Doch heute hat die Kanzlerin den türkischen Ministerpräsidenten Yildirim
aufgefordert, eine rasche Entscheidung im Fall Yüzel herbeizuführen.
Aus diesem Anlass – und auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich
sogar der Bundespräsident gegen André Poggenburg erklärt hat, weil
diese nicht gerade allerhellste Kerze auf der AfD-Torte in einer
Aschermittwochssuada hier lebende Türken "Kümmelhändler", "Kameltreiber"
und "vaterlandsloses Gesindel" genannt haben soll (es stimmt nicht
ganz, dazu später) – wiederhole ich an dieser Stelle einen Kommentar,
den ich weiland anelegentlich der Inhaftierung des ebenfalls an einer
Art Tourette-Syndrom leidenden Pressbengels andernorts publiziert habe:
Der
Journalist Deniz Yücel ist ein exponierter Vertreter der vom hiesigen
Establishment gehätschelten Version des "Hate Speech". Mit seiner
tadellosen, auf den Prinzipien rotgrüner Rechtschaffenheit fußenden
Allerweltsdeutschenverachtung hat sich der intellektuell eher
schmalschultrige, aber hart an seiner rhetorischen Muskulatur arbeitende
Deutsch-Türke von der altmodischen taz-WG in die trendige Selbsthilfegruppe für betreutes Schreiben bei der Welt
emporgeschuftet. Im kippenden Ökosystem der bundesrepublikanischen
Öffentlichkeit versucht Yücel, die gewaltige Lücke zu schließen, die der
schmerzlich vermisste Maxim Biller hinterließ, dem in den späten
1990ern die Puste für die regelmäßige Teilnahme an den helldeutschen
Hassmeisterschaften ausging.
Yüzel indes belegte 2012 und 2013
trotz erdrückender Konkurrenz vordere Plätze in den Kategorien Sarrazin-
und Papstbeschimpfung. 2011 hatte er bei "Deutschland sucht den
Superhater" erstmals die Endrunde erreicht, indem er in der taz frohlockte:
"Endlich!
Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde
machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich
(so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab!" –
"Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg
gescheitert sind, (...) übernehmen die Deutschen nun also selbst." –
"Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten
Seite." – "Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt
sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in
der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich
aufteilen? (...) Palästinensern, Tuvaluern, Kabylen und anderen
Bedürftigen schenken? (...) Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet
sich allemal."
Das klingt wie Volksverhetzung, ist aber keine,
sondern Satire. Außerdem kann man, wie die Staatsanwaltschaft Hamburg
soeben bestätigte, eine "Köterrasse" überhaupt nicht verhetzen, nicht
einmal beleidigen, gerade als Deutschtürke nicht – zumindest solange sie
die Bevölkerungsmehrheit stellt. Und danach, seien wir ehrlich, ist es
doch völlig unnötig! Hätte Yücel etwas Ähnliches über die Türken
geschrieben, wäre wahrscheinlich sogar in Deutschland ein Staatsanwalt
tätig geworden. Aber hätte, hätte, Dönerkette...
Derzeit sitzt
unser Pissdeutscher – pardon, kleiner Yücel-Scherz – unser Passdeutscher
in einem türkischen Gefängnis und murmelt fünfmal am Tag "Etwas
Besseres als Deutschland findet sich allemal" vor sich hin. Er wurde
inhaftiert, weil er kritisch über Erdoğans Umwandlung des Landes in ein
Sultanat berichtet hat. Nicht ganz so kritisch wie über Sarrazins
Versuch, Deutschlands Selbstabschaffung ohne eine Spur von Begeisterung
zu thematisieren, aber Sarrazin ist ja auch ein schlimmer Finger und der
stolze Türke Erdoğan viel leichter reizbar als ein exkommunizierter
deutscher Sozifunktionär.
Immerhin: Obschon in seiner Aversion
gegen Deutschland so etwas wie ein Ehrenmitglied der AKP, stellte sich
Yücel gegen Erdoğans Janitscharenpolitik und wurde deshalb eingelocht.
Angeblich, weil er sich mit Vertretern des – aus staatstürkischer Sicht –
"Feindes" getroffen hat, der PKK. Außerdem wirft man ihm Verbindungen
zu einer linksextremen türkischen Hackergruppe vor. Der Mann mag
unappetitlich sein, feige ist er offenbar nicht.
