Deutschland leidet seit Jahrzehnten unter einer intellektuell
armseligen, weil inhaltlich einseitigen Debattenkultur. Armselig, da es
dem linksliberalen Mainstream gelungen war, konservative Positionen
nicht nur auszugrenzen, sondern sogar als „rechts“ zu stigmatisieren. An
dieser Entwicklung trägt die CDU eine große Mitschuld, denn sie ließ
diese widerspruchslos zu, nach Beifall haschend bei den
Zeitgeist-Surfern.
Plötzlich fordert sogar CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt eine „Konservative Revolution“ und beklagt in der
Islam-Debatte: „Der Maulkorb spaltet das Land.“
Eine Zeitenwende deutet sich an, ausgelöst durch die Spaltung der
Gesellschaft, die am Mittwoch auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in
ihrer Regierungserklärung einräumen mußte. Besorgt ist in manchen
Feuilletons von einer erstarkenden intellektuellen Rechten die Rede.
Die
Sorgen dürften noch gewachsen sein, da jetzt die
Desiderius-Erasmus-Stiftung die ersten zehn Kuratoriumsmitglieder
benannt hat.
Darunter ist zum Beispiel die mutige Buchhändlerin Susanne Dagen, die
es gewagt hatte, die Pegida-Demonstrationen differenziert zu bewerten.
Die Dresdnerin wurde nicht nur intellektuell ausgegrenzt, ihr „Buchhaus
Loschwitz“ wurde boykottiert, so daß Kunden und Geld ausblieben. Weil
sie plötzlich als „rechts“ gilt. Und bei „Rechten“ kauft das Bürgertum
nicht. Man will schließlich nicht in Verruf kommen. Doch Dagen wußte
sich zu wehren. Beherzt gründete sie im vergangenen Herbst die „Charta
2017“, in der sie mit anderen, etwa dem Schriftsteller Uwe Tellkamp, vor
einer Gesinnungsdiktatur warnt. Gesinnungsdiktatur ?
Können nicht überhört werden
Auf der Frankfurter Buchmesse hatte der Börsenverein des Deutschen
Buchhandels zusammen mit Mainstream-Schriftstellern zur „aktiven
Auseinandersetzung“ mit rechten Verlagen aufgerufen. Mit der Folge, daß
deren Stände von linksradikalen Randalierern geplündert und
Diskussionsrunden gestört wurden. Etwa jene mit Karlheinz Weißmann,
einem weiteren Kuratoriumsmitglied der Desiderius-Erasmus-Stiftung.
Der
Historiker wird zwar als „Hauptvertreter der deutschen Neuen Rechten“
anerkannt, doch auf den Rezensionslisten der Medien sucht man seine
Bücher vergebens.
Der Autor wird zwar in manchen Medien als „der Ober-Intellektuelle“
vorgestellt, mit gehöriger Distanz selbstredend, doch dessen Wertungen
der Geschichte werden selten gedruckt, sind tabu. Meinungsfreiheit, nein
danke, Schere im Kopf ja bitte. Dabei hat er gerade ein Buch
veröffentlicht, „Kulturbruch `68“,
passend zu der Revolte vor 50 Jahren.
Ins Abseits geraten ist auch
Angelika Barbe, die in der DDR unerschrocken gegen die sozialistische
Diktatur gestanden hat. Nach dem Mauerfall von der SPD als Partei-
Gründungsmitglied gefeiert, nach ihrem Übertritt zur CDU dort mehr
geduldet als gehört, wird Barbe der Stiftung Gehör verschaffen,
insbesondere bei den DDR-Opfern.
Renommierte Persönlichkeiten wie die Rechtswissenschaftler Karl
Albrecht Schachtschneider und Alfred-Maurice de Zayas, die Theologen
Wolfgang Ockenfels und David Berger, der Forscher Henning Zoz, die
Menschenrechtsaktivistin Jaklin Chatschadorian oder der Drehbuchautor
Imad Karim können nicht überhört werden, wenn es um die Probleme
Deutschlands geht.
Debattenkultur erweitern
Die Stiftung hat somit die große Chance, eine Bresche zu schlagen in
den abgeschotteten, intellektuell kärglichen und inhaltlich einseitigen
Meinungsdiskurs. Die Vorsitzende Erika Steinbach, die langjährige
Bundestagsabgeordnete, die nach ihrem Parteiaustritt von der CDU schäbig
behandelt worden ist, hat schon bei der Gründung des „Zentrums gegen
Vertreibung“ bewiesen, daß sie hartnäckig und beharrlich dicke Bretter
bohren kann.
Der AfD bietet sich mit der Stiftung die Chance, ihr Netzwerk zu
verbreitern und die Debattenkultur zu erweitern. Dann dürfte der
Erfolgsautor Robert Menasse seine arrogante Aussage bereuen, die er auf
der Frankfurter Buchmesse von sich gab: „Mit den Rechten auf Augenhöhe
zu diskutieren bedeutet, sich flach auf den Boden legen zu müssen.“ Jörg Kürschner
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