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Donnerstag, 4. November 2021

Gefangen im Netz einer politisch gelenkten Justiz

Der slowenische Ministerpräsident Janez Janša wurde jahrelang von roten Richtern und Staatsanwälten verfolgt. Er landete deshalb sogar im Gefängnis.

 
Vor dreißig Jahren bekam es die Tschechoslowakei zum ersten Mal nach dem Sturz des kommunistischen Regimes mit internationaler Kritik zu tun. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) warf dem tschecho-slowakischen Parlament vor, gegen das Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz zu verstoßen.
Stein des Anstoßes war die sogenannte „Lustration“ (Reinigung) durch ein Gesetz, das im Oktober 1991 in Kraft trat. Es schloss ehemalige Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes StB sowie Mitglieder der kommunistischen Partei ab der Bezirksebene automatisch von leitenden Funktionen aus. Das Verbot betraf rund 9000 Posten im öffentlichen Dienst, im Militär und in den Sicherheitsdiensten, in staatlichen Unternehmen und Medien, in den Hochschulen und in der Justiz.
Prag ließ sich von der Kritik nicht beirren und behielt das Gesetz nach der Trennung von der Slowakei bei. Die Tschechen handelten rascher, strenger und konsequenter als ihre Nachbarn: Ungarn setzte drei Jahre später, Polen überhaupt erst 1997 einschlägige Gesetze durch. Eine effektive Lustration fand in den beiden Ländern nicht statt. Ein Ergebnis davon war, dass der Elitenwechsel auch in der Justiz in Ansätzen stecken blieb. Die Radikalität der Tschechen hatte ihren Grund hauptsächlich darin, dass das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei wesentlich härter gewesen war als in Ungarn und in Polen.
Als die Tschechische Republik der EU beitrat, gab es nur noch sehr wenige Richter und Staatsanwälte, die dem kommunistischen Regime gedient hatten. Weitere Säuberungsmaßnahmen waren nicht mehr nötig gewesen. Ein Folge davon ist, dass die Tschechische Republik heute nicht wegen mangelnden Respekts vor der Unabhängigkeit der Justiz am Pranger der EU steht. 
In den 15 Jahren, die sie im Wartesaal der EU verbrachten, haben die Tschechen aus eigenen Stücken und ohne Einmischungen von außen alle Maßnahmen setzen können, die sie für nötig hielten, um den kommunistischen Sumpf trockenzulegen. Nur in der Tschechischen Republik erreichte die Entbolschewisierung des Staatsapparats ein Ausmaß, das dem der Entnazifierung in Deutschland und Österreich nahe kommt. 
 
In Slowenien gab es, wie in allen ex-jugoslawischen Republiken, keine Lustration und keinen durchgreifenden Elitenwechsel. Die alten Seilschaften dominieren nicht nur in Politik und Wirtschaft, sondern auch in der Justiz.
Der konservative Ministerpräsident Janez Janša ist ein Opfer ihrer Machenschaften. 1988 war er als Journalist von einem Militärgericht wegen „Hochverrats“ zu 18 Monaten verurteilt worden, weil er es gewagt hatte, Kritik an der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) zu äußern. Zum zweiten Mal landete er 2014 als Politiker im Gefängnis, drei Wochen vor einer Parlamentswahl.
Gestützt auf Beschuldigungen, für die es keine Beweise gab, hatten politisch inspirierte Staatsanwälte und Richter ein Monsterverfahren gegen ihn inszeniert, das sich über rechtsstaatliche Grundsätze hinwegsetzte. Die Richter befanden ihn schuldig, „zu einem unbestimmten Zeitpunkt, an einem unbestimmten Ort und mittels einer unbestimmten Kommunikationsmethode“ das Angebot einer Schmiergeldzahlung in unbekannter Höhe angenommen zu haben, das ihm ein finnischer Rüstungskonzern für die Lieferung von Panzerfahrzeugen unterbreitet habe.
Von linken Medien wurde die Affäre am Köcheln gehalten. Am Ende saß Janša sechs Monate lang im Gefängnis. Die roten Seilschaften setzten sich in den Instanzen durch bis zum Obersten Gerichtshof. Dessen Präsident, der ehemalige Kommunist Branko Masleša, hatte Janša noch vor dem Berufungsverfahren, an dem er selbst als Richter beteiligt war, öffentlich für schuldig erklärt. Im Juni 2015 hob der Verfassungsgerichtshof das Urteil auf. Als Ministerpräsident muss sich Janša jetzt anhören, er untergrabe die Unabhängigkeit der Justiz.   Karl-Peter Schwarz in "Die Presse"

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