Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio hatte gestern den für
Bundestagsverhältnisse ungewöhnlich subtilen Antrag gestellt, das
Parlament möge selbstverständlich die Befreiung des Journalisten Deniz
Yüzel aus dem türkischen Knast gutheißen, aber parallel dazu deutlich
aussprechen, dass dieser zu einem noch nicht öffentlich gemachten Preis
erfolgte Freikauf als Verteidigung der Meinungsfreiheit und keineswegs
als Gutheißung der deutschen- und bisweilen sogar menschenfeindlichen
Kommentare des zuletzt für die Welt geifernden Deutschtürken zu
verstehen sei, auf dass diese Verteidigung seiner Rechte nicht mit
jener seiner Positionen verwechselt werde. Um ein Gedankenexperiment
einzuschalten: Man male sich den analogen Vorgang mit Akif Pirincci
anstelle von Yüzel aus (wenn sie den überhaupt je ausgelöst hätten); in
diesem Fall hätte man doch von jedem Redner der Etablierten sofort
gehört, diese Aktion gelte nicht der Gutheißung von Pirinccis
Positionen.
Sagte ich "subtil"? Nun, was heißt subtil, es ist
erstes Semester Diplomatie, aber in einem smarten Gesinnungsstaat, wo
sich eine von nahezu sämtlichen Medien unterstützte Allparteienkoalition
gegen einen neuen Mitbewerber verbündet hat – Tagesspiegel:
"Bundestag wehrt AfD-Angriff auf Deniz Yüzel ab" –, löst ein solcher
Vorschlag autoritäre Beißreflexe aus, die sich nach den hier täglich
auszuhandelnden Bedingungen einstweilen noch mit den beliebten
menschenfreundlichen Phrasen à la "Wir verteidigen die Demokratie/die
Meinungsfreiheit gegen ihre Feinde" drapieren müssen, aber das
gewalttätige Bodenpersonal der Humanität ist ja bei jeder
AfD-Veranstaltung unterwegs.
Also, Freunde, Autokraten und
Ähnlichäugige: Wer nach diesen Bildern aus dem Parlament, wer angesichts
dieser hasserfüllt brodelnden Sportpalaststimmung links der
Teufelsbrüder nicht begriffen hat, wer hier Meuten bildet, wer hier
hetzt, wer hier gerne verbieten und verfolgen lassen würde, von wem hier
die Bedrohung der Freiheit ausgeht, der gewinnt eine Traumreise mit H.
Maas und Claudi R. an Bord der "Habermas" zu den Teufelsinseln.
***
Ein
Wort in diesem Zusammenhang zu Cem Özdemir. Ich habe mich bereits zu
denjenigen geäußert, die beim Politischen Aschermittwoch in
Poggenburgien und Höckistan bei der Nennung seines Namens "Abschieben!
Abschieben!" skandiert haben und will das passende Wort gern
wiederholen: Gesindel. Dass unser grüner Schwabe diese Steilvorlage
weidlich ausgenutzt hat, sei ihm unbenommen. Ansonsten hat der Bub
natürlich schwer einen an der Waffel – resp., um es etwas angemessener
zu formulieren: Da ist der kleine grüne Nazi mal gewaltig mit ihm
durchgegangen. Was Özdemir unter Berufung auf nicht im Saal Anwesende
den AfD-Bundestagabgeordneten zu unterstellen geruhte, nämlich dass sie
"Rassisten" und Kandidaten für "Neonazi"-Aussteigerprogramme seien, das
zeigt, wie perfekt eingedeutscht der Herr Özdemir ist (ich meine in
jenes kranke Deutschland seit ca. 1918 ff.), welch kern- und
knalldeutsche Denunziationskompetenzen er bei seiner Integration
erworben hat.
Am Rande: Özdemir rief in Richtung AfD-Fraktion,
dass dort diejenigen säßen, die Deutschland hassten, zumindest jenes
Deutschland, für das der Herr Özdemir und seine grünen Mitpatrioten
stünden. Und was fiel ihm als preiswürdiger Kernbestandteil dieses
grünen Deutschlands ein? "Unsere Erinnerungskultur, um die uns die ganze
Welt beneidet." Das sind zwei Märchen in einem Halbsatz. Zum einen gibt
es keine deutsche Erinnerungskultur, sondern lediglich einen auf zwölf
Jahre beschränkten Erinnerungstotemismus, Erinnerungsexorzismus,
Erinnerungshexensabbat. Und um diesen herum eine komplette
Erinnerungsamnesie, um nicht zu sagen: Erinnerungsdemenz. Ein
kultureller Filmriss. Zum anderen gibt es nirgendwo auf der Erde ein
Land, das uns um diese kollektive Neurose beneidet, warum auch? MK am 23. 2. 2018
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