Stationen

Sonntag, 18. Februar 2018

Die Befreiung verdankt Yücel einzig und allein den Kurden

Doch heute hat die Kanzlerin den türkischen Ministerpräsidenten Yildirim aufgefordert, eine rasche Entscheidung im Fall Yüzel herbeizuführen. Aus diesem Anlass – und auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich sogar der Bundespräsident gegen André Poggenburg erklärt hat, weil diese nicht gerade allerhellste Kerze auf der AfD-Torte in einer Aschermittwochssuada hier lebende Türken "Kümmelhändler", "Kameltreiber" und "vaterlandsloses Gesindel" genannt haben soll (es stimmt nicht ganz, dazu später) – wiederhole ich an dieser Stelle einen Kommentar, den ich weiland anelegentlich der Inhaftierung des ebenfalls an einer Art Tourette-Syndrom leidenden Pressbengels andernorts publiziert habe:


Der Journalist Deniz Yücel ist ein exponierter Vertreter der vom hiesigen Establishment gehätschelten Version des "Hate Speech". Mit seiner tadellosen, auf den Prinzipien rotgrüner Rechtschaffenheit fußenden Allerweltsdeutschenverachtung hat sich der intellektuell eher schmalschultrige, aber hart an seiner rhetorischen Muskulatur arbeitende Deutsch-Türke von der altmodischen taz-WG in die trendige Selbsthilfegruppe für betreutes Schreiben bei der Welt emporgeschuftet. Im kippenden Ökosystem der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit versucht Yücel, die gewaltige Lücke zu schließen, die der schmerzlich vermisste Maxim Biller hinterließ, dem in den späten 1990ern die Puste für die regelmäßige Teilnahme an den helldeutschen Hassmeisterschaften ausging.
Yüzel indes belegte 2012 und 2013 trotz erdrückender Konkurrenz vordere Plätze in den Kategorien Sarrazin- und Papstbeschimpfung. 2011 hatte er bei "Deutschland sucht den Superhater" erstmals die Endrunde erreicht, indem er in der taz frohlockte:

