgabe, für Preisstabilität zu
sorgen, in den Hintergrund treten.
Denn wie sollte sie je wieder die
Zinsen erhöhen können, wenn dies für diese Aufgabe nötig wird? Die
populistischen italienischen Politiker sind sich ihrer Sache sicher.
Hatten sie vor nicht allzu langer Zeit noch mit der Einführung einer
Parallelwährung gedroht, sind diese Drohungen nun passé. Sie sind
schlicht überflüssig, wenn sich die italienischen Parteien auf die EZB
als Geldquelle für die Wohltaten verlassen können, die sie ihren
Klienten versprochen haben. Thomas Mayer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.