Zunkuftstechnologien haben in Deutschland einen schweren
Stand. Der volkswirtschaftliche Schaden, der von den Technikfeinden
verursacht wird, zählt viele Milliarden Euro. Und er geht immer wieder
mit menschlichem Leid einher. Ein unrühmliches Beispiel hierfür lieferte
auch der ehemalige hessische Umweltminister Joschka Fischer. So waren
Zuckerkranke lange Zeit auf Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von
Schlachttieren angewiesen, welches zu schweren Abwehrreaktionen und
Folgeschäden wie Erblindung führen kann.
Doch der grüne Minister Fischer erlaubte die gentechnische Produktion
von besser verträglichem Insulin bei Hoechst in Frankfurt nicht. Die
Zulassung der Produktionsanlage nahm insgesamt 14 Jahre in Anspruch. Das
war das Fanal zum Rückzug. Danach sind viele deutsche Großunternehmen
mit ihrer Forschung in die USA gegangen – eine Art Mini-Kapitulation.
Der Einsatz von gentechnisch erzeugtem Insulin ist heute
Alltag. Diabetiker würden keinen so hohen Standard in der Versorgung
haben, wenn es keine „Gentechnik“ gäbe.
Der Chemie- und Pharmariese Hoechst ging mit einem französischen
Unternehmen zusammen und verlegte seinen Sitz nach Straßburg. Heute gibt
es die Firma praktisch nicht mehr, zum Niedergang trugen die
alarmistischen und oft unberechtigten Angriffe übermotivierter
Umweltschützer und die Obstruktionspolitik der Grünen zu einem nicht
geringen Anteil bei. Anfang der 1990er Jahre erreichte der Konzern mit
180.000 Beschäftigten noch einen Jahresumsatz von 47 Milliarden DM und
einem Gewinn von über vier Milliarden Deutsche Mark.
Sind die Technikverächter aus dem Schaden klug geworden? Nein, es
muss in dieser Szene ein Resistenz-Gen gegen Lehren aus der jüngeren
Vergangenheit geben. Einzelschicksale zählen für den Technikfeind
ohnehin nicht, wenn es um das Grundsätzliche geht. Aktuell sind die
deutschen Energieriesen wie RWE oder E.on nur noch ein Schatten ihrer
selbst, weil die politisch verordnete Energiewende ihnen das
Geschäftsmodell entzog. Auch hier bleiben viele tausend Arbeitsplätze
auf der Strecke, und der Treck ins Ausland hat begonnen. Die Geschichte
von Hoechst wiederholt sich, leider nicht als Farce.
In Kalkar am Niederrhein hat sich die deutsche Technikfeindlichkeit
ein bizarres Denkmal gesetzt: Der für siebeneinhalb Milliarden Mark
errichtete schnelle Brüter ging nach jahrelangen Großdemonstrationen nie
ans Netz. Er wurde für ein halbes Promille der Bausumme an einen
holländischen Freizeitparkbetreiber veräußert. Im
„Kernwasser-Wunderland“ drehen sich jetzt Karussells und Kletterer
hangeln sich am Kühlturm empor. Die ehemaligen Konferenzräume werden von
Skatrunden und Karnevalisten angemietet. Mit diesem grünen
Alternativentwurf des zukunftsfähigen Deutschland lässt sich ja leben,
es beunruhigt nur eine Frage: Wo kommt der Strom für das Karussell her?
Besucher aus Asien, Osteuropa oder Afrika können die Geschichte von
Kalkar kaum glauben. In den Kohlegruben der Welt kommen jedes Jahr
hunderte von Bergleuten bei Unglücken ums Leben, die Zahl der durch die
staubige Arbeit unter Tage schwer Lungenkranken geht in die Millionen.
Die Kernenergie in Westeuropa ist demgegenüber eine mustergültig sichere
Angelegenheit. Doch die Hohepriester des Ausstiegs haben solche
Vergleiche erfolgreich mit Tabu belegt.
Von Atom- bis Pharma-Forschung, über das in USA überragend
erfolgreiche Fracking bis zur grünen Gentechnik, die Reihe erfolgreicher
Fortschrittsblockaden lässt sich beinahe endlos fortsetzen. Und es geht
hierbei nicht um Kavaliersdelikte. Eine ablehnende Haltung gegenüber
Naturwissenschaft und Technik hat heute schon fatale und vielfach
tödliche Folgen.