"Endlich! Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich (so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab!" – "Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg gescheitert sind, (...) übernehmen die Deutschen nun also selbst." – "Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten Seite." – "Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich aufteilen? (...) Palästinensern, Tuvaluern, Kabylen und anderen Bedürftigen schenken? (...) Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal."
Das klingt wie Volksverhetzung, ist aber keine, sondern Satire. Außerdem kann man, wie die Staatsanwaltschaft Hamburg soeben bestätigte, eine "Köterrasse" überhaupt nicht verhetzen, nicht einmal beleidigen, gerade als Deutschtürke nicht – zumindest solange sie die Bevölkerungsmehrheit stellt. Und danach, seien wir ehrlich, ist es doch völlig unnötig! Hätte Yücel etwas Ähnliches über die Türken geschrieben, wäre wahrscheinlich sogar in Deutschland ein Staatsanwalt tätig geworden. Aber hätte, hätte, Dönerkette...
Derzeit sitzt unser Pissdeutscher – pardon, kleiner Yücel-Scherz – unser Passdeutscher in einem türkischen Gefängnis und murmelt fünfmal am Tag "Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal" vor sich hin. Er wurde inhaftiert, weil er kritisch über Erdoğans Umwandlung des Landes in ein Sultanat berichtet hat. Nicht ganz so kritisch wie über Sarrazins Versuch, Deutschlands Selbstabschaffung ohne eine Spur von Begeisterung zu thematisieren, aber Sarrazin ist ja auch ein schlimmer Finger und der stolze Türke Erdoğan viel leichter reizbar als ein exkommunizierter deutscher Sozifunktionär.
Immerhin: Obschon in seiner Aversion gegen Deutschland so etwas wie ein Ehrenmitglied der AKP, stellte sich Yücel gegen Erdoğans Janitscharenpolitik und wurde deshalb eingelocht. Angeblich, weil er sich mit Vertretern des – aus staatstürkischer Sicht – "Feindes" getroffen hat, der PKK. Außerdem wirft man ihm Verbindungen zu einer linksextremen türkischen Hackergruppe vor. Der Mann mag unappetitlich sein, feige ist er offenbar nicht.
Im Fall Yücel zeigt sich die Problematik der doppelten Staatsbürgerschaft. Eingesperrt wurde er als türkischer Staatsbürger. Da er den deutschen Pass besitzt, auch wenn der bei ihm daheim womöglich die meiste Zeit hinterm Klo liegt, müssen die deutschen Behörden gegen die Verhaftung protestieren, solange kein triftiger Grund für sie vorliegt. Doch auch als türkischer Staatsbürger wäre Yücel, gälte Recht, so lange unschuldig, bis seine Schuld erwiesen ist. Um das zu entscheiden, sind die Gerichte da. Allerdings ist von türkischen Gerichten unter dem lupenreinen Autokraten Erdoğan keine unpolitische Rechtsprechung mehr zu erwarten. Insofern wären die Proteste deutscher Offizieller gegen Yücels Inhaftierung auch dann vollkommen angebracht, wenn er keinen deutschen Pass besäße.
Vollkommen unangebracht ist wiederum die aktuelle Häme von rechts gegen den Journalisten, die darauf hinausläuft, seinen derzeitigen Aufenthaltsort als angemessen, als eine Art längst fällige Lektion zu empfinden. Wer so etwas vorträgt, verschafft indirekt auch dem "Kampf gegen rechts" eine gewisse Legitimation, denn auch der lebt von der unzivilisierten Grundannahme, es gebe strafwürdige Meinungen. Die Freiheit des Wortes ist unteilbar. Das Recht gilt auch für unappetitliche Zeitgenossen. Es gilt auch für Deutschlandhasser. "Hetze" und "Hass" sind keineswegs per se Straftatbestände, sondern erst, wenn sie Persönlichkeitsrechte berühren. Nicht Yücel gefährdet die Meinungsfreiheit in Deutschland, sondern Heiko Maas, Manuela Schwesig und all die anderen Zeloten des Maulkorbzwangs tun dies.
Was uns zu jener frommen Schar zivilgesellschaftlich engagierter Landeskinder führt, die sich derzeit vehement für die Freilassung Yücels einsetzen. Man stelle sich vor, Akif Pirinçci wäre in der Türkei wegen Hetze gegen den Islam und das Türkentum eingesperrt worden – ob all diese Guten und Gerechten dann auch eifrig seine Freiheit forderten? Würden sie nicht vielmehr sagen: Das hat er nun davon...? Und sich heimlich freuen, daß die Nervensäge endlich mundtot gemacht wurde?
Das ändert nichts daran, dass unsere Guten mit ihrer Solidarität für Yücel richtig liegen. Nur dieses "Je suis Deniz" geht wohl doch zu weit. Der Zivilisierte soll ohne Wenn und Aber für die Meinungsfreiheit plädieren, aber er muss sich nicht gleich mit ihren Exkrementen einreiben.


                                  ***


Zurück zu Poggenburg und der Aschermittwochsveranstaltung der sächsischen AfD. Tatsächlich hat der Magdeburger AfD-Fraktionschef die Kritik der Türkischen Gemeinde an der geplanten Schaffung eines Heimatministeriums – ein solches sei "aufgrund der deutschen Vergangenheit problematisch", meinte ein Verbandsvertreter etwas vorlaut – zum Anlass genommen, Folgendes zu äußern: "Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch – und die wollen uns etwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl! Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren, wo sie hingehören!" Zugleich, heißt es in den Medienberichten, die auf Wörtlichkeit noch Wert legen, habe Poggenburg Kritik an der doppelten Staatsbürgerschaft geäußert, weil sie "heimat- und vaterlandsloses Gesindel" hervorbringe (mein Ehegespons beispielsweise, die hat auch zwei Pässe). Wie man sieht, relativieren sich die Aussagen im konkreten Kontext etwas, sie nähern sich einem Niveau, das bislang eigentlich den karnevalistischen Beschimpfern der AfD vorbehalten war. Gleichwohl ist dieses Verbalrowdytum geschmacklos und sogar für Aschermittwochsverhältnisse dumm, denn es liefert dem politischen Gegner – und das sind bekanntlich alle anderen –, dessen Sinnen und Trachten dahin geht, die einzige Oppositionspartei dieses Landes als rechtsextrem und für bürgerliche Wähler unzumutbar zu stigmatisieren, wieder Gratismunition. Das ist ein etwas zu hoher Preis für das beifällige Gegröle von ein paar hundert Hinterwäldlern.  MK am 15.


