Stationen

Samstag, 24. Februar 2018

Kruzitürken

Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio hatte gestern den für Bundestagsverhältnisse ungewöhnlich subtilen Antrag gestellt, das Parlament möge selbstverständlich die Befreiung des Journalisten Deniz Yüzel aus dem türkischen Knast gutheißen, aber parallel dazu deutlich aussprechen, dass dieser zu einem noch nicht öffentlich gemachten Preis erfolgte Freikauf als Verteidigung der Meinungsfreiheit und keineswegs als Gutheißung der deutschen- und bisweilen sogar menschenfeindlichen Kommentare des zuletzt für die Welt geifernden Deutschtürken zu verstehen sei, auf dass diese Verteidigung seiner Rechte nicht mit jener seiner Positionen verwechselt werde. Um ein Gedankenexperiment einzuschalten: Man male sich den analogen Vorgang mit Akif Pirincci anstelle von Yüzel aus (wenn sie den überhaupt je ausgelöst hätten); in diesem Fall hätte man doch von jedem Redner der Etablierten sofort gehört, diese Aktion gelte nicht der Gutheißung von Pirinccis Positionen.
Sagte ich "subtil"? Nun, was heißt subtil, es ist erstes Semester Diplomatie, aber in einem smarten Gesinnungsstaat, wo sich eine von nahezu sämtlichen Medien unterstützte Allparteienkoalition gegen einen neuen Mitbewerber verbündet hat – Tagesspiegel: "Bundestag wehrt AfD-Angriff auf Deniz Yüzel ab" –, löst ein solcher Vorschlag autoritäre Beißreflexe aus, die sich nach den hier täglich auszuhandelnden Bedingungen einstweilen noch mit den beliebten menschenfreundlichen Phrasen à la "Wir verteidigen die Demokratie/die Meinungsfreiheit gegen ihre Feinde" drapieren müssen, aber das gewalttätige Bodenpersonal der Humanität ist ja bei jeder AfD-Veranstaltung unterwegs.
Also, Freunde, Autokraten und Ähnlichäugige: Wer nach diesen Bildern aus dem Parlament, wer angesichts dieser hasserfüllt brodelnden Sportpalaststimmung links der Teufelsbrüder nicht begriffen hat, wer hier Meuten bildet, wer hier hetzt, wer hier gerne verbieten und verfolgen lassen würde, von wem hier die Bedrohung der Freiheit ausgeht, der gewinnt eine Traumreise mit H. Maas und Claudi R. an Bord der "Habermas" zu den Teufelsinseln.


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Ein Wort in diesem Zusammenhang zu Cem Özdemir. Ich habe mich bereits zu denjenigen geäußert, die beim Politischen Aschermittwoch in Poggenburgien und Höckistan bei der Nennung seines Namens "Abschieben! Abschieben!" skandiert haben und will das passende Wort gern wiederholen: Gesindel. Dass unser grüner Schwabe diese Steilvorlage weidlich ausgenutzt hat, sei ihm unbenommen. Ansonsten hat der Bub natürlich schwer einen an der Waffel – resp., um es etwas angemessener zu formulieren: Da ist der kleine grüne Nazi mal gewaltig mit ihm durchgegangen. Was Özdemir unter Berufung auf nicht im Saal Anwesende den AfD-Bundestagabgeordneten zu unterstellen geruhte, nämlich dass sie "Rassisten" und Kandidaten für "Neonazi"-Aussteigerprogramme seien, das zeigt, wie perfekt eingedeutscht der Herr Özdemir ist (ich meine in jenes kranke Deutschland seit ca. 1918 ff.), welch kern- und knalldeutsche Denunziationskompetenzen er bei seiner Integration erworben hat.
Am Rande: Özdemir rief in Richtung AfD-Fraktion, dass dort diejenigen säßen, die Deutschland hassten, zumindest jenes Deutschland, für das der Herr Özdemir und seine grünen Mitpatrioten stünden. Und was fiel ihm als preiswürdiger Kernbestandteil dieses grünen Deutschlands ein? "Unsere Erinnerungskultur, um die uns die ganze Welt beneidet." Das sind zwei Märchen in einem Halbsatz. Zum einen gibt es keine deutsche Erinnerungskultur, sondern lediglich einen auf zwölf Jahre beschränkten Erinnerungstotemismus, Erinnerungsexorzismus, Erinnerungshexensabbat. Und um diesen herum eine komplette Erinnerungsamnesie, um nicht zu sagen: Erinnerungsdemenz. Ein kultureller Filmriss. Zum anderen gibt es nirgendwo auf der Erde ein Land, das uns um diese kollektive Neurose beneidet, warum auch? MK am 23. 2. 2018

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