Mit eiferndem Elan wird unsere Fähigkeit untergraben, gegenwärtige
und künftige Menschheitsprobleme zu lösen. Dabei lehrt uns die
Geschichte, dass sich die Gesellschaften in der Vergangenheit häufig
gerade gegen jene Innovationen wehrten, die später zu einer Grundlage
einer besseren Zukunft wurden. Ob in Wissenschaft, Technik, Ethik,
Ökonomie oder Politik – bevor unsere Vorfahren ihre Erfinder und
Innovatoren feierten, hatten sie sich den Neuerungen oft widersetzt.
Als 1874 eine Pockenimpfung für Kinder vorgeschrieben wurde, etablierte
sich beispielsweise sogleich der „Deutsche Reichsverband zur Bekämpfung
der Impfung“. Die befürchteten Nebenwirkungen blieben weitgehend aus,
stattdessen wurden Millionen von Menschenleben gerettet. Die Pocken
wurden zur ersten praktisch völlig besiegten Infektionskrankheit.
Anstatt daraus zu lernen, haben die Impf-Gegner heute wieder munteren
Zulauf. Viele Eltern unterlassen es beispielsweise, ihre Kinder gegen
Krankheiten wie Masern impfen zu lassen. Eine natürliche Infektion, so
geht das Gerücht, trainiere den Organismus des Kindes besser und schütze
so wirksamer vor Krankheit. Doch gibt es für die Hypothese,
Kinderkrankheiten würden die Immunabwehr stärken, keinen einzigen
wissenschaftlichen Beleg. Während die Krankheit in einigen anderen
Industrieländern praktisch ausgerottet ist, erkranken in Deutschland wieder mehr Kinder an Masern.
Virologen sprechen hinter vorgehaltener Hand vom W-Problem, dem Waldorfschulenproblem,
wo Masernausbrüche geballt auftreten, weil Eltern hier gerne bewusst
auf Impfungen verzichten. In allen Punkten schneiden Kinder aus sozial
höher gestellten Familien gesundheitlich besser ab als weniger begüterte
Altersgenossen – bis auf eine Ausnahme: Sie sind überdurchschnittlich
häufig nicht gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft, obwohl es ihre
Eltern besser wissen müssten. Eine bezeichnende Metapher für das
fehlgeleitete grüne Denken der gehobenen Bildungsstände.
Die Natur ist gut, der Mensch ist schlecht. Das Natürliche: rein,
unverdorben, heilig. Das Künstliche: sündhaft, schmutzig, verderbt.
Erlösung verspricht einzig der „ökologische Kreislauf“, der die
individuelle Vergänglichkeit in den ewigen Zirkel der Natur
transzendiert. „Der Ökologismus ist heute eine der einflussreichsten
Religionen der westlichen Welt,“ schrieb einmal der verstorbene
Schriftsteller Michael Crichton. „Es scheint die bevorzugte Religion
urbaner Atheisten geworden zu sein.“
Allerdings haben wir es hier jedoch mit einem religiösen Bekenntnis
zu tun, das sich selbst für durch und durch rational, ja
wissenschaftlich fundiert hält. Ganz wie die anderen großen Ideologien
des 20. Jahrhunderts, halten Ökologisten ihre Weltsicht für eine
Bestandsaufnahme unleugbarer, naturgesetzlicher Tatsachen. Der
Ökologismus tritt im Gewand der Wissenschaft auf, imitiert ihre
Ausdrucksweise und maßt sich ihre Autorität an.
Das macht den Umgang mit seinen Anhängern so schwierig. Diskussionen
um ökologische Streitfragen geraten oft deshalb so unversöhnlich, weil
die gegensätzlichen Parteien nur scheinbar über das gleiche verhandeln.
Die einen reden über den Schutz der Umwelt oder der Natur und den besten
Weg dorthin. Den anderen geht es unausgesprochen darum, den Menschen
mit Hilfe eines einfachen und geschlossenen Weltbildes Halt zu geben.
Mythen und Legenden überwuchern das Umweltthema.