Es war zu erwarten, dass die Äußerungen von André Poggenburg und mein Kommentar dazu (A. d. vom 15. Februar) wiederum neue Kommentare nach sich ziehen. Leser *** etwa schreibt – ich zitiere den ziemlich ausführlichen Brief nur sacht gekürzt, weil er eine repräsentative Argumentationslinie gut zusammenfasst –:

"Herr Poggenburg hat von 'Kümmelhändlern' und 'Kameltreibern' gesprochen, also Bezeichnungen für Berufe, die in der arabischen Welt durchaus ein hohes Ansehen genießen. Gewürze – und damit auch Kümmel – waren in früheren Jahrhunderten – wie Sie sicherlich wissen – ein Luxusgut, das sich nur Adelige und reiche Bürger leisten konnten. Schauen Sie sich desweiteren den hohen finanziellen und pflegerischen Aufwand an, den die Scheichs in den arabischen Staaten in puncto Kamelrennen mit ihren 'Wüstenschiffen' treiben. Aufgrund ihres finanziellen, ideellen und ökonomischen Wert für den Warentransport brachte und bringt man den als sehr belastbar und genügsam geltenden Kamelen im arabischen Raum hohe Wertschätzung entgegen. Natürlich ist die Türkei nicht Arabien, so dass die von Herrn Poggenburg verwendeten Bezeichnungen insofern plakativ und simplifizierend sind, was auch Herrn Poggenburg klar sein dürfte, der wohl davon ausgehen dürfte, dass die wenigsten Türken Kümmelhändler sind und Kamele selbst in der Türkei außerhalb von Zoos und Zirken vermutlich eher Seltenheitswert haben. Zudem bezogen sich die Äußerungen von Herrn Poggenburg auf jene Vertreter der türkischen Gemeinde in Deutschland (wozu bedarf es eigentlich einer solchen?), die den Deutschen den Begriff 'Heimat' unter Instrumentalisierung des Holocausts verbieten möchten, während sie selbst den Holocaust an den Armeniern hartnäckig leugnen und beleidigt mit Schaum vor dem Mund jedem Gewalt androhen, der etwas Gegenteiliges zu äußern wagt.

Herr Poggenburg hat also Bezeichnungen für ehrbare Berufe verwendet, während in Hamburg das Grünen-Mitglied Melik Karabulut, zudem ehemaliges Mitglied im Vorstand des türkischen Elternbundes (wozu braucht man so etwas?), die Deutschen mit staatlichem Segen einer ehr- und vaterlandlosen Staatsanwaltschaft als 'Köterrasse' und ein Möchtegern-Karnevalist in Mainz 2017 die AfDler mit freundlicher Schützenhilfe des ZDFs als 'braune Kanalratten' bezeichnen darf. Beide Bezeichnungen ziehen Menschen auf die Ebene von Tieren herab und sollen die Adressaten herabwürdigen und verletzen. Den Vergleich mit Ratten haben doch auch die Nationalsozialisten auf die Juden angewandt, oder? Aber dass regt in den Medien und in der etablierten Politik niemanden auf. Diese Duldsamkeit wird jedoch von den in Deutschland lebenden Erdogan-Dschihadisten als Schwäche interpretiert, ebenso wie die Angriffe auf Herrn Poggenburg wegen seiner K-Wörter.

Warum sorgen Sie sich darum, dass dies der AfD bei ihren Gegnern harsche Kritik einbringt? Diese werden die AfD immer kritisieren, solange sie sich nicht von ihrer bisherigen Politik reumütig distanziert und schuldbewusst ihre eigene Auflösung beschließt. (...) Die Äußerungen von Herrn Poggenburg werden der AfD nur nützen, ebenso die Anzeigen gegen Herrn Poggenburg von türkischer Seite, weil die Hassvokabel 'Köterrasse' wieder thematisiert wird. Wer hingegen meint, sich in diesen gefährlichen Zeiten den Luxus leisten zu können, sich über diese meines Erachtens vergleichsweise harmlose Wortwahl von Herrn Poggenburg echauffieren und sich für etwas Besseres halten zu müssen, soll sein Kreuz ruhig woanders machen oder Herrn Poggenburg als 'Primitivling' und 'Hinterwäldler' abkanzeln und sich dann auf nähere Bekanntschaft mit Schulzens Goldstücken oder Merkels Schlägertruppe Antifa freuen.

