Peter Eisenman, Architekt des Berliner Holocaust-Mahnmals,
gibt seit über fünfzehn Jahren Interviews, die um sein größtes,
wichtigstes und sinnlosestes - falls man sinnlos überhaupt steigern kann
- Werk kreisen. Bereits vier Jahre vor der Eröffnung des Stelenfeldes,
im Januar 2001, sprach er sich in einem Interview mit der ZEIT
präventiv dagegen aus, „Aufmärsche von Neonazis am Mahnmal verbieten zu
lassen“. Denn: „Warum sollte das Holocaust-Mahnmal nicht der Ort sein,
an dem diese Energie zum Ausdruck kommt? Wenn die deutsche Gesellschaft
diese Potenziale in sich trägt, dann kann und sollte man solche
Demonstrationen nicht verhindern. Man kann doch keinen Stacheldraht um
das Gelände ziehen und Wachtürme aufstellen.“
Well put, Mr. Eisenman. Noch besser wäre es nur noch, wenn solche
Aufmärsche vor Ihrem Haus stattfinden würden. „Diese Energie“ verdiente
es, an der Stelle zum Ausdruck zu kommen, an der das Holocaust-Mahnmal
konzipiert wurde.
Vier Jahre später, im Dezember 2004
und immer noch vor der Einweihung der Anlage, sagte er in einem
Interview mit der ZEIT: „Das Mahnmal versucht, die Macht dieser
Medienbilder (der Fotos und Filme über den Holocaust) zu brechen. Es
versucht, die Hegemonie des Visuellen zu überwinden, es setzt auf
primäre körperliche Erfahrung, auf Affekte.“ Die Arbeit an dem Mahnmal
habe für ihn eine therapeutische Wirkung gehabt. „In meinen Jugendjahren
fühlte ich mich nicht als Jude, meine Eltern waren assimiliert. Wir
sind nie in den Tempel gegangen, und natürlich gab es bei uns zu
Weihnachten einen Tannenbaum. Dennoch spüre ich so etwas wie eine
jüdische Empfindsamkeit. Und die hat sich durch meine Erfahrung mit
diesem Projekt noch gesteigert.“
Und wenn er den Auftrag bekommen hätte, eine Autorennbahn zu bauen,
hätte das bestimmt seine Empfindsamkeit als Streckenposten bei einem
Seifenkistenrennen gesteigert.
Weitere zehn Jahre später, im Mai 2014
wurde Eisenman von der ZEIT befragt, was er von den „Rissen“ an den
etwa 50 Stelen halten würde, die von „Metallmanschetten“
zusammengehalten werden müssten, damit sie nicht einstürzten. Ob die
Risse als Symbole verstanden werden könnten, „als Zeichen eines
schwindenden Gedenkens an den Holocaust?" Darauf Eisenman: „Sie können
das sehen, wie Sie wollen. Ich habe keine Ahnung, wie die Menschen die
Risse verstehen. Ich spekuliere ganz sicher nicht über ihre Bedeutung.
Wenn ich an meine Zimmerdecke schaue, dann sehe ich eine durchgebrannte
Glühbirne.“
Wichtiger als die Bedeutung der Risse wäre, dass er im Iran nicht
auftreten durfte: „Erst vergangene Woche verweigerte mir der Iran die
Erlaubnis, dort eine Rede zu halten – weil ich der Architekt des
Holocaust-Mahnmals bin. Die Iraner sind zu einem großen Teil Leugner des
Holocaust, also müssen sie auch mich als den Architekten dieses
Mahnmals ablehnen.“
So gesehen, hätte das Holocaust-Mahnmal eigentlich in Teheran und
nicht in Berlin gebaut werden sollen. Aber Lea Rosh hatte sich nun mal
für Berlin entschieden, und rückblickend war das auch gut so. Denn
heute, so Eisenman vor kurzem in einem weiteren Interview mit der ZEIT,
heute „wäre der Bau des Stelenfelds mitten in der deutschen Hauptstadt
heute nicht mehr möglich“. Fremdenhass und Antisemitismus hätten in
Deutschland und den USA stark zugenommen, die konservative Rechte
gewinne an Einfluss. „Das gesellschaftliche Klima hat sich gewandelt,
vieles, was bislang als akzeptabel galt, wird nun infrage gestellt.“
Moment mal, Mr. Eisenman, war das Holocaust-Mahnmal nicht auch dazu
gedacht, Fremdenhass und Antisemitismus entgegen zu wirken? Dafür zu
sorgen, dass sich „so etwas“ nie wiederholt? Und jetzt hören wir,
Fremdenhass und Antisemitismus hätten stark zugenommen. Wie konnte das
nur passieren? War das Mahnmal nicht groß genug? Hat es mit der
Überwindung der Hegemonie des Visuellen nicht geklappt? Werden Sie es
uns im nächsten Interview mit der ZEIT erklären? HMB
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