Die vorläufige Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD sieht
unter anderem vor, den Notfallfonds der Eurozone, den European
Stability Mechanism (ESM), in einen vollwertigen, parlamentarisch
kontrollierten und im EU-Recht verankerten Europäischen Währungsfonds
(EWF), den European Monetary Fund, umzuwandeln. Damit würde der Fonds zu
einer im Unionsrecht verankerten Institution heranwachsen. „Das Prinzip
der wechselseitigen Solidarität muß auch für den EU-Haushalt gelten“,
heißt es im Papier.
Damit stellen sich die Koalitionäre deutlich hinter Frankreichs
Präsident Emmanuel Macron. Seine Vorschläge zur EU-Reform beinhalten
neben der Schaffung eines Haushalts- und Finanzministeriums für die
Eurozone auch einen neuen Währungsfonds. Bereits im Dezember 2017 hatte
Jean-Claude Juncker die seit 2010 in Brüssel herumspukenden Pläne für
einen EWF konkretisiert.
Laut seinem „Vorschlag zur Einrichtung eines Europäischen
Währungsfonds, der auf der bewährten Struktur des Europäischen
Stabilitätsmechanismus fußt“, solle der Fonds „als letzter Kreditgeber
fungieren, um die geordnete Abwicklung notleidender Banken zu
erleichtern“. Nach Junckers Wünschen soll das Europäische Parlament
Mitte 2019 abschließend über den EWF beraten.
Kritik von Bundesbank-Präsident
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann
hat bereits Stellung bezogen. Für ihn wäre ein EWF nur eine weitere
Form der Vergemeinschaftung von Risiken. Doch bevor an eine
Vergemeinschaftung der Lasten über einen EWF zu denken sei, müßten die
Banken zunächst ihre Bestände an notleidenden Krediten verringern, so
Weidmann während eines Pressetermins am 19. Dezember.
Auch Otmar Issing, der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen
Zentralbank (EZB), spart nicht mit Kritik. Er stuft die EWF-Pläne als
„Abschied von der Vorstellung einer auf Stabilität gerichteten
europäischen Gemeinschaft“ ein. Und selbst der CDU-Wirtschaftsrat
konterte die eigene Kanzlerin und warnte davor, „einer SPD zu folgen,
die unter ‘proeuropäisch’ nur mehr Umverteilung in die Krisenländer
verstehe“.
Wenig Erbauliches kam auch vom Fachbereich Europa des
Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. In ihrer 32 Seiten
umfassenden Analyse des EWF-Entwurfes kamen die Forscher zu dem
Ergebnis, daß eine Weiterentwicklung des ESM „die Grenzen des
Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung überschreitet und
dementsprechend nicht auf Artikel 352 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union gestützt werden kann“. Ein Europäischer
Währungsfonds widerspräche also der Europäischen Verfassung.
Bereits ESM öffnete Tor zur Transferunion
Doch was heißt das schon? Bereits der im September 2012 installierte
ESM hatte das Tor zur Transferunion weit aufgestoßen. Mit dieser
Verordnung zum Aufkauf schlecht besicherter Staatsanleihen durch die EZB
wurde die gemeinschaftliche Übernahme von Risiken in der
Haushaltsführung einzelner Mitgliedsländer institutionalisiert. Die
Euro-Mitglieder wurden verpflichtet, etwaige Verluste bis zur
Gesamtsumme des Stammkapitals in Höhe von 700 Milliarden Euro zu
übernehmen. Notfalls kann der ESM seinen Etat auf 2,8 Billionen Euro
erhöhen.
Und es wurde der Ausstieg der europäischen Finanzpolitik aus dem
No-Bail-Out-Prinzip besiegelt. Entgegen fundamentaler
marktwirtschaftlicher Prinzipien haften alle Staaten der EU seitdem für
die Versäumnisse einzelner Regierungen. Letztlich muß der Steuerzahler
für Fehlinvestitionen und mangelnde Haushaltsdisziplin geradestehen. Die
Fortentwicklung des ESM zum EWF würde diesen Mißstand nicht beheben –
im Gegenteil. JF
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