Sie bezeichnen das Verhalten von Herrn Poggenburg als 'Verbalrowdytum', erheben sich dann aber hochmütig über 'das beifällige Gegröhle von ein paar hundert Hinterwäldlern'. Reden Sie doch bitte einmal mit diesen 'Hinterwäldlern'. Ich kann, obwohl ich selbst Akademiker bin, die Empörung dieser Menschen verstehen, die die ständigen Demütigungen der Deutschen ('Köterrasse', Verbot des Begriffs 'Heimat' unter Instrumentalisierung des Holcausts etc.) satt sind. Und was darf man dann eigentlich am politischen Aschermittwoch überhaupt noch sagen, wenn schon Berufsbezeichnungen tabu sind? Ich finde dieses Einknicken von Akademikern und Intellektuellen vor der 'Political Correctness' aus Sorge um ihre Reputation, Karriere, Einnahmen oder dier veröffentlichte Meinung erbärmlich. Ebenso die Distanzeritis einiger AfDler. Diese bodenständigen Menschen sagen offen und ehrlich, was sie bewegt. Sie taktieren nicht feige aus Sorge um negative Konsequenzen für sich selbst. Unser Land steht am Abgrund! Die Zeit der Duldsamkeit ist vorbei!

Nun zu Ihren Ausführung hinsichtlich der doppelten Staatsbürgerschaft: Solange Ihre Frau keine kopftuchtragende, Erdogan anhimmelnde und die Halbmondfahne schwenkende türkische Nationalistin ist, hat Herr Poggenburg sie ganz sichter nicht mit seiner Bezeichnung als 'vaterlandsloses Gesindel' gemeint. Ich und gewiss viele andere Zuhörer haben genau verstanden, dass Herr Poggenburg dies auf die Erdogan-Türken bezog, für die der deutsche Pass nichts Anderes ist als eine Eintrittskarte in den deutschen Sozialstaat, den die von ihnen verachteten 'ungläubigen Schweinefresser' finanzieren dürfen, während sie als ihren 'Präsidenten der Herzen' nicht die Schlaftablette Steinmeier ansehen, sondern ihren 'Sultan Erdogan den Allerprächtigsten', dem sie huldigen, weil dieser mit Allahs Hilfe Deutschland ohnehin bald seinem 'Neuosmanischen Reich' einverleiben werde. Dazu dienen ihm die DITIB-Kasernen ('Unsere Moscheen sind unsere Kasernen, unsere Minarette unsere Bajonette, unsere Kuppeln unsere Helme und unsere Gläubigen unsere Krieger'), wo er seine Kämpfer rekrutiert, aber auch die Bikergang 'Osmanen Germania', die er Berichten zufolge mit Waffen aufrüsten lässt, während der deutsche Schlafmichel noch vom ewigen Weltfrieden halluziniert.

Wozu bedarf es einer doppelten Staatsbürgerschaft für eine bessere Integration? Der Volksmund sagt doch weise: 'Man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen' und 'Man kann nicht zwei Herren gleichzeitig dienen'. Eine Staatsbürgerschaft bringt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. (...) Außerdem: Warum kann sich jemand nicht mehr seiner alten Heimat verbunden fühlen und Traditionen pflegen, wenn er 'nur' die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt? Auch das Argument einer erleichterten Einreise in die alte Heimat vermag mich nicht zu überzeugen. Welche Staaten verweigern denn Deutschen die Einreise oder erschweren diese in unzumutbarer Weise? (...) Bei der Doppelpass-Diskussion wird leider zumeist nur auf die Befindlichkeit der Doppelpassinhaber und ihrer Verwandten eingegangen. Die Ein-Pass-Deutschen haben dies gefälligst zu schlucken. Nein! So nicht! Als Deutscher, für den sein Pass nicht nur ein nützliches Dokument und die Eintrittskarte in den deutschen Sozialstaat, sondern in erster Linie ein amtlicher Beleg der Zugehörigkeit zu seinem geliebten Volk ist, das stolz auf sich sein kann, darf ich auch von Menschen, die in diese Gemeinschaft aufgenommen und mit offenen Armen willkommen geheißen werden, ein eindeutiges Bekenntnis zu meinem Vaterland einfordern. Dabei erwarte ich von diesen Menschen nicht – und auch sonst niemand –, ihre Herkunft zu verleugnen, was auch gar nicht ginge, da die alte Heimat diese Menschen ja geprägt hat. Vielmehr signalisiert der neue Mitbürger durch seine Beschränkung auf die deutsche Staatbürgerschaft, voll und ganz dazu gehören zu wollen. Alles andere wirkt hingegen halbherzig und erweckt den Eindruck, dass sich da jemand eine Hintertür offen lassen will, falls ihm Deutschland mal nicht mehr gefallen oder nützen sollte. (...)

