Wir sagen nicht mehr „Huren“ oder „Nutten“, das ist diskriminierend,
und in Zeiten von #metoo haben wir gelernt, auf unsere Wortwahl zu
achten. Es sind jetzt also Sexarbeiterinnen. Besondere Dienstleistungen.
Selbständige Unternehmerinnen im ältesten Gewerbe der Welt. Theoretisch
ist alles sauber und fein geregelt. Nur noch mit Kondom, schließlich
steht es im Gesetz. Und der Deutsche ist da korrekt. Verpflichtende
Gesundheitsuntersuchungen, Buchführung über die Kunden,
Umsatzsteuervoranmeldung bitte nicht vergessen. Kundenlisten mit
besonderen Vorlieben. Alles artig notiert. Mit Krankenversicherung,
Rentenbeiträgen und gewerkschaftlicher Vertretung.
Kommen wir zur Realität. Dort ist es nicht mehr sauber und schön und
auch nicht durch Ver.di organisiert, sondern durch Zuhälter aus
Osteuropa. Und nein, die Jungs zahlen keine Steuern und bringen ihre
Mädchen auch nicht zum Gesundheitscheck der AOK, sondern in das nächste
Flat-Rate-Bordell. „All you can f **k“ gibt es da auf der Karte.
Konsequent, wenn man Sexualität einmal von Intimität gelöst und zu einem
ganz normalen Job erklärt hat. Nur daß der „Blow-Job“ eben nicht über
die Bundesagentur für Arbeit vermittelt wird, sondern bestenfalls an
einer Bar. Wenn es schlecht läuft auf einem Straßenstrich für zehn Euro.
Die Legalisierung der Prostitution war ein Desaster
Die Legalisierung der Prostitution in Deutschland war keine
Errungenschaft, sondern ein Desaster. Jetzt boomt der Markt, die Polizei
schaut hilflos zu, und es verdienen kriminelle Banden. Es sind Gesetze
für die Utopie einer Gesellschaft, in der es nur gute Absichten,
emanzipierte Mädchen, anständige Männer und leidenschaftliche Buchhalter
gibt. Aber keine Gesetze für Frauen, die in Hinterzimmern gehalten und
verheizt werden. Aus Osteuropa, aus Afrika, aus Asien, die mit falschen
Versprechungen hergelockt wurden. Freiwillige Dienstleistungen? Blanker
Zynismus. In der Realität kommen wir jetzt kaum an sie heran. Auch
nicht, um ihnen aus dieser Hölle zu helfen.
Da arbeitet sich ein ganzes Land ekstatisch dem nächsten
Sexismus-Debatten-Höhepunkt entgegen, verschließt aber beide Augen
angesichts von Zehntausenden von Frauen, teilweise Minderjährigen, die
als Zwangsprostituierte ausgebeutet werden. Mitten in Deutschland, oder
wie das Ausland sagt: im Bordell Europas. Wir hängen Werbeplakate mit
Bikini-Mädchen ab, ignorieren aber die real Halbnackten am
Straßenstrich. Das ist der wahre Angriff auf die Würde der Frau.
Sexuelle Vielfalt von ihrer bösen Seite.
Ich will mich nicht an die Normalität gewöhnen. Würden Sie diesen Job
Ihrer Tochter empfehlen? Oder beim nächsten Stehempfang über die
Qualitäten der konsultierten Sexarbeiterin von letzter Nacht
fachsimpeln? Eben. Wir spüren alle, daß es falsch ist. Warum dulden wir
es also? Birgit Kelle
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