Im Fall Yücel
zeigt sich die Problematik der doppelten Staatsbürgerschaft. Eingesperrt
wurde er als türkischer Staatsbürger. Da er den deutschen Pass besitzt,
auch wenn der bei ihm daheim womöglich die meiste Zeit hinterm Klo
liegt, müssen die deutschen Behörden gegen die Verhaftung protestieren,
solange kein triftiger Grund für sie vorliegt. Doch auch als türkischer
Staatsbürger wäre Yücel, gälte Recht, so lange unschuldig, bis seine
Schuld erwiesen ist. Um das zu entscheiden, sind die Gerichte da.
Allerdings ist von türkischen Gerichten unter dem lupenreinen Autokraten
Erdoğan keine unpolitische Rechtsprechung mehr zu erwarten. Insofern
wären die Proteste deutscher Offizieller gegen Yücels Inhaftierung auch
dann vollkommen angebracht, wenn er keinen deutschen Pass besäße.
Vollkommen
unangebracht ist wiederum die aktuelle Häme von rechts gegen den
Journalisten, die darauf hinausläuft, seinen derzeitigen Aufenthaltsort
als angemessen, als eine Art längst fällige Lektion zu empfinden. Wer so
etwas vorträgt, verschafft indirekt auch dem "Kampf gegen rechts" eine
gewisse Legitimation, denn auch der lebt von der unzivilisierten
Grundannahme, es gebe strafwürdige Meinungen. Die Freiheit des Wortes
ist unteilbar. Das Recht gilt auch für unappetitliche Zeitgenossen. Es
gilt auch für Deutschlandhasser. "Hetze" und "Hass" sind keineswegs per
se Straftatbestände, sondern erst, wenn sie Persönlichkeitsrechte
berühren. Nicht Yücel gefährdet die Meinungsfreiheit in Deutschland,
sondern Heiko Maas, Manuela Schwesig und all die anderen Zeloten des
Maulkorbzwangs tun dies.
Was uns zu jener frommen Schar
zivilgesellschaftlich engagierter Landeskinder führt, die sich derzeit
vehement für die Freilassung Yücels einsetzen. Man stelle sich vor, Akif
Pirinçci wäre in der Türkei wegen Hetze gegen den Islam und das
Türkentum eingesperrt worden – ob all diese Guten und Gerechten dann
auch eifrig seine Freiheit forderten? Würden sie nicht vielmehr sagen:
Das hat er nun davon...? Und sich heimlich freuen, daß die Nervensäge
endlich mundtot gemacht wurde?
Das
ändert nichts daran, dass unsere Guten mit ihrer Solidarität für Yücel
richtig liegen. Nur dieses "Je suis Deniz" geht wohl doch zu weit. Der
Zivilisierte soll ohne Wenn und Aber für die Meinungsfreiheit plädieren,
aber er muss sich nicht gleich mit ihren Exkrementen einreiben.
***
Zurück
zu Poggenburg und der Aschermittwochsveranstaltung der sächsischen AfD.
Tatsächlich hat der Magdeburger AfD-Fraktionschef die Kritik der
Türkischen Gemeinde an der geplanten Schaffung eines Heimatministeriums –
ein solches sei "aufgrund der deutschen Vergangenheit problematisch",
meinte ein Verbandsvertreter etwas vorlaut – zum Anlass genommen,
Folgendes zu äußern: "Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord
an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch – und die wollen uns etwas über
Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl! Diese Kameltreiber
sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören!" Zugleich, heißt es in
den Medienberichten, die auf Wörtlichkeit noch Wert legen, habe
Poggenburg Kritik an der doppelten Staatsbürgerschaft geäußert, weil sie
"heimat- und vaterlandsloses Gesindel" hervorbringe (mein Ehegespons
beispielsweise, die hat auch zwei Pässe). Wie man sieht, relativieren
sich die Aussagen im konkreten Kontext etwas, sie nähern sich einem
Niveau, das bislang eigentlich den karnevalistischen Beschimpfern der
AfD vorbehalten war. Gleichwohl ist dieses Verbalrowdytum geschmacklos
und sogar für Aschermittwochsverhältnisse dumm, denn es liefert dem
politischen Gegner – und das sind bekanntlich alle anderen –, dessen
Sinnen und Trachten dahin geht, die einzige Oppositionspartei dieses
Landes als rechtsextrem und für bürgerliche Wähler unzumutbar zu
stigmatisieren, wieder Gratismunition. Das ist ein etwas zu hoher Preis
für das beifällige Gegröle von ein paar hundert Hinterwäldlern. MK am 15.