Erkenntnisse, die durch unabhängiges Denken und Forschen gewonnen
werden, stehen oftmals im Gegensatz zu den Glaubenssätzen des
Ökologismus, der sich von der Ökologie (der Wissenschaft vom
Ineinanderwirken der Organismen) immer weiter entfernt hat.
Verwirrenderweise wird in den Medien und in der Umgangssprache meist von
„Ökologie“ geredet, wenn „Ökologismus“ gemeint ist.
Kein Forscher wird heute mehr ernsthaft behaupten, es gäbe in der
Natur ein Gleichgewicht. Stand des Wissens ist, dass die Evolution durch
extreme Ungleichgewichte voranschreitet. Dennoch gehört das Motiv des
„natürlichen Gleichgewichts“, der „Balance“, nach wie vor zu jeder
Sonntagsrede. Auch die ökologistische Vorliebe für das Ländliche,
Bäuerliche – im Gegensatz zur verdorbenen Industriekultur – ist mit
ökologischen Fakten nicht zu vereinbaren. Nüchtern betrachtet, nimmt die
Primärwirtschaft auch heute noch wesentlich mächtiger Einfluss auf
Landschaften, Pflanzen und Tiere als jedes Atomkraftwerk und jede
Autofabrik. Archaische Praktiken wie Brandrodung, Jagd, Fischerei oder
die Umwandlung von Wäldern in Ackerland verändern die Natur des Planeten
erheblich stärker als die moderne Technologie, die den Ökologisten so
suspekt ist.
Wer ökologische Forschung betreibt, orientiert sich ergebnisoffen an
messbaren Tatsachen. Der Münchner Ökologe Josef H. Reichholf sagt über
den Ökologismus, er habe sich der Ökologie bemächtigt und „zu einem
religionsartigen Lebensmodell entwickelt, das uns in immer stärkerem
Maße vorschreibt, was zu tun und zu lassen ist.“
Das ist das Terrain der Öko-Funktionäre in Politik und
Nicht-Regierungsorganisationen (NGO). Sie dulden keinen Zweifel am Heil
durch „Nachhaltigkeit“ oder an der Gewissheit, dass die
„Klimakatastrophe“ kommt. Al Gore schreibt in „Wege zum Gleichgewicht“
(1992): „Leugnung ist die Strategie derer, die zu glauben wünschen, dass
sie ihr suchtabhängiges Leben ohne schlimme Auswirkungen auf sich
selbst und andere fortsetzen können.“ Der politische Gegner kann nur
noch als pathologischer Fall wahrgenommen werden.
Der langjährige Greenpeace-Vorsitzende und heutige Greenpeace-Dissident Patrick Moore erinnert sich in einem Interview:
„Greenpeace startete damals bei uns in Kanada eine Kampagne gegen
Pragmatismus und Kompromisse. Das war die Stunde der Ideologen, jeder
der von nun an geringfügig von der Linie abwich, wurde zum Verräter
gestempelt. Und plötzlich war auch ich einer. Ein paar meiner alten
Kumpels haben mich 'Öko-Judas‘ genannt und behauptet, ich hätte
mich kaufen lassen. Es ist eine schlimme Entwicklung, dass Greenpeace
sich von der Logik und der Wissenschaft verabschiedet hat. Mehr und mehr
werden die Kampagnen mit Gefühlsappellen, Angstmacherei,
Falschinformationen und schmutzigen Tricks geführt.“
Die Immunisierung gegen Kritik – vor allem, wenn sie aus den eigenen
Reihen kommt – ist eines der totalitären Muster, die in der grünen
Bewegung um sich gegriffen haben. Das Gruppendenken kreist um Kategorien
wie „Treue“ und „Verrat“. Zweifel dienen dem Feind. Moralisch
aufgeladene Kampfbegriffe dulden keinen Widerspruch.
Der holländische Umwelt-Historiker Wygbert-Versteegen charakterisiert
dieses Weltbild als „Green Thinking“. Es beruht auf subjektiven und vom
herrschenden Zeitgeist gebauten Pfeilern: Man betrachtet den Menschen
immer nur als Verbraucher und Verursacher, nie als Problemlöser und
Erschaffer. Der Mensch wird häufig sogar als „Krebsgeschwür des
Planeten“ verachtet. Technik gilt nicht mehr länger als Lösung von
Problemen, sondern meist als deren Ursache. Eine vorgeblich immer
schnellere technische und ökonomische Entwicklung soll gebremst werden.
