Gehört der Buddhismus zu Deutschland? Der Hinduismus? Voodoo? Oder will da etwa jemand ausgrenzen?
Anders gefragt: Gibt es überhaupt irgendetwas, das nicht zu Deutschland gehört?
***
"Was
weiß die Zigarre über Männer und Frauen?" Mit dieser Frage, die sich
explizit nicht auf jene Zigarre bezieht, deren Genuss sich Monica
Lewinsky und Bill Clinton im Oral Office geteilt haben sollen, eröffnet der Tagesspiegel
einen Tusch zum 80. Wiegenfest der Historikerin Karin Hausen. Die Dame
wird als eine Pionierin der Frauen- und Geschlechterforschung gewürdigt
(ein historisches Gebiet, das bestimmt genau so spannend ist wie die
Geschichte der Arbeiterbewegung). Frau Hausen ist Feministin, aber
Gendersternchen, Unterstriche und auch den Terminus "Gender" mag sie
nicht recht: "Ich bevorzuge das deutsche Wort Geschlecht. Es ist so
hinreißend vieldeutig, Menschengeschlecht, Adelsgeschlecht,
Geschlechtskrankheiten ..." (Wobei: Genderkrankheiten?) Vielleicht ist
sie Wissenschaftlerin genug, um den Unterschied zwischen Begriffen, mit
denen sich sinnvoll arbeiten lässt, und ideologischen Konstrukten zu
erfassen, vielleicht ist sie auch nur zu früh geboren, um schon richtig brainwashed zu sein, vielleicht beides zusammen.
Aber was hat es mit der Zigarre auf sich? Am Beispiel der Tabakswickel lasse sich zeigen, referiert der Tagesspiegel
eine These der Historikerin, "wie im 19. Jahrhundert die Handlungs- und
Spielräume von Männern und Frauen neu definiert wurden. Männer rauchten
Zigarren, Frauen nicht, und wenn eine Frau es doch tat, wie etwa die
Französin George Sand, so wurde das als ein demonstratives Überschreiten
der Geschlechterordnung von vielen – Männern wie Frauen – abgelehnt."
Eine weit eindrucksvollere und exzessivere Zigarrenraucherin als die
Chopin-Dulcinea war übrigens die letzte Favoritin von Liszt, die aus
Polen stammende Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein, Ehefrau des Prinzen
Nikolaus zu Sayn-Wittgenstein, Sohn eines in russischen Diensten
stehenden Generalfeldmarschalls. Sie war Liszt in Kiew begegnet und
hatte ihren Gatten und ihre 30.000 Leibeigenen verlassen, um fortan nur
ihm zu folgen. Zuvor hatte sie sich durch einen Grundstücksverkauf eine
Million Rubel beschafft. Sie muss eine sehr eindrucksvolle Person
gewesen sein, nicht nur was ihre Art der Partnerwahl, ihren
Zigarrenkonsum und ihre geistig-literarischen Neigungen betraf, sondern
auch habituell. Einer Anekdote zufolge soll sie den redseligen
Egozentriker Richard Wagner derart zusammengefaltet haben, dass der wie
ein Kind verstummte; kaum einem Sterblichen ist das je gelungen. Aber
das waren Exzentrikerinnen und Heroinen.
Da nur Männer Zigarren
oder Pfeife rauchten und sich zum Rauchen in separate Räume zurückzogen,
interpretiert Hausen das Tabakrauchen als eine "bedeutungsvolle
Grenzmarkierung". Ein gewisses Maß an Geschlechtertrennung ist freilich
der Normalzustand in sämtlichen Weltkulturen; einzig der Westen hat es
fertiggebracht, Männer und Frauen nicht nur gleichzustellen, sondern
Frauen buchstäblich jedes männliche Refugium zu öffnen. Die Holden
können, wenn sie denn wollen, zur Armee gehen, boxen, Eishockey spielen,
Pfeife rauchen, Physikerinnen oder, wahrscheinlicher, Politikerinnen
werden und sich bei den Wiener Philharmonikern einklagen. Die Frage, ob
das im beispielsweise ästhetischen Sinne wünschenswert ist, stellt sich
nicht mehr, denn wir haben ja individuelle Wahlfreiheit. Aber alle
Möglichkeiten der partiellen Männerdomäneneroberung oder Vermännlichung
sind für die meisten Frauen bis heute vollkommen uninteressant. Ich
kenne beispielsweise Dutzende Frauen, die an der Zigarre ziehen, aber
keine einzige, die sie bis zu Ende rauchen wollte.
Das wirklich
Rätselhafte, ja dialektisch Tückische an dieser Entwicklung ist die
Tatsache, dass der Westen durch die, nein, nehmen wir die Kausalität
heraus: parallel zur Gleichstellung der Frauen wehrlos geworden ist. Die
individuelle Wahlfreiheit hat ihren Zenit erreicht. Noch ein paar
Jahrzehnte, dann werden womöglich Verhältnisse hergestellt sein, bei
denen nicht viel von dieser Art Emanzipation übrig bleibt. Der wachsende
Rest der Welt kennt sie ohnehin nicht. MK am 21.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.