Es war zu erwarten, dass die Äußerungen von André Poggenburg und
mein Kommentar dazu (A. d. vom 15. Februar) wiederum neue Kommentare
nach sich ziehen. Leser *** etwa schreibt – ich zitiere den ziemlich
ausführlichen Brief nur sacht gekürzt, weil er eine repräsentative
Argumentationslinie gut zusammenfasst –:
"Herr Poggenburg hat von
'Kümmelhändlern' und 'Kameltreibern' gesprochen, also Bezeichnungen für
Berufe, die in der arabischen Welt durchaus ein hohes Ansehen genießen.
Gewürze – und damit auch Kümmel – waren in früheren Jahrhunderten – wie
Sie sicherlich wissen – ein Luxusgut, das sich nur Adelige und reiche
Bürger leisten konnten. Schauen Sie sich desweiteren den hohen
finanziellen und pflegerischen Aufwand an, den die Scheichs in den
arabischen Staaten in puncto Kamelrennen mit ihren 'Wüstenschiffen'
treiben. Aufgrund ihres finanziellen, ideellen und ökonomischen Wert für
den Warentransport brachte und bringt man den als sehr belastbar und
genügsam geltenden Kamelen im arabischen Raum hohe Wertschätzung
entgegen. Natürlich ist die Türkei nicht Arabien, so dass die von Herrn
Poggenburg verwendeten Bezeichnungen insofern plakativ und
simplifizierend sind, was auch Herrn Poggenburg klar sein dürfte, der
wohl davon ausgehen dürfte, dass die wenigsten Türken Kümmelhändler sind
und Kamele selbst in der Türkei außerhalb von Zoos und Zirken
vermutlich eher Seltenheitswert haben. Zudem bezogen sich die Äußerungen
von Herrn Poggenburg auf jene Vertreter der türkischen Gemeinde in
Deutschland (wozu bedarf es eigentlich einer solchen?), die den
Deutschen den Begriff 'Heimat' unter Instrumentalisierung des Holocausts
verbieten möchten, während sie selbst den Holocaust an den Armeniern
hartnäckig leugnen und beleidigt mit Schaum vor dem Mund jedem Gewalt
androhen, der etwas Gegenteiliges zu äußern wagt.
Herr Poggenburg
hat also Bezeichnungen für ehrbare Berufe verwendet, während in Hamburg
das Grünen-Mitglied Melik Karabulut, zudem ehemaliges Mitglied im
Vorstand des türkischen Elternbundes (wozu braucht man so etwas?), die
Deutschen mit staatlichem Segen einer ehr- und vaterlandlosen
Staatsanwaltschaft als 'Köterrasse' und ein Möchtegern-Karnevalist in
Mainz 2017 die AfDler mit freundlicher Schützenhilfe des ZDFs als
'braune Kanalratten' bezeichnen darf. Beide Bezeichnungen ziehen
Menschen auf die Ebene von Tieren herab und sollen die Adressaten
herabwürdigen und verletzen. Den Vergleich mit Ratten haben doch auch
die Nationalsozialisten auf die Juden angewandt, oder? Aber dass regt in
den Medien und in der etablierten Politik niemanden auf. Diese
Duldsamkeit wird jedoch von den in Deutschland lebenden
Erdogan-Dschihadisten als Schwäche interpretiert, ebenso wie die
Angriffe auf Herrn Poggenburg wegen seiner K-Wörter.
Warum sorgen
Sie sich darum, dass dies der AfD bei ihren Gegnern harsche Kritik
einbringt? Diese werden die AfD immer kritisieren, solange sie sich
nicht von ihrer bisherigen Politik reumütig distanziert und
schuldbewusst ihre eigene Auflösung beschließt. (...) Die Äußerungen von
Herrn Poggenburg werden der AfD nur nützen, ebenso die Anzeigen gegen
Herrn Poggenburg von türkischer Seite, weil die Hassvokabel 'Köterrasse'
wieder thematisiert wird. Wer hingegen meint, sich in diesen
gefährlichen Zeiten den Luxus leisten zu können, sich über diese meines
Erachtens vergleichsweise harmlose Wortwahl von Herrn Poggenburg
echauffieren und sich für etwas Besseres halten zu müssen, soll sein
Kreuz ruhig woanders machen oder Herrn Poggenburg als 'Primitivling' und
'Hinterwäldler' abkanzeln und sich dann auf nähere Bekanntschaft mit
Schulzens Goldstücken oder Merkels Schlägertruppe Antifa freuen.