Der freie Markt und seine Akteure gelten als räuberisch und oft gegen
das Allgemeinwohl gerichtet. Und dieses Denken wird zu allem Überfluss
als alternativlos imaginiert.
Mahnen und Warnen, Moralisieren und Boykottieren, Verhindern und
Verteufeln sind längst wichtige Wirtschaftsfaktoren geworden.
Tatsächliche oder vermeintliche Umweltskandale erschüttern Börsenkurse,
die Angst vor Katastrophen treibt Versicherungsprämien hoch und dient
als willkommenes Alibi für neue Steuern und Belastungen der Bürger.
Schlagworte wie „Vorsorgeprinzip“ oder „Nachhaltigkeit“ werden immer
häufiger dazu genutzt, den freien Markt mit staatlichen Regulierungen
außer Kraft zu setzen. Die Medien, die Wissenschaft, die Politik,
Verbände und NGOs sind Akteure in einem Milliardengeschäft mit der Angst
geworden. Mit dem Hinweis auf das Allgemeinwohl werden vielfach
Einzelinteressen bedient. Vor allem geht es auch um die Durchsetzung
gesellschaftlicher Zielvorstellungen. Millionen von Meinungsmachern und
Experten, Forschern und Kontrolleuren, Beamten und Bürokraten leben
mittlerweile von diesem System. So wächst eine neue Klasse heran. Die
NGOs bilden inzwischen den achtgrößte Wirtschaftsbereich der Welt.
Der Begriff „neue Klasse“ wurde von dem jugoslawischen Kommunisten
und späteren Dissidenten Milovan Djilas Ende der fünfziger Jahre in die
Welt gesetzt. Er sollte deutlich machen, dass die Partei-Elite in den
kommunistischen Ländern mehr war als nur eine Nomenklatur etablierter
Ex-Revolutionäre. Die Apparatschiks bildeten eine neue Klasse, die ihre
ökonomische Vormachtstellung und ihre Privilegien sicherte und ausbaute.
Die neue Welt-Klasse der rapide wachsenden supranationalen
Organisationen und endlosen Kettenkonferenzen ist noch nicht soweit.
Doch eines ist ihnen gemeinsam: Niemand hat sie gewählt, und sie
haben keine Basis, gegenüber der sie sich ernsthaft verantworten
müssten. Sie wechseln vom IRK zur WHO, vom WWF zum IWF und zurück. Doch
so losgelöst die neue Klasse auch wirkt, ihre ökonomische Ausstattung
wird aus dem Volksvermögen der Nationen bestritten. „Sie sind,“ sagte
ZEIT-Herausgeber Josef Joffe einmal, „keine staatstragende, aber eine
vom Staat getragene Klasse.“
Und die Europäische Union will deren Stellung noch weiter stärken.
Heute schon werden in Bereichen wie Entwicklungshilfe, Soziales, Umwelt
oder Menschenrechte über NGOs etwa eine Milliarde Euro aus dem EU-Topf
verteilt. Doch was hier als „Zivilgesellschaft“ oder „partizipatorische
Demokratie“ so bürgerfreundlich daher kommt ist äußerst problematisch.
Neben der europäischen Kommission, die nicht gewählt, sondern von
Politikern eingesetzt wird, gibt es praktisch eine weitere, nicht
demokratisch legitimierte Mitspracheebene.
Der ehemalige tschechische Ministerpräsident Václav Klaus warnt schon
seit Jahren vor einem „NGOismus“ und der „Vernebelung demokratischer
Prinzipien“. Er nennt dabei ausdrücklich den „Ökologismus“, der
„Privilegien für organisierte Gruppen“ beanspruche. Dies bedeute nichts
anderes als eine „Re-Feudalisierung
der Gesellschaft“. Und damit sind wir wieder bei einem aktuellen
Beispiel und dem Beginn dieser Serie: Mehr oder weniger sinnlose
Diesel-Fahrverbote, die in erster Linie Menschen betreffen, die
finanziell weniger gut gestellt sind. Dirk Maxeiner
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.