Martin Sellner von der Identitären Bewegung hat kürzlich die Möglichkeiten politischen Handelns reflektiert, die uns in Zeiten demographischer Schwäche bleiben. Eine Jugendrevolte oder auch nur eine autochthone Jugendkultur, die sich gegen die Politik wendet, würde es nicht geben.
Mangels Masse sei es unmöglich, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. „Sie bleibt auch aus, wenn eine kleine Gruppe an Kaderaktivisten auf einem Hausdach ein Banner hißt.“ Von einem Mann, der die „C-Star“-Aktion im Mittelmeer organisiert und das Dach des Wiener Burgtheaters erklettert hat, um von oben Flugblätter abzuwerfen, ist das ein deprimierendes Fazit.
Doch resignieren will er nicht. Aufgabe müsse es sein, metapolitisch zu arbeiten. Er schlägt dazu eine taktische Wendung vor. Die Rechte solle den Verfassungspatriotismus als die geistig- moralische Grundlage des Staates nicht länger anzweifeln oder bekämpfen, sondern beim Wort nehmen: „Die scheinbar inklusive Idee des europäischen Verfassungspatriotismus erweist sich, wenn sie Ernst macht und echte Bekenntnisse und Assimilation fordert, ähnlich exklusiv wie bisherige die Identitätspolitik.“
Ein politischer Hebel steht nun zur Verfügung
Zweitens sieht er die physische Schwäche der Europäer durch ihre technische Überlegenheit, durch die „Hochtechnologie der Moderne“, mehr als kompensiert.
„Alle technischen und logistischen Werkzeuge zur Schließung der Grenzen, Zerschlagung der islamistischen und mafiösen Machtstrukturen und zur Remigration stehen bereit. Sie werden wohl noch einige Jahrzehnte lang einsatzfähig bleiben, da die Automatisierung immer weniger Männer zu ihrer Bedienung erfordert. Der Staat, auch in seiner liberalistischen Version und als Geisel einer selbstzerstörerischen Ideologie hat eine inhärente Tendenz der Selbsterhaltung, die nur freigesetzt werden müßte.“Das Konzept der Metapolitik ist nicht neu. Wer gegen die „selbstzerstörerischen Ideologie“ aktiv werden wollte, dem blieb wenig mehr als der Versuch, durch Artikel, Bücher, Posts, mit Tagungen oder spektakulären Störaktionen alternative Sichtweisen, Erklärungsmuster und unterdrückte Informationen zu lancieren. Über die Jahre ist einiges erreicht worden, das rotgrüne Deutungsmonpol ist gebrochen. Ein politischer Hebel steht erst seit den Wahlerfolgen der AfD zur Verfügung; wie belastbar er ist, muß sich noch erweisen.
Die Idee, den Gegner mit den eigenen ideologischen Waffen zu schlagen, ist auf den ersten Blick bestechend. Am Ende jedoch ist entscheidend, wer die Definitionsmacht über den Verfassungspatriotismus besitzt. Sogar der Import orientalischer Vielweiberei kann als ein sich aus dem Familienschutz ergebendes, verfassungspatriotisches Gebot gedeutet werden. Mit der Berufung auf die „Würde des Menschen“ wird schon heute nahezu jeder Unsinn begründet beziehungsweise entschuldigt.
Metapolitik braucht Zeit
Das Machtargument relativiert auch den zweiten Punkt. Die Gegenseite weiß ebenfalls, daß die Verfügungsgewalt über die technischen Möglichkeiten entscheidend ist und wird es zu verhindern wissen, daß man sie ihr aus der Hand nimmt. Die Gegenseite, das sind auch multinationale Strukturen wie die Nato; das ist das internationale, darunter arabische Kapital, das in der Forschung und Produktion der Hochtechnologie steckt. Außerdem werden Bundeswehr und die Polizei zunehmend multiethnisch umgerüstet. Und die inhärente Tendenz des Staates zum Selbsterhalt verwirklicht sich gerade auf Kosten des eigentlichen Staatsvolks.
Tatsächlich ist hier die Metapolitik gefragt, doch die braucht Zeit, viel Zeit, in der neue, irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Demographie schlägt sich ja nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ, geistig, in der schwindenden Flexibilität der Menschen nieder, einmal gefaßte Ansichten zu ändern und den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Um die geistige Ausgangslage zu erläutern: Sie schlägt sich beispielhaft in drei Texten nieder, die ein wortgewandter Autor auf der Achse des Guten veröffentlicht hat. Sein Name tut nichts zur Sache, denn es geht allein um das idealtypische Beispiel, das er gibt.
