Ich habe als Jugendlicher mal meine Großeltern, zu denen ich ein sehr,
sehr gutes Vertrauensverhältnis hatte, danach gefragt, wie das damals
passiert ist. Sie haben mir beide bestätigt, dass die, die es leugnen,
vorgeben, sie hätten nichts gewusst oder es als nachträglich konstruiert
hinstellen, offenkundig lügen. Denn sie sagten, dass es „spätestens
nach der Hälfte” (ich habe leider nicht nachgefragt, aber vermute, sie
meinten die Zeit von 1933 bis 1945) jeder wusste, dass allen bekannt
war, was läuft, weil aus den Konzentrationslagern zwar nicht viel, aber
viel mehr als genug herausdrang, um Bescheid zu wissen, und sich das in
der persönlichen Kommunikation natürlich rasend schnell ausgebreitet
hat. Ich vertraue meinen Großeltern, die leider schon lange nicht mehr
leben, aber zu 100%. Wenn die sagen, dass sei schon damals allgemein
bekannt gewesen, widerlegt das alle Behauptungen, es sei nicht bekannt
gewesen oder eine nachträgliche Erfindung von Siegermächten. Jenseits
aller Schülbücher, Literatur und der Holocaust-Museen und Ausstellungen,
die ich auf mehreren Kontinenten besucht habe, ist dieses persönliche
Gespräch mit meinen Großeltern, insbesondere aber dass mir beide
nachdrücklich den Zeitraum versichert haben, zu dem das alles schon
bekannt war, und damit Jahre vor Einsetzen einer möglichen
„Feindpropaganda” (vgl. Chaplin Der Große Diktator von 1940, dem damals
noch kaum Glauben geschenkt wurde). Es ist vom Zeitablauf und auch von
der Art der Kommunikation damals her ausgeschlossen, dass das von
irgendjemandem erfunden oder übertrieben sein könnte. ( ... ) Außerdem war es völlig unmöglich, das nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Denn, so haben mir meine Großeltern auch erzählt, die Nazis haben daraus
ja kein Geheimnis gemacht. Die Leute wurden ja mitunter auf offener,
belebter Straße einfach so erschossen, Wohnungen, Geschäfte wurden
geplündert. Es sei völlig ausgeschlossen, das irgendwer das nicht
gesehen und mitbekommen haben könnte. Sie haben mir das nur ein einziges
Mal, dabei aber sehr plastisch erzählt, was für eine schreckliche Zeit
das war. Meine Großmutter – die nicht mal Auto fahren konnte und nie
einen Führerschein hatte – hatte deshalb als junge Frau sogar eine
Pistole und heimlich sehr gut schießen gelernt, um im Notfall die
Familie zu verteidigen – oder sich das Schlimmste zu ersparen. Eine
kleine, zierliche, unscheinbare Frau, nur Hausfrau und Mutter, jederzeit
bereit zu schießen. Eben weil es allgemein bekannt war, was läuft. Nach
Kriegsende haben sie die Knarre schnell im Wald verbuddelt. Danisch
( ... ) Inzwischen haben sich mehrere Leute bei mir gemeldet, deren
Großeltern ihnen Ähnliches gesagt haben, wie meine. Auch dieses Maß „der
Hälfte” taucht ähnlich auf, aber einer konnte das genauer erklären:
Ich hatte ja gesagt, dass ich leider nicht nachgefragt hatte, was sie
mit „der Hälfte” meinten, und das als die Hälfte des ganzen
Nationalsozialismus 1933 bis 1945 angesehen. Im Vergleich mit den
Aussagen anderer Großeltern, über die mir Leser berichteten, ergibt sich
ein anderes Maß, nämlich dass sich das auf die Kriegszeit (1939-1945)
bezog und damit 1942 (und nicht wie von mir vermutet 1939) als die
„Hälfte” anzusehen ist. Das passt dann nämlich sogar exakt zum Bau der
Vernichtungslager nach der Wannsee-Konferenz im Januar 1942.
(Und damit lösen sich auch einige der Vorhalte, die mir Leute gemacht
haben, dass das nicht stimmen könne, weil es das 1939 noch nicht gab, in
Luft auf.)
Damit ist dann auch (endlich…) geklärt, was meine Großeltern mit der
„Hälfte” meinten, und das von mehreren Lesern über die Aussagen von
deren Großeltern bestätigt, die denen ziemlich genau das gleiche sagten.
Ich halte es damit für ziemlich gefestigt, über Zeitzeugen und
verschiedene Kanäle bestätigt, und um einen Interpretationsfehler von
mir bereinigt, dass der Holocaust im damaligen Deutschland (oder
jedenfalls im östlichen Teil, denn viele der Großeltern, die das gesagt
haben, scheinen aus dem Bereich zu kommen) ab 1942 allen bekannt war,
und zwar damals über private Kanäle und vertrauliche Informationen. Auch
wenn das bereits mitten im Krieg und damit potentiell in einem Zeitraum
möglicher Feindpropaganda war, halte ich es aufgrund des Zeitpunktes
und aufgrund der Art der Informationsquellen damit für ausgeschlossen,
dass das eine nachträglich konstruierte Legende sein könnte. Meine
Großeltern haben sehr deutlich gesagt, dass jeder ein Lügner sein müsse,
der sagt, davon nichts gewusst zu haben, weil die Vorgänge damals zu
offenkundig waren. Sie waren gegenüber solchen Ansichten völlig
verständnislos, weil sie das doch selbst gesehen und miterlebt hätten.
Das ist nicht etwas, was man den Leuten nachträglich erzählt haben kann.
Sie meinten aber, man habe es eben nicht laut sagen können und nach
außen so tun müssen, als wäre nichts. Viele seien dann nach dem Krieg
einfach dabei geblieben. So sei das wohl entstanden. Danisch
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