Verehrter Herr Klonovsky, ist Ihr Schreiben über das angebliche 'Gegröhle' von 'Hinterwäldlern' kein 'Verbalrowdytum'? Der Veranstalter kündigt für nächstes Jahr sogar eine doppelt so große Halle an. Spielt bei Ihnen da etwa eine gehörige Portion Neid mit nach dem Motto: 'Bei mir sitzen zwar viel weniger Zuhörer, dafür aber nur die ,Crème de la crème' und keine Horden von Hinterwäldlern wie bei diesem primitiven Wüstling Poggenburg'? Ihre diesbezüglichen Anwürfe wirken einfach nur arrogant. Damit haben Sie sich leider ein gewaltiges Eigentor geschossen!"


Sehr geehrter Herr ***, ich werde politische Dummheiten weiterhin politische Dummheiten und Flegeleien weiterhin Flegeleien nennen. Alles was Sie vortragen hätte auch und gerade der Chef einer Landtagsfraktion in deutlichen, aber gewählten Worten aussprechen können, ohne gleich in jener Gosse zu landen, die Sie völlig zu recht anprangern. Wenn mein Gegenüber primitiv auftritt, muss ich es keineswegs selber werden – aber was heißt hier werden, nicht wahr? Das Publikum hat Presseberichten zufolge bei der Nennung des Namens Cem Özdemir "Abschieben! Abschieben!" skandiert; der Mann ist gebürtiger Schwabe. Herr Poggenburg hat gesagt, die türkischen "Kameltreiber" – die er, als Politiker, dann auch noch "Gesindel" tituliert – möchten sich "dorthin scheren, wo sie hingehören". Marc Felix Serrao nannte das in der Neuen Zürcher Zeitung "Inländerfeindlichkeit". Das geht umgekehrt auch wieder zu weit, weil ein erheblicher Teil der hier lebenden "Deutsch-Türken" sich als Türken betrachtet und nichts außerdem. Aber möchten Sie allen Ernstes alle Türkischstämmigen in Deutschland zu (potentiellen) Feinden erklären, die sich davontrollen sollen? Mit welchen Truppen möchten Sie sie denn bekämpfen? 

Eben weil die Erdogan-Türken hier mit Duldung der Bundesregierung einen Staat im Staate zu errichten versuchen und die Übergeschnappte im Kanzleramt (das ist kein Verbalrowdytum, sondern eine exakte Beschreibung) noch mehr arabische Muslime importieren will, auf das 'schland bunt, unsicher und insolvent, aber moralisch geläutert werde, muss die AfD möglichst schnell regierungsfähig werden, was wiederum voraussetzt, dass sie für die sogenannte bürgerliche Mitte wählbar wird. Auf Gossenbegriffe wie "Köterrasse" und "Schweinefleischfresser" mit Gossenbegriffen wie "Gesindel" zu reagieren, mag menschlich verständlich sein, aber es ist nicht klug. Wer sich provozieren lässt, ist der Dumme. Den Dummen wählen die Intelligenten nicht. Punkt.

Und was, geehrter Herr, meine Zuhörer betrifft, sorgen Sie sich nicht, bis jetzt war noch jeder Saal ausverkauft. Im Übrigen werden meine Texte durch mehr oder weniger Zuhörer weder besser noch schlechter, während ich mir bei anderen in diesem Punkt nicht sicher bin. Die Vulgarität ist das Zentralübel unseres Epöchleins. Da gibt es nichts zu tolerieren.  MK am 17.