„Ja, ich mache mir Sorgen“
Er ist Vater einer 19jährigen Tochter. Seit drei Jahren macht er sich Sorgen, wenn sie allein oder mit Freundinnen ausgeht oder in deutsche Großstädte fährt. Er glaubt nicht mehr, daß der Staat sie und ihre Freundinnen schützen kann. „Ich habe Angst um sie“, schreibt er. „Wir haben ihr nicht abends vorgelesen und ihr die Matheaufgaben erklärt, damit irgendein Arschloch aus irgendeinem seltsamen Land an ihr herumfingert, weil sie für ihn eine ‚ungläubige Schlampe‘ und ‚ohne Wert‘ ist. Und ich vertraue auch nicht darauf, daß ihr jemand in einer Notlage hilft. Sie ist ja ’nur‘ eine ‚Deutsche‘.“
Der Sohn sei schon von Russen verprügelt worden. Er habe sich nicht gewehrt, Widerstand sei zwecklos. „Und unsere Kinder sind auch nicht für und in Gewalt erzogen worden. Das macht sie, bei gleichzeitigem Staatsversagen, zu perfekten Zielscheiben aller ‚Neu-Hinzukommenden‘.“
Über deren Charakter hegt er keinerlei Illusionen: „Sie hassen mich und das Land, das ihnen die Hand gereicht hat, als es ihnen wirklich dreckig ging. (…) Und ich werde älter und alt und frage mich, woher ich bezahlbaren Wohnraum nehmen soll, in dem ich nicht unter Gefahr für Leib und Leben wenigstens hause. Ja, ich mache mir Sorgen.“
Zurückrudern
Es ist ein ernster, bewegender Text über den ursächlichen Zusammenhang von persönlicher Not und Staatsversagen. Ihn zu verfassen und mit Namen und Adresse zu veröffentlichen, das ist eine bemerkenswerte Widerstandsleistung! Um so deprimierender und desillusionierender wirken zwei andere Texte, die derselbe Autor zeitnah an derselben Stelle veröffentlicht hat.
Der eine beschäftigte sich mit dem dämlichen „Halbneger“-Tweet eines AfD-Abgeordneten und kommt zu dem Schluß: „Deswegen sind sie für mich unwählbar. Solche Leute fasse ich ebenso wenig oder so viel an wie Islamisten und Chaoten von der Antifa.“ Kommentatoren haben ihn höflich darauf aufmerksam gemacht, daß er eine ganze Partei wegen der Fehlleistung eines Einzelnen in Haftung nehme und die einzige politische Kraft ausschließe, die seine drängenden Probleme ungeschönt thematisiere. Außerdem sei auffällig, daß solche medial hochgekochten Skandale fast ausschließlich die AfD beträfen.
Unter der Überschrift „Im AfD-Bunker ist es mir zu dunkel“ hat er kurz darauf nachgelegt. Er hat sich beim Tagesspiegel und in der Frankfurter Rundschau kundig gemacht und in Internetforen und Chatrooms, von denen die meisten noch nie etwas gehört haben, „prollige Pöbeleien“ und „rührungstränenfeuchte Visionen aus der historischen Dunkelkammer“ ausgemacht: „Umso schlimmer stinkt es dann auch da, wo AfD’ler quasi unter sich sind.“ Sein Fazit: „Ich hielt die AfD früher mal für eine Art ‚FDP light‘, mittlerweile würde ich sie als hobbyfaschistischen Hähnchenflügel der NPD bezeichnen. Viel Flatterei um nichts.“
Institutionalisierter Wahnsinn
Nachdem er sich einen Schritt über die Linie vorwagte, hat er zwei Schritte zurück gemacht. Fazit: Sogar das Wissen um die existentielle Bedrohung und die Angst um das Kostbarste, das er besitzt, seine Kinder, verleihen ihm nicht die Kraft, sich vom Antifa-Mantra, dem infantilen Über-Ich der Bundesrepublik, zu befreien.
Ein politisch denkender Kopf hätte sich unter anderem die Frage vorgelegt, ob die tatsächlichen oder vermeintlichen „Pöbeleien“ von AfD-Vertretern nicht harm- und folgenlos sind im Vergleich zu allem, was andere Parteien unter Losungen wie: „Wir schaffen das!“, „Refugees welcome!“, „Deutschland ist der größte Profiteur des Euro!“, und unter dem Beifall des Tagesspiegel und der Frankfurter Rundschau anrichten.
Selbst der blödsinnige „Halbneger“-Tweet ist bloß ein schwaches Echo des institutionalisierten Wahnsinns, der sich Tag für Tag über das Land wälzt. Im solchen Verbalradikalismus äußert sich die Verzweiflung über die eigene Machtlosigkeit – ein Gefühl, das der Schreiber mit dem AfD-Twitterer ja durchaus teilt.
Stellt man in Rechnung, daß der Achgut-Autor zu den Klügeren, Hellsichtigeren und Sprachmächtigen unter den Bundesbürgern zählt, bekommt man eine Ahnung, was Vergeblichkeit bedeutet. Auch Metapolitik wird nicht die Wunder bewirken, die nötig wären. So ist die Lage, von der man ausgehen muß. Thorsten Hinz
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