Die Attacken auf den ORF werden schärfer – immer unverblümter kritisiert
die Regierungspartei FPÖ den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Zu teuer
und zu parteiisch“, lautet der Vorwurf. „Viele Leute sagen, dem ORF
glaubt man ja nicht mal mehr die Uhrzeit“, polemisierte Parteichef und
Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache zuletzt bei seiner
Aschermittwochs-Rede - und eröffnete damit weitere Diskussionen zur
Zukunft gebührenfinanzierter Medien. Ist der ORF zu parteiisch? Der
Apparat zu teuer? Machen sie die Bürger klüger? Und die Demokratie
besser?
Gespannt blicken die ORF-Kritiker in die Schweiz, wo die
Bürger am kommenden Sonntag zur „No Billag“-Volksabstimmung aufgerufen
sind. Aktuelle Umfragen sehen die Befürworter des Schweizer Rundfunks
klar vorne, eine Mehrheit der Befragten spricht sich aber für
Sparmaßnahmen aus. Sollten wir in Österreich auch über den ORF und die
GIS-Gebühren abstimmen lassen? Wie sähe bei einem Wegfall der Gebühren
eine alternative Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien aus?
Sind ORF, SRF, ARD und Co. ohnehin ein Anachronismus der Nachkriegszeit,
als es noch keine privaten TV- und Radio-Stationen gab? Wäre ihr
Wegfall wirklich ein Anschlag auf die Demokratie? Oder sind ORF und Co.
ihrerseits durch ihre politische Abhängigkeit selbst ein Problem für
eine funktionierende Demokratie?
Gäste:
Gernot Blümel, Medienminister, ÖVP
Alexander Wrabetz, ORF-Generaldirektor
Werner Reichel, Publizist („ORF-Watch“)
Norbert Bolz, Medienwissenschaftler
Olivier Kessler, Initiatior der Schweizer „No-Billag-Abstimmung“
Eine sehenswerte Diskussion im Hangar 7, besonders auch dank Norbert Bolz, der die Situation In Deutschland wie immer stichhaltig beschreibt. Aber auch dank Gernot Blümel, der ein überaus kluger Medienexperte ist, der sehr sorgfältig über die Möglichkeit, Qualität mit Breitenwirkung zu verbinden, nachgedacht hat.
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Stellen Sie sich vor, in Ihrem Ort gäbe es mehrere Bäcker. Einer von
ihnen beliefert jeden Morgen alle Haushalte mit frischen Brötchen – auch
wenn sie gar nicht bestellt wurden. Der eine nimmt es hin, weil sie ihm
schmecken, der andere macht die Tüte erst gar nicht auf und wirft das
Brot in den Müll.
Wieder ein anderer ißt ab und zu Brötchen zum Frühstück, sein Nachbar
mag lieber Joghurt und Müsli. Die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner
sind so vielfältig wie ihre Berufe. Ihnen allen gemein ist aber eines:
Wenn Sie am Ende des Monats nicht die Rechnung für die nichtbestellten
Brötchen begleichen, treibt der Bäcker die ausstehende Summe notfalls
mit Hilfe der Polizei und Justiz ein.
Eine kleine Gruppe von Schweizer Bürgern findet so ein System
ungerecht und startet deshalb 2014 eine Unterschriftensammlung für die
sogenannte No-Billag-Initiative. In der Schweiz heißen Rundfunkgebühren
Billag. Und mit dem Bäcker ist die SRG gemeint, die Schweizerische
Radio- und Fernsehgesellschaft. Am Sonntag dürfen die Schweizer darüber
abstimmen, ob sie weiterhin mehrere hundert Franken im Jahr für die
öffentlich-rechtlichen Sender überweisen müssen – oder nicht.
Junge Leute sind für Abschaffung der Gebühren
Mit großer Wahrscheinlichkeit fällt die Initiative durch. Interessant
ist aber: Neben den Anhängern der liberal-konservativen Schweizerischen
Volkspartei findet die No-Billag-Initiative in Umfragen vor allem unter
jungen Stimmbürgern eine Mehrheit. Klar, in Zeiten von Netflix und
anderen Streamingdiensten aller Art wird das Gebührenmodell als
altbacken und verstärkt als das empfunden, was es ist: Zwang. Der
Fernsehkonsument von heute will sein Programm frei und selber
zusammenstellen.
Nicht nur in der Schweiz, wo die zunächst belächelte
Kleinst-Initiative schon seit Wochen das Medienthema Nummer eins ist,
stehen die Staatsfunker unter Beschuß. Auch im Nachbarland Österreich,
wo die öffentlich-rechtlichen Sender des ORF schon seit Jahren als
„Rotfunk“ verschrien sind, gewinnen jene Stimmen immer mehr Gewicht, die
eine Abschaffung des Zwangsgebühren-Modells fordern.
„Sie finanzieren ja auch die Staatsoper“
Der stellvertretende Chefredakteur der Fernsehnachrichten und
österreichische „Starmoderator“ Armin Wolf sah sich gezwungen, auf eine
häufige und immer öfter gestellte Frage zum ORF einzugehen. Warum soll
ich zahlen, ich schaue nie ORF? Mit seiner Antwort bestätigt er allerdings seine Kritiker.
