Stationen

Dienstag, 6. Februar 2018

220 Lehrstühle

Das Haus war wieder voll. Einige Dutzend Gäste mußten im Vorfeld sogar abgewiesen werden. Das ist bei den Veranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mainz keine Seltenheit. Sie sind immer gut besucht, jedenfalls besser als überall sonst in Deutschland. An Mainz liegt es nicht, so schön die Stadt auch sein mag. Es liegt an den Themen, die der Chef der KAS in Rheinland-Pfalz, Karl-Heinz van Lier, anbietet.

Er ist einer der ganz wenigen, der die Fahne der normalen Familie von Vater-Mutter-Kind hochhält und sich deshalb oft Kritik von seinen Oberen anhören muß. So auch diesmal beim Thema: „Gender – Instrument der Umerziehung? Ziele, Kosten, Wirkung“. Wie bei diesem Thema üblich, wurde schon im Vorfeld Druck ausgeübt. Die Schwulen-Lesben-Bi-und Transsexuellengruppen hatten ihre publizistischen Hilfstruppen mobilisiert, eine Demo angekündigt und C-Politiker in Berlin nervös gemacht.
Aber vor dem Tagungsgebäude standen gerade mal zwei Demonstranten ziemlich hilflos herum. Auch auf dem nahen Guttenberg-Platz waren es nicht mehr als ein gutes Dutzend mit zwei Regenbogenfahnen. Sie fielen neben einer Karnevalstruppe, die sich auf demselben Platz formierte, nicht weiter auf, zumal zwei von ihnen sich auch noch eine Pappnase aufgesetzt hatten.
An den Universität herrscht ein Mißverhältnis der Fördermittel
Also kein Lärm um nichts? Nicht ganz. Denn der Inhalt der vier Vorträge des halbtägigen Symposiums hatte es in sich. Der langjährige Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, ging der Frage nach: „Gender-Mainstreaming – was hat das mit Pädagogik zu tun?“ Nachdem er Gender als soziales Geschlecht im Gegensatz zum biologischen beschrieben und das Mißverhältnis der Mittel – es gibt etwa 120 Lehrstühle für Alte Sprachen, aber 220 für Genderforschung – dargestellt hatte, analysierte er die politischen Aktivitäten dieser Ideologie in einigen Bundesländern und hob ein Gutachten des Göttinger Professors Winterhoff hervor. Aus diesem Gutachten geht eindeutig hervor, daß es sich um Indoktrination handelt und daß die Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf Befreiung ihrer Kinder von dieser Indoktrination in den Schulen haben.

Die Religionsphilosophin und Sprachwissenschaftlerin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ging der Ideologie auf den Grund und legte ihre Wurzeln bloß, indem sie die Forderungen der Gender-Aktivisten mit den natürlichen Gegebenheiten verglich. Es gebe keine geschlechtlich neutrale Person und die Kulturen aller Völker, auch der deutschen, hätten immer den „verlockenden Unterschied“ in ihren Mythen und Sagen besungen. Es gehe bei dieser Thematik um Identität, Selbstbewußtsein und Menschsein. Der Konstruktivismus, der der Gender-Ideologie zugrunde liege, komme an der Leiblichkeit des Menschen nicht vorbei.
Grundlage der Identität bleibt der Leib
Auch die Ikone des Gender-Mainstreaming, die amerikanische Soziologin Judith Butler, denke zu kurz und weiche den wirklichen Fragen nach Identität und Freiheit aus. Sie behaupte in der Tradition von Sartre, daß es nur Kultur und keine Natur gebe. Aber die „Kultur braucht die Natur, um überhaupt zu kultivieren“. Auch schweige Butler, wenn gesagt werde, daß eine neue kulturelle Identität, ein Konstrukt auch dekonstruiert werden könne. Wenn sie sage, die Homosexualität sei eine Kopie der Heterosexualität, die Heterosexualität wiederum aber auch eine Kopie, dann bleibe sie die Frage schuldig, was denn das Original ist, wovon die Heterosexualität eine Kopie sein soll.

Die Grundlage für Natur, Kultur, Identität bleibe der Leib, das „lockende Anderssein“, so Gerl-Falkovitz. Die Diskussion um Gender sei „unterkomplex“, sie werde der „Komplexität der Wirklichkeit nicht gerecht“.
Auch der Gymnasiallehrer und prämierte Buchautor Thomas Kubelik belegte sprachwissenschaftlich, was Evolutionsbiologen und Philosophen bereits bewiesen haben: Die Gendertheorie halte einer wissenschaftlichen Prüfung nicht stand. Über die Sprache solle das Bewußtsein geändert werden, das sei das klassische Vorgehen totalitärer Ideologien.
Die gegenderte Sprech-und Schreibweise aber verhunze nicht nur „unsere schöne deutsche Sprache“, sondern überfordere auch die Kinder, vor allem die mit nichtdeutscher Muttersprache.
Kubelik empfahl die Zukunftsromane von Orwell oder Huxley nachzulesen und verwies auf Frankreich und andere Länder, in denen diese totalitäre Theorie und ihre Sprachmanipulation nach und nach demaskiert werden. Nur Deutschland halte eisern an dem „Revival der 68er gegen Ehe und Familie“ (Josef Kraus) und an alten Klischees der Emanzipation fest.
Europarat stuft Begriff „Mutter“ als sexistisch ein
Die Gender-Theorie hinkt, wenn man den Ausführungen des Symposiums folgt, hilflos der wissenschaftlichen Diskussion hinterher. Auch die familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Mainzer Landtag, Simone Huth-Haage, konstatierte: Vor 15 Jahren sei es bei Gender noch um Gleichstellung und Gleichberechtigung gegangen, heute gehe es nur noch um das Geschlecht als soziales Konstrukt. Mutterschaft würde als Wettbewerbsnachteil gesehen, „Mutter“ sei nach einem Bericht des Europarats von 2010 ein „sexistischer Begriff“.

Frauen sollen demnach nicht durch Kinder an der Ausübung eines Erwerbsberufs gehindert werden. Huth-Haage verwahrte sich gegen diese Abwertung und die Behauptung, hier gehe es nur gegen das Patriarchat. Gerl-Falkovitz unterstützte ihre Argumentation: „Es gibt schon lange kein Patriarchat mehr in Europa“. Das werde allein beim Blick über die Grenzen in Nachbarregionen sichtbar, wo es noch ein Patriarchat gebe. Im fortschrittlichen Norwegen seien 90 Prozent der Krankenpflegeberufe weiblich besetzt, in Europa wollten Frauen in Pflege-und Fürsorgeberufe, „weil sie es gern tun. Wir sollten Frauen tun lassen, was sie gern täten“.

Genau das wollen jene in Politik und Stiftung, die Bedenken gegen das Symposium erhoben, offenbar nicht akzeptieren. Ähnlich die 15 Demonstranten auf dem Guttenberg-Platz und die Medien, die die Veranstaltung verurteilten, bevor sie überhaupt stattfand und bevor sie die Argumente wahrnahmen.  Liminski

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