Als die österreichische Regierung ankündigte,
künftig Mobiltelefone von Asylbewerbern auszulesen, um deren
Herkunftsangaben zu überprüfen, gab es in den meisten deutschen Medien
negative und pikierte Kommentare: das sei ein völlig ungerechtfertigter
Eingriff. Ganz ähnlich die Berichterstattung, als das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) im September 2017 ankündigte,
Mobiltelefone von Migranten zur Aufklärung ihrer Herkunftsländer
heranzuziehen. Dazu wären die Geräte
sehr gut geeignet – nicht nur wegen der gespeicherten Gesprächsdaten in
bestimmte Länder, sondern auch wegen der Roamingdaten, die den Weg des
Einreisenden nachzeichnen.
Durch eine Anfrage der
Linken-Bundestagsfraktion wurde jetzt bekannt, dass zumindest in
Deutschland das Instrument trotz aller rechtlichen Möglichkeiten
praktisch nicht genutzt wird. Von September 2017 bis Januar 2018 wurden
nach Angaben des BAMF nur 8 900 Datenträger von Asylbewerbern
ausgelesen, um mehr über die Herkunft der Migranten zu erfahren. Und nur
in 900 Fällen seien die Ergebnisse „aktenrelevant“ gewesen. Laut
BAMF-Chefin Jutta Cordt handelt es sich bei der Handy-Überprüfung um
die „ultima ratio, wenn wir Zweifel an der Herkunft haben, die sich anders nicht verifizieren lassen“.
Von September 2017 bis Januar kamen etwa 70 000 Asylbewerber nach
Deutschland, davon zwei Drittel ohne Papiere. Mindestens in diesen
Fällen müssten die BAMF-Mitarbeiter grundsätzlich an den mündlichen
Angaben der Einreisenden zweifeln. Welche anderen Möglichkeiten zur
Verfügung stehen sollten, um das Herkunftsland herauszufinden, dazu
teilte Cordt nichts mit. Das Telefon-Überprüfungsverfahren stellt
ohnehin die Rechtslage auf den Kopf: eigentlich muss der Asylbewerber
oder Kriegsflüchtling belegen, dass er in einem bestimmten Land an Leib
und Leben bedroht ist, das heißt, er müsste zunächst einmal belegen,
dass er überhaupt aus dem Land stammt. In der Praxis versucht die
zuständige Behörde längst, etwas über die Bewerber herauszufinden und
ihnen im Zweifelsfall nachzuweisen, dass sie nicht schutzberechtigt
sind.
Aber selbst die gesetzlichen Instrumente dazu wendet das BAMF
praktisch kaum an. Anders als in Österreich fehlt der politische Wille
dazu.
Es gibt auch so gut wie keine Rücknahmen von
Asylentscheidungen und Flüchtlingsstatus-Anerkennungen – obwohl die
zuständigen Politiker nach dem Fall Amri und Hussein K. angekündigt
hatten, jetzt würden auch rückwirkend Asylentscheidungen noch einmal
überprüft. Und obwohl die Polizei bei der Ermittlung von Straftaten mit
Beteiligung von Asylbewerbern und vorgeblichen Kriegsflüchtlingen immer
wieder auf Falschangaben zur Herkunft und Identität stößt. Laut BAMF
vollzogen Beamte im 4. Quartal 2017 bei einer Gesamtzahl von 49 190
Fällen ganze acht Rücknahmen von Asylentscheidungen (0,8 Prozent), bei
subsidiär Schutzbedürftigen (die weder unter das Asylrecht noch die
Flüchtlingskonvention fallen) in 35 Fällen (3,6 Prozent). Und selbst das bedeutet noch nicht zwingend: Abschiebung.