Sie
bezeichnen das Verhalten von Herrn Poggenburg als 'Verbalrowdytum',
erheben sich dann aber hochmütig über 'das beifällige Gegröhle von ein
paar hundert Hinterwäldlern'. Reden Sie doch bitte einmal mit diesen
'Hinterwäldlern'. Ich kann, obwohl ich selbst Akademiker bin, die
Empörung dieser Menschen verstehen, die die ständigen Demütigungen der
Deutschen ('Köterrasse', Verbot des Begriffs 'Heimat' unter
Instrumentalisierung des Holcausts etc.) satt sind. Und was darf man
dann eigentlich am politischen Aschermittwoch überhaupt noch sagen, wenn
schon Berufsbezeichnungen tabu sind? Ich finde dieses Einknicken von
Akademikern und Intellektuellen vor der 'Political Correctness' aus
Sorge um ihre Reputation, Karriere, Einnahmen oder dier veröffentlichte
Meinung erbärmlich. Ebenso die Distanzeritis einiger AfDler. Diese
bodenständigen Menschen sagen offen und ehrlich, was sie bewegt. Sie
taktieren nicht feige aus Sorge um negative Konsequenzen für sich
selbst. Unser Land steht am Abgrund! Die Zeit der Duldsamkeit ist
vorbei!
Nun zu Ihren Ausführung hinsichtlich der doppelten
Staatsbürgerschaft: Solange Ihre Frau keine kopftuchtragende, Erdogan
anhimmelnde und die Halbmondfahne schwenkende türkische Nationalistin
ist, hat Herr Poggenburg sie ganz sichter nicht mit seiner Bezeichnung
als 'vaterlandsloses Gesindel' gemeint. Ich und gewiss viele andere
Zuhörer haben genau verstanden, dass Herr Poggenburg dies auf die
Erdogan-Türken bezog, für die der deutsche Pass nichts Anderes ist als
eine Eintrittskarte in den deutschen Sozialstaat, den die von ihnen
verachteten 'ungläubigen Schweinefresser' finanzieren dürfen, während
sie als ihren 'Präsidenten der Herzen' nicht die Schlaftablette
Steinmeier ansehen, sondern ihren 'Sultan Erdogan den
Allerprächtigsten', dem sie huldigen, weil dieser mit Allahs Hilfe
Deutschland ohnehin bald seinem 'Neuosmanischen Reich' einverleiben
werde. Dazu dienen ihm die DITIB-Kasernen ('Unsere Moscheen sind unsere
Kasernen, unsere Minarette unsere Bajonette, unsere Kuppeln unsere Helme
und unsere Gläubigen unsere Krieger'), wo er seine Kämpfer rekrutiert,
aber auch die Bikergang 'Osmanen Germania', die er Berichten zufolge mit
Waffen aufrüsten lässt, während der deutsche Schlafmichel noch vom
ewigen Weltfrieden halluziniert.
Wozu bedarf es einer doppelten
Staatsbürgerschaft für eine bessere Integration? Der Volksmund sagt doch
weise: 'Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen' und 'Man kann nicht
zwei Herren gleichzeitig dienen'. Eine Staatsbürgerschaft bringt nicht
nur Rechte, sondern auch Pflichten. (...) Außerdem: Warum kann sich
jemand nicht mehr seiner alten Heimat verbunden fühlen und Traditionen
pflegen, wenn er 'nur' die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt? Auch das
Argument einer erleichterten Einreise in die alte Heimat vermag mich
nicht zu überzeugen. Welche Staaten verweigern denn Deutschen die
Einreise oder erschweren diese in unzumutbarer Weise? (...) Bei der
Doppelpass-Diskussion wird leider zumeist nur auf die Befindlichkeit der
Doppelpassinhaber und ihrer Verwandten eingegangen. Die
Ein-Pass-Deutschen haben dies gefälligst zu schlucken. Nein! So nicht!