Sigmar Gabriel hat schon mal besser gelogen. Weder im „heute-journal“ noch in den „Tagesthemen“ klang es überzeugend, als er am Abend nach der Freilassung von Deniz Yücel beteuerte, es gebe keinen Deal mit der Türkei, „weder einen schmutzigen noch einen sauberen“, man habe immer nur über Verfahrensfragen geredet, die „Türkei hat nichts verlangt und hätte auch nichts bekommen“, sie habe noch nicht einmal nach einem Preis gefragt, alles sei „ein Akt der Diplomatie“ gewesen.
Schon diese Aussagen sind Teil des Deals. Das mag man noch hinnehmen. Aber daß er den Eindruck erweckt, beim Regime Erdogan handele es sich um eine Demokratie mit unabhängiger Justiz, war nicht nötig. Hier ist er beim orientalischen Bazar-Spiel mit unbekanntem Einsatz zu weit gegangen.
Natürlich gab es einen Preis für die Geisel Yücel. Ein Despot wie Erdogan macht so eine Geisel nicht erst prominent und läßt sie dann einfach laufen. Der Preis ergibt sich aus den Umständen und aus Äußerungen Gabriels und Merkels. Zunächst: Die Türkei hat ernsthafte wirtschaftliche Probleme und braucht Kredite. Für die Sippe Erdogan selbst laufen die Geschäfte schlechter, seit ein Geschäftspartner, der Islamische Staat, militärisch und wirtschaftlich „Pleite“ gegangen ist.
Türkischer Einmarsch stockt
Deutschland könnte wieder Hermes-Bürgschaften oder andere Kreditmöglichkeiten eröffnen. Auch könnte die EZB wieder Geld fließen lassen wie zu Zeiten der Verhandlungen über eine Mitgliedschaft mit der EU. Das wäre der leichtere Part und man kann davon ausgehen, daß Berlin hier Zusagen gemacht hat, schließlich profitiert die deutsche Wirtschaft auch vom Handel mit der Türkei.
Aber es geht Erdogan vor allem um das militärische Abenteuer in Afrin. Es sollte ein Spaziergang werden von der türkischen Grenze bis zur knapp 30 Kilometer entfernten Hauptstadt der syrischen Nordprovinz. Aber der Einmarsch stockte schon nach wenigen hundert Metern und ist seither nicht viel weiter gekommen. Die türkische Armee hat bisher an die 150 Soldaten und viel schweres Gerät verloren, bei den islamistischen Söldnern (Ableger der Al Quaida und anderer Rebellengruppen), die sich mit den türkischen Truppen im Rücken leichte Beute erhofften, belaufen sich die Verluste auf mehr als 300 Mann.
Der Gegner, die Kurden,  beklagt an die hundert gefallene Kämpfer, darunter auch zwei Dutzend Frauen. Wie todesmutig und hochmotiviert die Kurden sind, zeigt das Beispiel der jungen Avesta Khabour. Sie klammerte sich am 28. Januar bei Jandairis unter einen türkischen Panzer, der in ein Dorf einrücken wollte, und sprengte sich mit Panzer und Besatzung in die Luft. Von den Toten der türkischen Armee sind über die Hälfte Panzerbesatzungen, etwa 30 Panzer vom (deutschen) Typ Leopard wurden zerstört.
Bessere Armierung für die Panzer
Die Kurden haben panzerbrechende Waffen (von den Amerikanern), sind gut ausgebildet und hochmotiviert. Im nächtlichen Kampf Mann gegen Mann schlagen sie die Angreifer trotz der erdrückenden numerischen Überlegenheit immer wieder zurück. Erdogans Armee braucht dringend eine bessere Armierung der Panzer. Hier hat Gabriel unfreiwillig ein Detail des Deals angedeutet, als er im ZDF von der „Armierung der Panzer“ für den Nato-Partner Türkei sprach.
Ein weiteres Detail gab die Kanzlerin zu erkennen, als sie zuvor in der Pressekonferenz mit dem türkischen Premier verkündete, man stehe an der Seite Ankaras im Kampf gegen den Terrorismus. Sie hätte auch ergänzen können: „Gegen den Terrorismus des IS“. Mit anderen Worten: Auch die Kurden in Afrin gehören zu den Terroristen, so versteht es jedenfalls Ankara. So verstehen es auch die Mullahs in Teheran und die kurdenfeindliche Regierung der Schiiten in Bagdad. Den Amerikanern und Kurden kann sie sagen, sie habe nur den IS gemeint. Ist diese Doppelzüngigkeit das, was Gabriel unter „Diplomatie“ versteht?
