Stationen

Sonntag, 6. November 2016

Ginnungagap


5. November 2016


Gemeinsam mit meinem Jüngsten besuchte ich erstmals das Münchner Völkerkundemuseum, um dort zunächst festzustellen, dass der schöne neogotische Bau gar nicht mehr so heißt, seit 2014 sogar schon, denn damals ward er umgetauft auf den Namen „Museum Fünf Kontinente“. So könnte freilich auch jedes naturkundliche Museum heißen, weshalb ich nachschlug, mit welcher Begründung die Umbenennung vor zwei Jahren wohl stattgefunden haben mag. Damals schrieb die Münchner Lokalpresse, die musealen Wiedertäufer seien von dem edlen Drang beseelt gewesen, einen durch den Kolonialismus und vor allem durch den Nationalsozialismus kontaminierten Terminus zu tilgen und einen zeitgemäßeren an seine Stelle zu setzen.

„Weltoffen seit 1862“, steht wiederum auf einem Plakat in der Eingangshalle. „Uns leiten Weltoffenheit und Toleranz“, ist gleich darunter noch einmal zu lesen, für den Fall, dass ein paar Begriffsstutzige unter den Besuchern nicht kapiert haben, wo es langgeht. Als „erstes ethnologisches Museum in München“ sei das Dingenskundemuseum weiland gegründet worden, und bis heute biete es „einen einzigartigen Zugang zum kulturellen Reichtum der Menschen in aller Welt“. (Muss es nicht übrigens heißen: „der Menschen da draußen in aller Welt“?) Der Eiertanz um das V-Wort endet mit einer veritablen Gauckiade: „Wir laden Sie dazu ein, die Vielfalt der Kulturen und der sie prägenden Menschen kennenzulernen. Dabei leiten uns Offenheit und Respekt, denn wir wollen einen Beitrag leisten zum gegenseitigen Verständnis und zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung – auch in unserem Land.“

Dieses „auch“ ist natürlich dreist, eigentlich muss es ja „insbesondere“ oder „gerade“ heißen, aber neben den orgiastischen Offenheitsbekenntnissen fällt das relativierende Adverb nicht weiter auf. Ein globales Bevölkerungskunde- oder eben Fünf-Kontinente-Museum hat schließlich ein solches Bekenntnis noch dringender nötig als ein Bordell. Die braven bürgerlichen Gelehrten, die ab dem frühen 19. Jahrhundert als Forschungsreisende so neu- wie altgierig in die entlegensten sogenannten Winkel der Welt aufbrachen, um die dortigen Völker und versunkenen Hochkulturen zu erforschen, wurden dagegen geleitet von Rassehochmut und Kulturchauvinismus, ihre Offenheit war voller Dünkel, ihr Respekt gönnerhaft, ihr Blick auf die Vielfalt der Kulturen und der sie prägenden Menschen kolonialistisch und völkisch. Zwar haben ihre Nachfahren nicht nur von den kulturellen Traditionen exotischer Völker, sondern sogar von ihrer eigenen oft kaum mehr ein Ahnung, aber dafür wissen sie, dass sowieso alle Kulturen gleich sind und nun gewissermaßen aus dem Delta der jeweiligen Eigenart in den Welteinheitsozean der Diversity münden, womit es im Grunde überflüssig ist, sich mit einer speziell zu beschäftigen.

Wo bleibt das Positive, Genosse? Nun, in einem Ausstellungsraum über Burma, das heutige Myanmar, stieß ich auf das hübsche Zitat: „Was der Birmane erübrigt, legt er im Goldschmuck seiner Frau oder für festliche Veranstaltungen an.“ Es stammt allerdings von zwei Völkerkundlern – pardon Ethnologen – aus dem frühen 20. Jahrhundert und ist in seiner Undifferenziertheit – „der Birmane“! – wahrscheinlich bloß bislang übersehen worden.

PS: Leser*** weist darauf hin, dass das ehemalige Völkerkundemuseum zu Frankfurt am Main heute Weltkulturen Museum ("mit Deppenleerzeichen") heißt. Die Namensänderung erfolgte dortselbst bereits 2001. Unter welche Streber ist man hier bloß geraten...



Sich mählich absentierender 4. November 2016

Bezug nehmend auf meinen Eintrag vom 2. November schreibt Leser ***, Rechtsanwalt aus***:

"Werter Herr Klonovsky, zur Definition der Einwanderer:
Ein Asylbewerber wird in seinem Land verfolgt (wenn seine Angaben stimmen), ein Flüchtling muß konkret eine Verfolgung fürchten, z.B. als Christ in einem moslemischen Land, dessen Glaubensbrüder gerade umgebracht werden.
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist man aber nur im nächsten sicheren Land Flüchtling, z.B. als Syrer in der Türkei. Reist man dann weiter über Griechenland, Serbien usw. flüchtet man ja nicht mehr vor dem Krieg. Das EU-Recht behandelt aber wohl die Flüchtlinge prinzipiell wie politisch Verfolgte und geht damit weiter als die Genfer Konvention (die eh nur den Staat verpflichtet, keine individuellen Rechte gibt).
Wer Syrien verläßt, um sich und seine Familie aus dem Kriegsgebiet in Sicherheit zu bringen (ein nachvollziehbares Motiv), ist weder Flüchtling noch Asylbewerber, sondern Vertriebener.
Er genießt nach den deutschen Gesetzen 'subsidiären Schutz', erhält nur ein befristetes Bleiberecht und soll nach Beendigung des Krieges wieder in seine Heimat. Der Familiennachzug ist für diese Gruppe auch zunächst einmal ausgesetzt worden. Die Anzahl der Syrer, die nur subsidiären Schutz genießen, steigt in den Verfahren prozentual zwar an, aber eigentlich müssen wir doch davon ausgehen, daß dies die weit überwiegende Mehrheit ist. Weil diese Einstufung den Betroffenen nicht paßt, rollt gerade ein Klagewelle.
Im übrigen dürfte ein großer Teil der syrischen Männer sich vor dem Kriegsdienst in Sicherheit bringen wollen. Dieses Motiv haben Gerichte aber in der Vergangenheit nie anerkannt, auch nicht in den schlimmsten Diktaturen. Aber vielleicht können Merkel und Co. mit dieser 'Tour' Assad die Rekruten entziehen....
 Ihre Vorstellungen – wenn ich sie richtig verstehe –  entsprechen also durchaus der Rechtslage, nur bricht die Merkel-Regierung die Gesetze am laufenden Meter (vgl. nur Art 16a GG, 'sicherer Drittstaat')."    MK am 4. und 5. 11. 2016

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