Stationen

Donnerstag, 10. November 2016

Mistress Germany

In Amerika haben sie eine wundersame Demokratie. Da liefern sich erst zehn, dann fünf, dann vier, drei und schließlich zwei Kandidaten mit zum Teil fundamental unterschiedlichen politischen Positionen eine monatelange öffentliche Wahlschlacht, und am Ende gewinnt einer bei ziemlich ausgeglichenem Gesamtstimmenverhältnis. Diesmal ein Mister Trump, ein alter, weißer Mann. Schlimm, aber legal, ja sogar legitim. Der Mann ist leider kein Lehrer oder Beamter, er hat auch keine Parteikarriere hinter sich, er hat sich nie in einer Ortsgruppe bewährt. Er ist vielmehr Milliardär, ein Kapitalist also, aber er trat immerhin als absoluter Außenseiter und spinnerter Uhu an, niemand setzte auch nur einen halben Dollar auf ihn, doch gegen alle Widerstände schaffte er es und wurde 45. Präsident der USA. In einer Demokratie solchen Zuschnitts ist offenbar so ziemlich alles möglich.

Andere Demokratien haben daraus gelernt. Etwa im fernen Germany, wo eine Art Mistress Germany vor die Mikrophone trat und sagte: Wenn der Mann sich an die demokratischen Spielregeln halte, werde sie mit ihm kooperieren. (Und was wenn nicht?) Falls der neue US-Präsident nicht ganz im Bilde ist, was die Regeln sind, buchstabierte die Lady, Kanzlerin geheißen, sie noch mal durch: "Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht sowie der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an." Wie Frau Holda sie unter anderem auch Sultan Recep Tayyip dem Prächtigen beharrlich anbietet.

"Respekt vor dem Recht", bei diesen Worten mag der Donald in Übersee, falls ihm der Sermon zugetragen wurde, erheitert aufgegrunzt haben. Immerhin ist die Frau eine x-fache Rechtsbrecherin, sie brach deutsches und EU-Recht in der Masseneinwanderungsstaatskrise wie Strohhalme, aber sie tat dies nur im Dienste des Respekts vor der Religion, der Würde des Menschen und des Geschlechts (wozu womöglich auch gewisse nordafrikanische Geschlechtsteile gehören, aber wir wollen nicht spekulieren). Jedenfalls werden die verbindlichen demokratischen Spielregeln in Deutschland festgelegt. Muss Trump noch lernen. Er kann ja mal Beobachter nach Deutschland schicken und gucken, wie unglaublich pluralistisch die Kanzlerinnen-Demokratur funktioniert, wie elegant und divers in Old Germany debattiert wird, und wie in Miss Merkels kurioserweise noch christdemokratisch geheißener alternativloser Einheitspartei die Kandidatenschlacht ersetzt worden ist durch die rechtzeitige Schlachtung von Kandidaten.

Merkels Parteifreundin, die wiederum allen Ernstes sogenannte deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – das ist die Frau, die Kampfpanzer schwangerentauglich machen will, von innen aber nur – fühlte sich von der Wahl Trumps "schwer schockiert". Wie quasi die gesamte CDU.

Da wollten die roten Strolche von der SPD natürlich nicht unschockiert abseits stehen. Vor die Kamera trat Frank Walter Ribbenmeier, und zwar um Trump ausdrücklich nicht zu gratulieren. "Das Ergebnis ist anders als die meisten in Deutschland sich das gewünscht haben", kommentierte der Außenamtschef. Skandalöserweise wurden die Deutschen aber nicht gefragt, weshalb große Teile der Wehrmacht nun von der Ostfront nach Westen verschoben werden müssen. Man dürfe nicht auf Trump schauen "wie das Kaninchen auf die Schlange", sagte Steintrop. Anders als sonst immer wolle er diesmal "nichts schönreden".

Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel kabelte, Trump sei der "Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationalen". Der Republikaner wolle ein "Rollback in die alten, schlechten Zeiten", als er noch dünn und Deutschland geteilt war. Sein stets origineller Genosse Ralf Stegner notierte: "Wenn dieser Rechtspopulist und sexistische Hassprediger US Präsident wird, dürfen wir uns auf einen politischen Kälteschock gefasst machen." Ab: jetzt!

Die Grünen lassen wir weg, bei denen wäre sowieso die Frau Präsidentin geworden. Schauen wir stattdessen, was Spitzenvertreter der Qualitäts- und Wahrheitspresse äußerten.

Willkommen bei "Drei Fatzkes, eine Meinung"! (Die Ziffer ist natürlich variabel.) "Die Wahl Trumps ist das Ende des Westens", twitterte etwa der Premiumjournalist Jakob Augstein. "1776&1789 entstand der Westen, 2016 verabschiedet er sich", ließ sich sein Kollege Nils Minkmar nicht lumpen (nebenbei: Der Westen entstand um 500 v. Chr. und wurde 1789 tödlich verletzt, aber das nur am Rande). "Mein Kumpel Minkmar was right: the end is near", sekundierte der andere, noch coolere Premiumjournalist, Ulf Porschardt. Ich schließe mich diesen Hoffnungen an. Den Dreien sofort weit voraus war übrigens der an Fascholalie erkrankte Moritz von Uslar, Allah schenke ihm demnächst wenigstens das Hirn einer Zikade: „Das Land, das uns vom Faschismus befreit hat, wählt den Faschismus.“ Gilt in Richtung Osten wie in Richtung Westen. Ist aber heilbar.

Geneigter Leser, nicht böse sein, dass ich hier schon aufhöre, aber ich will erstens weiter tanzen und die Trump-Wahl feiern, wie es ein fröhlicher Rechtspopulist eben tut, mit Champagner, Kaviar, Austern, Hummer, Seeigel und so fort. Außerdem kann ich, zweitens, hier nicht jeden Kretin zu Wort kommen lassen, denn wenn die Acta diurna später als Buch erscheinen, bekommen sie ein Register, und wie sieht das mit solchen Namen darin denn aus? Ich muss schließlich auch an die asiatischen Philologen und Historiker denken, die sich in hundert Jahren über diese Texte beugen. Kurzum: Es langt. Obwohl ich gern die Sängerin Cher zitieren würde, die sich wegen des Wahlergebnisses an Deutschland 1933 erinnert fühlt, vielleicht auch an ihre erste Schönheitsoperation im selben Jahr. Aber gut, einer geht noch: Der Grünen-Politiker Johannes Rehborn twitterte: "Dieser Moment, wenn man sich fürs weiß sein schämt. Und dafür Mann zu sein." Schau an, dieser Obszönitäts-Athlet schämt sich nicht mehr für Auschwitz, sondern für Trump. Ich kann den Buben allerdings beruhigen: Er ist weder als Mann noch als Weißer bislang irgendwem aufgefallen, und strenggenommen auch als Johannes Rehborn nicht. Und die Scham würde ich an seiner Stelle lieber auf die Orthographie lenken.

Nein, diese Deutschen – näherhin ihre sogenannten Eliten –, sie haben einfach einen Knall! Wenn die Kanzlerin das Land mit Analphabeten, Frauenverächtern, Christenverfolgern und Antänzern flutet, schreien sie "Freiheit!" und "Menschenrechte!" und "Willkommen!" Wenn aber in den USA in urdemokratischen und freien Wahlen ein Mann Präsident wird, den sie für den Falschen halten, weil er ihre kulturelle Hegemonie gefährdet, beschimpfen sie den Mann und seine Wähler, als gäbe es kein Morgen. Berlin hält sich für das neue Rom, doch statt Legionen entsendet es Moralscheißer, um die Welt am deutschen Wesen genesen zu lassen. Mal sehen, an welches Hosenbein sich diese trostlosen Figuren verkriechen, wenn Trump einmal grimmig die Stirn runzelt. Zu Putin jedenfalls brauchen sie nicht gehen, der wird sie verächtlich abstreifen.    MK am 10. 11. 2016

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