Als Deutscher, für den sein Pass nicht nur ein nützliches Dokument und
die Eintrittskarte in den deutschen Sozialstaat, sondern in erster Linie
ein amtlicher Beleg der Zugehörigkeit zu seinem geliebten Volk ist, das
stolz auf sich sein kann, darf ich auch von Menschen, die in diese
Gemeinschaft aufgenommen und mit offenen Armen willkommen geheißen
werden, ein eindeutiges Bekenntnis zu meinem Vaterland einfordern. Dabei
erwarte ich von diesen Menschen nicht – und auch sonst niemand –, ihre
Herkunft zu verleugnen, was auch gar nicht ginge, da die alte Heimat
diese Menschen ja geprägt hat. Vielmehr signalisiert der neue Mitbürger
durch seine Beschränkung auf die deutsche Staatbürgerschaft, voll und
ganz dazu gehören zu wollen. Alles andere wirkt hingegen halbherzig und
erweckt den Eindruck, dass sich da jemand eine Hintertür offen lassen
will, falls ihm Deutschland mal nicht mehr gefallen oder nützen sollte.
(...)
Verehrter Herr Klonovsky, ist Ihr Schreiben über das
angebliche 'Gegröhle' von 'Hinterwäldlern' kein 'Verbalrowdytum'? Der
Veranstalter kündigt für nächstes Jahr sogar eine doppelt so große Halle
an. Spielt bei Ihnen da etwa eine gehörige Portion Neid mit nach dem
Motto: 'Bei mir sitzen zwar viel weniger Zuhörer, dafür aber nur die
,Crème de la crème' und keine Horden von Hinterwäldlern wie bei diesem
primitiven Wüstling Poggenburg'? Ihre diesbezüglichen Anwürfe wirken
einfach nur arrogant. Damit haben Sie sich leider ein gewaltiges
Eigentor geschossen!"
Sehr geehrter Herr ***, ich werde
politische Dummheiten weiterhin politische Dummheiten und Flegeleien
weiterhin Flegeleien nennen. Alles was Sie vortragen hätte auch und
gerade der Chef einer Landtagsfraktion in deutlichen, aber gewählten
Worten aussprechen können, ohne gleich in jener Gosse zu landen, die Sie
völlig zu recht anprangern. Wenn mein Gegenüber primitiv auftritt, muss
ich es keineswegs selber werden – aber was heißt hier werden, nicht
wahr? Das Publikum hat Presseberichten zufolge bei der Nennung des
Namens Cem Özdemir "Abschieben! Abschieben!" skandiert; der Mann ist
gebürtiger Schwabe. Herr Poggenburg hat gesagt, die türkischen
"Kameltreiber" – die er, als Politiker, dann auch noch "Gesindel"
tituliert – möchten sich "dorthin scheren, wo sie hingehören". Marc
Felix Serrao nannte das in der Neuen Zürcher Zeitung
"Inländerfeindlichkeit". Das geht umgekehrt auch wieder zu weit, weil
ein erheblicher Teil der hier lebenden "Deutsch-Türken" sich als Türken
betrachtet und nichts außerdem. Aber möchten Sie allen Ernstes alle
Türkischstämmigen in Deutschland zu (potentiellen) Feinden erklären, die
sich davontrollen sollen? Mit welchen Truppen möchten Sie sie denn
bekämpfen?
Eben weil die Erdogan-Türken hier mit Duldung der
Bundesregierung einen Staat im Staate zu errichten versuchen und die
Übergeschnappte im Kanzleramt (das ist kein Verbalrowdytum, sondern eine
exakte Beschreibung) noch mehr arabische Muslime importieren will, auf
das 'schland bunt, unsicher und insolvent, aber moralisch geläutert
werde, muss die AfD möglichst schnell regierungsfähig werden, was
wiederum voraussetzt, dass sie für die sogenannte bürgerliche Mitte
wählbar wird. Auf Gossenbegriffe wie "Köterrasse" und
"Schweinefleischfresser" mit Gossenbegriffen wie "Gesindel" zu
reagieren, mag menschlich verständlich sein, aber es ist nicht klug. Wer
sich provozieren lässt, ist der Dumme. Den Dummen wählen die
Intelligenten nicht. Punkt.
Und was, geehrter Herr, meine Zuhörer
betrifft, sorgen Sie sich nicht, bis jetzt war noch jeder Saal
ausverkauft. Im Übrigen werden meine Texte durch mehr oder weniger
Zuhörer weder besser noch schlechter, während ich mir bei anderen in
diesem Punkt nicht sicher bin. Die Vulgarität ist das Zentralübel
unseres Epöchleins. Da gibt es nichts zu tolerieren. MK am 17.
