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Sonntag, 25. Februar 2018

Schlimmer als Italien


Wenn ein Abgeordneter aus einer der Parteien, die schon länger hier regieren, im Bundestag mal eine amüsante Rede hält, sind sie bei der Wahrheits- und Qualitätspresse dermaßen glücklich, dass sie ihn gleich zum Genie erheben. Solch rührende mediale Nobilitierung widerfährt gerade dem CDUler Philipp Amthor wegen dieses Auftritts.

Das macht er zweifellos gut, der jüngste CDU-MdB, aber wenn man genau hinhört, erschöpft sich seine Argumentation in Hinweisen auf die gängige Rechtsprechung, vor allem jener des Bundesverfassungsgerichts. Das mag vor Gericht als Argument hinreichen, aber nicht im Parlament. Die gängige Rechtsprechung ist ja eben bloß gängig, also relativ, den Machtverhältnissen und dem Zeitgeist unterworfen bzw. zumindest von beidem beeinflusst; eine höhere Dignität kommt dieser Rechtsprechung nicht zu. Wie alle staatlichen Institutionen bis hin zum Staatsfunk haben die Parteien auch das höchste deutsche Gericht als Beute genommen und nach Proporz besetzt. Hadmut Danisch reflektiert regelmäßig so kenntnisreich wie tiefschürfend über Risiken und Nebenwirkungen dieser Umwandlung der Karlsruher Kammer in eine Art Oberstes Gericht der DDR light (etwa hier, hier und hier). Die gängige Rechtsprechung zu ändern – und, als Ideal- und Fernziel, das höchste Gericht gänzlich dem Einfluss der Parteien zu entziehen –, ist eine politische Mission, der sich eine Partei der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlen sollte, während die etablierten Parteien ihre Beute natürlich mit Klauen und Zähnchen verteidigen werden.
Im Übrigen sind weder der Niqab noch die Burka noch irgendeine andere Art der weiblichen Verschleierung religiöse Symbole, die unter die Religionsfreiheit fallen; es gibt von Seiten des Propheten keine einzige Anweisung zur Gesichtsverschleierung, jeder islamische Rechtsgelehrte wird das bestätigen.
Die einzige diesbezügliche Vorschrift findet sich in Sure 24,31. Muhammad Asad überträgt den entscheidenden Passus in seiner kommentierten Übersetzung Die Botschaft des Koran wie folgt: "Und sag den gläubigen Frauen, ihren Blick zu senken und auf ihre Keuschheit zu achten, und nicht ihre Reize (in der Öffentlichkeit) über das hinaus zu zeigen, was davon (schicklicherweise) sichtbar sein mag; darum sollen sie ihre Kopfbedeckung über ihren Busen ziehen." Hartmut Bobzin übersetzt: "... dass sie ihren Schmuck nicht zeigen sollen bis auf das, was ohnehin zu sehen ist, und dass sie sich ihren Schal um den Ausschnitt schlagen"; Max Hennig: "... daß sie nicht ihre Reize zur Schau tragen, es sei denn, was außen ist, und daß sie ihren Schleier über ihren Busen schlagen".
Im Kommentar zu dieser Passage schreibt Asad: "Obwohl die traditionellen Ausleger des islamischen Rechts jahrhundertelang dazu neigten, die Definition dessen, 'was (schicklicherweise) sichtbar sein mag', auf das Gesicht, die Hände und die Füße einer Frau zu beschränken – und manchmal noch weniger als das –, dürfen wir durchaus annehmen, daß die Bedeutung von von illa ma zahara minha viel weiter ist und daß die absichtliche Unbestimmtheit dieser Wendung all den zeitgebundenen Veränderungen Raum geben soll, die zum moralischen und gesellschaftlichen Wachstum des Menschen notwendig sind. (...) Das Wort khimar bezeichnet die der Sitte nach von den arabischen Frauen vor und nach der Ankunft des Islam gebrauchte Kopfbedeckung. Nach den meisten klassischen Kommentatoren wurde sie in der vorislamischen Zeit mehr oder weniger als Schmuck getragen und lose über dem Nacken der Trägerin heruntergelassen; und da in Übereinstimmung mit der zu dieser Zeit vorherrschenden Mode das Oberteil des Frauengewandes vorn eine weite Öffnung hatte, waren die Brüste unbedeckt. Daher bezieht sich die Anweisung, den Busen mit einem khimar (ein den Zeitgenossen des Propheten so vertrauter Begriff) zu bedecken, nicht notwendigerweise auf den Gebrauch eines khimar als solchen, sondern soll vielmehr klarmachen, daß die Brüste der Frau nicht in die Vorstellung dessen einbezogen sind, was von ihrem Körper 'schicklicherweise sichtbar sein mag'".
Man könnte sogar sagen: Burka und Niqab sind unislamisch. Wer diese Beduinensitten importieren will, muss es also anders begründen.   MK am 25. 2. 2018

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