Hinzu kommt: Der Welt erzählt Erdogan, in Afrin kämpfe man auch gegen den IS. Aber in dieser Provinz hat der IS nie Fuß fassen können und viele Syrer sind gerade vor dem IS nach Afrin geflohen. Die mehr als tausend toten Zivilisten in der Provinz sind bei den Flächenbombardements der türkischen Luftwaffe ums Leben gekommen.
Erdogan duldet nur Propagandatrommler
Erdogan kommt in Afrin nicht weiter und muß sogar fürchten, daß die Kurden auch Stinger-Raketen haben, mit denen sie seine Kampfbomber vom Himmel holen können. Über all das liest, sieht oder hört man in den deutschen öffentlich-rechtlichen Medien nichts. Man bezieht seine Informationen meist aus türkischen Quellen. Da haben Gabriel, Merkel und Co es leicht, „Diplomatisches“ aufzutischen.
Die verbalen Bedingungen des Deals sind also erfüllt und man kann davon ausgehen, daß auch die stärkere Armierung schon in Kisten gepackt wird. Und man kann auch sicher sein, daß darüber keine Berichte nach Europa dringen werden. Denn Journalisten kommen nicht in die umkämpfte Provinz und selbst in der Türkei leben Journalisten gefährlich. Erdogan duldet nur Propagandatrommler. In Gabriel hat er einen Ersatztrommler gefunden.
Es ist eigentlich absurd: Die Bundeswehr ist nicht mehr einsatzbereit, aber Deutschland rüstet einen Despoten auf, der dank dieser Hilfe gegen Verbündete Deutschlands vorgehen wird, denn die kurdischen Peshmerga der YPG werden von den Amerikanern unterstützt und beliefert, weshalb Erdogan auch den Amerikanern mit einer „osmanischen Ohrfeige“ droht.
Yücel selbst wollte keinen schmutzigen Deal
Ob die Türken mit dem besser armierten Leo II jedoch weiter kommen, ist eine offene Frage. Bei solchen Eroberungsfeldzügen ist der entscheidende Faktor nicht die Armierung, sondern die Motivation, in Afrin kann man auch sagen, der Mut der Verzweifelten. Es ist eigentlich dieser Mut, der Erdogan dazu gebracht hat, seine prominenteste Geisel anzubieten. Den Kurden hat Yücel seine Freilassung zu verdanken, nicht der Bundesregierung, die die Kurden ohne mit der Wimper zu zucken fallen läßt.
Vielleicht hat Erdogan auch damit gedroht, Unruhe auf deutschen Straßen zu provozieren. Ihm ist jede Erpressung zuzutrauen. Die Freilassung des prominenten Kollegen Yücel verschafft dem Berliner Drama immerhin eine Verschnaufpause. Und dem amtierenden Außenminister Gabriel etwas Hoffnung, sein Amt doch noch zu behalten. Gabriel ist populär, wie fast alle Außenminister. Aber ob er und die Kanzlerin die Interessen Deutschland wirklich im Blick hatten, ist fraglich.
Natürlich kann man sich über die Freilassung freuen. Yücel selbst wollte keinen schmutzigen Deal. Einen Grund zur Dankbarkeit gegenüber Erdogan gibt es nicht. Von Rechtsstaatlichkeit kann keine Rede sein. Am selben Tag, als Yücel freigelassen wurde, wurden sechs Journalisten zu lebenslanger Haft unter verschärften Bedingungen verurteilt. Mehr als hundert weitere Journalisten sitzen in den Gefängnissen, doppelt so viele wie in China.
Der Deal mit Erdogan gibt eher Anlaß zur Sorge. Ankara bringt Berlin in Stellung gegen die Kurden und die USA. Darüber freut sich vor allem einer, der bei der Münchener Sicherheitskonferenz geistig allgegenwärtig ist: Wladimir Putin. Er hat jetzt eine Feuerpause in Afrin aushandeln lassen. Seit gestern schweigen die Waffen. Es braucht Zeit, bis die Leo II-Panzer besser gerüstet sind.  Liminski

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