Sigmar Gabriel hat schon mal besser gelogen. Weder im „heute-journal“
noch in den „Tagesthemen“ klang es überzeugend, als er am Abend nach
der Freilassung von Deniz Yücel beteuerte,
es gebe keinen Deal mit der Türkei, „weder einen schmutzigen noch einen
sauberen“, man habe immer nur über Verfahrensfragen geredet, die
„Türkei hat nichts verlangt und hätte auch nichts bekommen“, sie habe
noch nicht einmal nach einem Preis gefragt, alles sei „ein Akt der
Diplomatie“ gewesen.
Schon diese Aussagen sind Teil des Deals. Das mag man noch hinnehmen.
Aber daß er den Eindruck erweckt, beim Regime Erdogan handele es sich
um eine Demokratie mit unabhängiger Justiz, war nicht nötig. Hier ist er
beim orientalischen Bazar-Spiel mit unbekanntem Einsatz zu weit
gegangen.
Natürlich gab es einen Preis für die Geisel Yücel. Ein Despot wie
Erdogan macht so eine Geisel nicht erst prominent und läßt sie dann
einfach laufen. Der Preis ergibt sich aus den Umständen und aus
Äußerungen Gabriels und Merkels. Zunächst: Die Türkei hat ernsthafte
wirtschaftliche Probleme und braucht Kredite. Für die Sippe Erdogan
selbst laufen die Geschäfte schlechter, seit ein Geschäftspartner, der
Islamische Staat, militärisch und wirtschaftlich „Pleite“ gegangen ist.
Türkischer Einmarsch stockt
Deutschland könnte wieder Hermes-Bürgschaften oder andere
Kreditmöglichkeiten eröffnen. Auch könnte die EZB wieder Geld fließen
lassen wie zu Zeiten der Verhandlungen über eine Mitgliedschaft mit der
EU. Das wäre der leichtere Part und man kann davon ausgehen, daß Berlin
hier Zusagen gemacht hat, schließlich profitiert die deutsche Wirtschaft
auch vom Handel mit der Türkei.
Aber es geht Erdogan vor allem um das militärische Abenteuer in
Afrin. Es sollte ein Spaziergang werden von der türkischen Grenze bis
zur knapp 30 Kilometer entfernten Hauptstadt der syrischen Nordprovinz.
Aber der Einmarsch stockte schon nach wenigen hundert Metern und ist
seither nicht viel weiter gekommen. Die türkische Armee hat bisher an
die 150 Soldaten und viel schweres Gerät verloren, bei den
islamistischen Söldnern (Ableger der Al Quaida und anderer
Rebellengruppen), die sich mit den türkischen Truppen im Rücken leichte
Beute erhofften, belaufen sich die Verluste auf mehr als 300 Mann.
Der Gegner, die Kurden, beklagt an die hundert gefallene Kämpfer,
darunter auch zwei Dutzend Frauen. Wie todesmutig und hochmotiviert die
Kurden sind, zeigt das Beispiel der jungen Avesta Khabour. Sie klammerte
sich am 28. Januar bei Jandairis unter einen türkischen Panzer, der in
ein Dorf einrücken wollte, und sprengte sich mit Panzer und Besatzung in
die Luft. Von den Toten der türkischen Armee sind über die Hälfte
Panzerbesatzungen, etwa 30 Panzer vom (deutschen) Typ Leopard wurden
zerstört.
Bessere Armierung für die Panzer
Die Kurden haben panzerbrechende Waffen (von den Amerikanern), sind
gut ausgebildet und hochmotiviert. Im nächtlichen Kampf Mann gegen Mann
schlagen sie die Angreifer trotz der erdrückenden numerischen
Überlegenheit immer wieder zurück. Erdogans Armee braucht dringend eine
bessere Armierung der Panzer. Hier hat Gabriel unfreiwillig ein Detail
des Deals angedeutet, als er im ZDF von der „Armierung der Panzer“ für
den Nato-Partner Türkei sprach.
Ein weiteres Detail gab die Kanzlerin zu erkennen, als sie zuvor in
der Pressekonferenz mit dem türkischen Premier verkündete, man stehe an
der Seite Ankaras im Kampf gegen den Terrorismus. Sie hätte auch
ergänzen können: „Gegen den Terrorismus des IS“. Mit anderen Worten:
Auch die Kurden in Afrin gehören zu den Terroristen, so versteht es
jedenfalls Ankara. So verstehen es auch die Mullahs in Teheran und die
kurdenfeindliche Regierung der Schiiten in Bagdad. Den Amerikanern und
Kurden kann sie sagen, sie habe nur den IS gemeint. Ist diese
Doppelzüngigkeit das, was Gabriel unter „Diplomatie“ versteht?
