Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat vor den Folgen eines
ausufernden Multikulturalismus gewarnt. Lange Zeit habe Vielfalt als
Wert für sich gegolten, sagte Gauck nach einem Bericht der Rheinischer Post laut Redemanuskript am Mittwoch anläßlich seiner Gastprofessur an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.
„Ich verstehe, daß es auf den ersten Blick tolerant und weltoffen
anmuten mag, wenn Vielfalt derart akzeptiert und honoriert wird. Wohin
ein solcher Multikulturalismus aber tatsächlich geführt hat, das hat
mich doch erschreckt.“
Vorauseilender Rassismusverdacht
Er empfinde es als beschämend, wenn manche die Augen verschlössen vor
der Unterdrückung von Frauen in Deutschland und in vielen islamischen
Ländern, vor Zwangsheiraten, Frühheiraten, vor Schwimmverboten für
Mädchen in den Schulen. Ebenso wenn Antisemitismus unter Menschen aus
arabischen Staaten ignoriert oder mit dem Verweis auf die israelische
Politik für verständlich erklärt werde.
Oder wenn Kritik am Islam sofort unter den Verdacht gerate, aus
Rassismus und Haß auf Moslems geäußert zu werden. „Sehe ich es richtig,
daß in diesen und anderen Fällen die Rücksichtnahme auf die andere
Kultur als wichtiger erachtet wird als die Wahrung von Grund- und
Menschenrechten“, fragte Gauck.
Berechtigte Kritik als Rassimus verunglimpft
Sicher gebe es Haß auf und Diskriminierung von Moslems in
Deutschland. Sich dem entgegenzustellen, sei die Pflicht eines jeden
Einzelnen. „Beschwichtiger aber, die kritikwürdige Verhaltensweisen von
einzelnen Migranten unter den Teppich kehren, um Rassismus keinen
Vorschub zu leisten, bestätigen Rassisten nur in ihrem Verdacht, die
Meinungsfreiheit in unserem Land sei eingeschränkt“, warnte der
Ex-Bundespräsident. „Und sie machen sich zum Verbündeten von Islamisten,
die jegliche, auch berechtigte Kritik an Muslimen abblocken, indem sie
sie als rassistisch verunglimpfen.“
Zu viele Einwanderer lebten noch zu abgesondert mit Werten, die den
Gesetzen und Regeln und Denkweisen der Mehrheitsbevölkerung
widersprächen. Zu viele lebten seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten,
ohne die deutsche Geschichte zu kennen. Um dies zu ändern, brauche es
allem eines: „mehr Wissen übereinander. Mehr Dialog. Mehr Streit. Mehr
Bereitschaft, im jeweils Anderen unseren eigenen Ängsten, aber auch
neuen Chancen zu begegnen“, mahnte Gauck. JF
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