Die
scheitert unter anderem daran, dass die meisten Bundesländer nur über
wenige Abschiebehaftplätze verfügen – und eine ganze Reihe, etwa
Berlin, über gar keine. Sachsen will jetzt 9,7 Millionen Euro
investieren, um zumindest einige zusätzliche Plätze zu schaffen. Es ist
ein ganz ähnliches Phänomen wie bei der Telefonüberprüfung: Rechtlich
ist die Abschiebehaft nach Paragraf 62 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz möglich
– praktisch wird sie kaum verhängt. In Berlin legten die
Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne sogar im Koalitionsvertrag fest,
dass das Land auf Abschiebungen möglichst verzichtet – und auf
Abschiebehaft erst recht.
Zu was für absurden Folgen das führt,
zeigt der Fall Mohamed Ben Fathi exemplarisch:
Der Tunesier reiste 2014
illegal aus der Schweiz nach Deutschland ein, entzog sich der
Rückschiebung in die Schweiz, indem er untertauchte, und konnte auch
nach Ablehnung seines unbegründeten Asylantrags durch das BAMF nicht
abgeschoben werden, weil er, wie es hieß, „für die Behörden nicht mehr
erreichbar war“.
Er lebte fortan als Untergetauchter vom Drogenhandel. Außerdem wurde
er in die Datei islamistischer Gefährder aufgenommen. Zivilfahnder
nahmen ihn im Dezember 2017 an der Warschauer Brücke fest, dem gleichen
Ort, an dem auch der Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri Drogen
verkauft hatte. Obwohl die Polizisten nach der Überprüfung schnell
wussten, dass es sich um einen Straftäter, Gefährder und abgelehnten
Asylbewerber handelte, und obwohl zu diesem Zeitpunkt schon tunesische
Passersatzpapiere für ihn vorlagen, ließen sie ihn wieder laufen. Erst
am 26. Januar 2018 fasste das Amtsgericht Tiergarten auch wegen des
öffentlichem Drucks durch den Berliner CDU-Parlamentarier Burkhard
Dregger den Beschluss – allerdings in Abwesenheit von Fathi – den
Tunesier bei nächster Gelegenheit in Abschiebehaft zu nehmen. Den Antrag
dazu stellte eine sächsische Behörde, da der Asylbetrüger dort zuletzt
gemeldet war. Nach Feststellung des Gerichts (der Beschluss liegt
Publico vor) hatte Fathi europaweit 18 Identitäten benutzt, davon zwei
in Deutschland. Er war insgesamt 11 Mal straffällig geworden. Schon im
September 2017 versicherte der damalige Bundesinnenminister Thomas de
Maizière, jetzt wüssten die Behörden endlich, wo sich welcher
Asylbewerber aufhalte, Doppelidentitäten wie bei Amri seien nicht mehr
möglich. In der Nacht vom 9. auf den 10. Februar wurde Fathi dann
endlich erneut verhaftet. Ob er tatsächlich mittlerweile außer Landes
gebracht wurde, ist noch nicht klar.
Nach Veröffentlichung der „Erklärung 2018“
gegen die illegale Masseneinwanderung bemühten sich etliche
Journalisten um den Nachweis, diese Illegalität gebe es gar nicht. Der
Blick in die Praxis zeigt: Nach wie vor nutzen die Behörden selbst die
vorhandenen Mittel kaum, um herauszufinden, wer eigentlich ins Land
kommt – und um diejenigen wieder loszuwerden, die sich zu Unrecht in
Deutschland aufhalten.
Zurzeit steht in Berlin der abgelehnte
tschetschenische Asylbewerber Ilyas M. vor dem Landgericht. Er hätte
eigentlich nach einer kriminellen Karriere und einer abgesessenen
Haftstrafe abgeschoben werden müssen, es passierte aber nicht. Am 15.
September 2017 erwürgte er die Kunsthistorikerin Susanne Fontaine im
Tiergarten, nur 300 Meter entfernt vom Hardenbergplatz. Seine Beute:
Zwei Euro und Fontaines Mobiltelefon. (hier mit Dokumentation)
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