Hinzu kommt: Der Welt erzählt Erdogan, in Afrin kämpfe man auch gegen
den IS. Aber in dieser Provinz hat der IS nie Fuß fassen können und
viele Syrer sind gerade vor dem IS nach Afrin geflohen. Die mehr als
tausend toten Zivilisten in der Provinz sind bei den
Flächenbombardements der türkischen Luftwaffe ums Leben gekommen.
Erdogan duldet nur Propagandatrommler
Erdogan kommt in Afrin nicht weiter und muß sogar fürchten, daß die
Kurden auch Stinger-Raketen haben, mit denen sie seine Kampfbomber vom
Himmel holen können. Über all das liest, sieht oder hört man in den
deutschen öffentlich-rechtlichen Medien nichts. Man bezieht seine
Informationen meist aus türkischen Quellen. Da haben Gabriel, Merkel und
Co es leicht, „Diplomatisches“ aufzutischen.
Die verbalen Bedingungen des Deals sind also erfüllt und man kann
davon ausgehen, daß auch die stärkere Armierung schon in Kisten gepackt
wird. Und man kann auch sicher sein, daß darüber keine Berichte nach
Europa dringen werden. Denn Journalisten kommen nicht in die umkämpfte
Provinz und selbst in der Türkei leben Journalisten gefährlich. Erdogan
duldet nur Propagandatrommler. In Gabriel hat er einen Ersatztrommler
gefunden.
Es ist eigentlich absurd: Die Bundeswehr ist nicht mehr
einsatzbereit, aber Deutschland rüstet einen Despoten auf, der dank
dieser Hilfe gegen Verbündete Deutschlands vorgehen wird, denn die
kurdischen Peshmerga der YPG werden von den Amerikanern unterstützt und
beliefert, weshalb Erdogan auch den Amerikanern mit einer „osmanischen
Ohrfeige“ droht.
Yücel selbst wollte keinen schmutzigen Deal
Ob die Türken mit dem besser armierten Leo II jedoch weiter kommen,
ist eine offene Frage. Bei solchen Eroberungsfeldzügen ist der
entscheidende Faktor nicht die Armierung, sondern die Motivation, in
Afrin kann man auch sagen, der Mut der Verzweifelten. Es ist eigentlich
dieser Mut, der Erdogan dazu gebracht hat, seine prominenteste Geisel
anzubieten. Den Kurden hat Yücel seine Freilassung zu verdanken, nicht
der Bundesregierung, die die Kurden ohne mit der Wimper zu zucken fallen
läßt.
Vielleicht hat Erdogan auch damit gedroht, Unruhe auf deutschen
Straßen zu provozieren. Ihm ist jede Erpressung zuzutrauen. Die
Freilassung des prominenten Kollegen Yücel verschafft dem Berliner Drama
immerhin eine Verschnaufpause. Und dem amtierenden Außenminister
Gabriel etwas Hoffnung, sein Amt doch noch zu behalten. Gabriel ist
populär, wie fast alle Außenminister. Aber ob er und die Kanzlerin die
Interessen Deutschland wirklich im Blick hatten, ist fraglich.
Natürlich kann man sich über die Freilassung freuen. Yücel selbst
wollte keinen schmutzigen Deal. Einen Grund zur Dankbarkeit gegenüber
Erdogan gibt es nicht. Von Rechtsstaatlichkeit kann keine Rede sein. Am
selben Tag, als Yücel freigelassen wurde, wurden sechs Journalisten zu
lebenslanger Haft unter verschärften Bedingungen verurteilt. Mehr als
hundert weitere Journalisten sitzen in den Gefängnissen, doppelt so
viele wie in China.
Der Deal mit Erdogan gibt eher Anlaß zur Sorge. Ankara bringt Berlin
in Stellung gegen die Kurden und die USA. Darüber freut sich vor allem
einer, der bei der Münchener Sicherheitskonferenz geistig allgegenwärtig
ist: Wladimir Putin. Er hat jetzt eine Feuerpause in Afrin aushandeln
lassen. Seit gestern schweigen die Waffen. Es braucht Zeit, bis die Leo
II-Panzer besser gerüstet sind. Liminski
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