Wolfs verquere Begründung: „Selbst wenn es Menschen gibt, die niemals
ORF konsumieren: Die allermeisten Österreicher gehen nie in ihrem Leben
in die Staatsoper oder ins Burgtheater. Und trotzdem finanzieren sie
beides über ihre Steuern mit.“
In Österreich ist die Steuer- und Abgabenlast ähnlich hoch wie in
Deutschland: nämlich erdrückend. Warum dem ORF-Mann kein besseres
Argument auf die Frage eingefallen ist? Weil es keines gibt. Gerade in
Zeiten, in denen sich das Berufs- und Alltagsleben der meisten Menschen
durch die Digitalisierung völlig neu gestaltet, ist es schwierig,
jemandem zu vermitteln, daß er für ein Produkt zahlen muß, das er weder
will, braucht noch nutzt.
Einsparungspotential wäre vorhanden
Um eines klarzustellen: Es geht nicht um die Abschaffung der Sender,
die, so sie eine vorhandene Nachfrage mit einem qualitativ hochwertigen
und preislich angemessenen Angebot bedienen, auf dem Markt Bestand haben
werden. Es geht um ein System, das auf Zwang basiert.
Und in Deutschland? Dort backt der öffentlich-rechtliche Bäcker die
dicksten Brötchen. ARD und ZDF bilden den weltweit größten
öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Jährlich verschlingt er acht Milliarden
Euro. Das ist fast doppelt soviel wie der Haushalt des Saarlands. Und
die Gebühren von 17,50 Euro pro Monat und Haushalt sollen ab 2021 sogar
noch steigen. Braucht Deutschland wirklich über 100
öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender?
Vorige Woche hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs
der Rundfunkanstalten (KEF) ihren Bericht vorgestellt, wonach ARD, ZDF
und Deutschlandradio die laufende Beitragsperiode bis 2020 mit einem Überschuß von 544,5 Millionen Euro abschließen würden. Einsparungspotential wäre vorhanden.
Verfilzung von Politik und Öffentlich-Rechtlichen
Doch die aufgeblähte Struktur und ihre Zwangsfinanzierung sind nicht
die einzigen kontroversen Punkte. Ein weiterer ist die Verfilzung von
Politik und öffentlich-rechtlichen Medien und die daraus resultierende
teilweise tendenziöse Berichterstattung, die, egal ob bei der SRG, beim
ORF oder bei ARD und ZDF, wenn, dann immer eher links ist.
Da überrascht es auch nicht, wenn Rheinland-Pfalz als erstes
Bundesland schon einmal vorsichtig anbietet, sich für eine Erhöhung der
Rundfunkgebühren einzusetzen. Denn dessen Ministerpräsidentin Malu
Dreyer (SPD) ist gleichzeitig auch Vorsitzende im ZDF-Verwaltungsrat.
Der Geschäftsführer der ARD ist seit 1. Januar 2018 Ulrich Wilhelm, der
ehemalige Sprecher der Bundesregierung für das Kabinett Merkel I und II.
Ein weiteres Beispiel ist der Fall Marc Jan Eumann.
Der SPD-Politiker schaffte es nur wegen des richtigen Parteibuchs auf
den Posten des Direktors der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt.
Die Findungskommission hatte einen Gegenkandidaten erst gar nicht
zugelassen.
Der Grundversorgungsauftrag hat sich erübrigt
Diese politisch-medialen Verstrickungen führen dann zu Sendungen wie
dem TV-Duell zwischen Kanzlerin Merkel und ihrem Herausforderer Martin
Schulz vor der Bundestagswahl im vergangenen September, bei dem zwar
vier Journalisten physisch anwesend waren, der Zuschauer das aber
höchstens bei einem merkte, und der kam vom Privatfernsehen.
Auch der Grundversorgungsauftrag und die Sicherung der
Meinungsvielfalt durch die Öffentlich-Rechtlichen haben sich
mittlerweile erübrigt. Getrübt von den Auflagenverlusten ihrer
Print-Produkte erreichen private Medien heute mehr Nutzer denn je. Und
das mit Texten, Videos oder Podcasts. Weil die Privaten der Konkurrenz
auf dem Markt ausgesetzt sind, werden sie auch ständig gezwungen, besser
zu werden, so sie überleben wollen. Öffentlich-rechtliche Sender müssen
dies nicht.
Ein bißchen Rest-Akzeptanz erhalten
Noch ist sie in der Minderheit. Die Gruppe derer, die mit der
Freiheit des Internets groß geworden ist und mit starren Strukturen
öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten nichts anzufangen weiß, nichts
anfangen will. Die Intendanten und Geschäftsführer sollten schleunigst
beginnen, kleinere Brötchen zu backen, wenn sie künftig noch ein bißchen
Rest-Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten wollen.
Und nicht wie ein Armin Wolf den Gebührenzahlern frech ins Gesicht
erzählen: „Stimmt, ich bekomme mein Gehalt im ORF – großteils aus Ihren
Gebühren (vielen Dank!).“ Als Staatsbürger sei es ihm das wert. Zum
Glück bestimmen öffentlich-rechtliche Journalisten nicht, welches Medium
dem einzelnen Bürger sein Geld wert ist. Oder doch?
Lukas Steinwandter
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