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Dienstag, 14. Juni 2016

Calumniare audacter, aliquid semper haeret!

Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron sorgt sich, der Verfassungsschutz könnte gegen seine Partei in Stellung gebracht werden. Ein solcher Schritt sei für die AfD existenzbedrohend, warnt er. Im Interview mit der JF plädiert Bystron daher, zu klären, was mit der Mitgliedschaft in der AfD vereinbar ist und was nicht.
Herr Bystron, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat erst jüngst erst wieder erklärt, er wolle die AfD nicht beobachten lassen. Weshalb machen Sie sich trotzdem Sorgen, daß dies nicht so bleibt?
Bystron: Wir sehen eine klare Tendenz der Altparteien, die AfD zumindest verbal immer wieder als extremistisch zu bezeichnen. Dazu werden von den Mainstream-Medien immer wieder Bilder kreiert, welche dieses Image festigen. Beste Beispiele hierfür waren der vom Mannheimer Morgen erfundene „Schießbefehl“ von Frauke Petry ebenso wie die von der FAS herbeigeschrieben „Beleidigung“ von Herrn Boateng durch Alexander Gauland. Das funktioniert nach dem Motto: „Tausend Mal wiederholte Lüge wird zur Wahrheit“. Damit soll in der Bevölkerung der Boden für eine spätere tatsächliche Beobachtung vorbereitet werden.
In Bayern ist die Lage besonders drastisch. Die CSU kann uns wegen der vielen inhaltlichen Überschneidungen unserer Programme gar nicht inhaltlich bekämpfen. Daher bleibt ihr nur die Einschüchterung der Wähler. Der bayerische Verfassungsschutz und der Bayerische Rundfunk helfen da kräftig mit. Es hat wirklich absurde Ausmaße erreicht.
Sie müßten Mal die Nachrichtenbeiträge des BR zählen, in denen es heißt: „Die AfD wird noch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet“, nur damit die Konnotationsachse AfD => Verfassungsschutz entsteht. Wenn die genauso oft „Horst Seehofer ist noch nicht zum Rücktritt aufgefordert worden“ verbreitet hätten, wäre der Arme schon lange nicht mehr Ministerpräsident.
Rechnen Sie damit, daß der Verfassungsschutz bis zur Bundestagswahl seine Haltung gegenüber der AfD ändert?
Bystron: Dazu gibt es faktisch keinen Grund. Herr Maaßen hat sich auch wiederholt dagegen verwahrt, daß seine Behörde von politischen Parteien zur Bekämpfung der AfD mißbraucht wird. Es ist auch absurd, uns Verfassungsfeindlichkeit in die Schuhe schieben zu wollen – wir sind die Partei, deren Mitglieder sich am meisten Sorgen um die Einhaltung unserer Gesetze und auch des Grundgesetzes machen. Eigentlich müßte eher die Regierung vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Doch die Realität sieht so aus, daß die Altparteien alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen werden, uns an unserem Weg zur Macht zu behindern. Herr Maaßen wäre nicht der erste Beamte, der plötzlich seinen Hut nehmen müßte. Es findet sich immer jemand, der bereit ist, an seiner Stelle die an ihn gelegten Erwartungen im vorauseilenden Gehorsam zu erfüllen.
Warum ist es für Ihre Partei existenzbedrohend, wenn der Verfassungsschutz gegen Sie in Stellung gebracht wird?
Bystron: Weil dann ein gefährlicher Prozeß beginnt: Beamte und Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst verlassen die Partei, es findet eine Ausgrenzung in der Gesellschaft statt. Das hat schon den Republikanern das Genick gebrochen. Bei denen war die Beobachtung faktisch auch nicht gerechtfertigt. Es hat ihnen aber nichts genützt, als sie sich juristisch dagegen wehrten. Als sie alle Gerichtsverfahren in dieser Sache gewonnen hatten, waren sie bereits politisch völlig bedeutungslos.
Beobachten Sie, daß bereits jetzt Beamte, Polizisten, Soldaten, Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes die Partei verlassen oder gar nicht erst in sie eintreten?
Bystron: Noch ist das Gegenteil der Fall. Durch die offensichtlichen Lügen der Regierung zu dem ganzen Komplex der Zuwanderung kommen sehr viele Polizisten, Feuerwehrleute und andere zu uns, die mit den Migranten im täglichen Leben konfrontiert sind. Sie alle können die enorme Diskrepanz zwischen der offiziell verbreiteten Propaganda und der Realität nicht mehr ertragen.
Bei Beamten aus anderen Bereichen ist jedoch eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Es ist erschreckend, daß wir im Jahr 2016 in der Bundesrepublik solche Zustände haben. Menschen haben Angst, einer demokratischen Partei beizutreten, weil sie deswegen mit Konsequenzen im Berufsleben rechnen müssen. Das gesellschaftliche Klima hier und jetzt gleicht der Stimmung im Ostblock am Vorabend des Zusammenbruchs des Kommunismus.
Droht Ihnen durch die Mediendebatte, die AfD befinde sich auf dem Weg zu einer rechtsradikalen Partei, eine Art „Selbsterfüllende Prophezeiung“, indem gemäßigte Mitglieder die Partei verlassen und radikalere die Oberhand gewinnen?
Bystron: Nein, noch nicht. Wir sind ja eine Partei der gesellschaftlichen Mitte. Unsere Mitglieder sind mehrheitlich überdurchschnittlich gebildet und politisch gemäßigt. Das zeigt sich immer wieder bei allen wichtigen Abstimmungen und Parteitagen. Die radikalen Mitglieder sind eine deutliche Minderheit. Aber sie waren schon immer überproportional laut. Und sie bekommen überproportional viel Aufmerksamkeit der Medien.
Viele von denen versuchen, radikale Positionen unter dem Deckmantel der Redefreiheit in der Partei zu etablieren. Das ist natürlich perfide, denn die Freiheit der Gedanken und des Wortes ist für die meisten von uns ein hohes Gut. Doch nicht alles, was gesagt werden kann, soll und will die AfD als ihre Parteilinie vertreten. Menschen, die bei ihren Äußerungen keine Rücksicht auf das Überleben der Partei nehmen, sind hier falsch am Platz. Sie sollten sich eine andere Plattform suchen, vielleicht eine außerparlamentarische.
Was wollen Sie gegen diese Entwicklung tun?
Bystron: Wir müssen zwei Sachen tun: Erstens möglichst viele Menschen über die Mechanismen aufklären, deren sich die Altparteien bedienen, um uns zu vernichten. Und zweitens müssen wir parteiintern sehr deutlich machen, was mit der AfD-Mitgliedschaft vereinbar ist und was nicht.
In welchen Punkten wünschen Sie sich mehr Klarheit?
Bystron: Die Punkte müssen intern diskutiert werden. Aber Antisemitismus ist sicher ein absolutes „No-Go“, da sind wir uns alle einig.
Gibt es aus Ihrer Sicht auch hausgemachte, objektive Probleme und Fehlentwicklungen in Ihrer Partei?
Bystron: Um Gottes Willen, selbstverständlich machen wir Fehler! Es wäre sehr verwunderlich, wenn dem nicht so wäre. Die AfD macht alle Prozesse durch, die eine neugegründete Partei eben auf dem Weg zum Erwachsenwerden durchmachen muß. Ich habe als Politologe und Kommunikationsberater einige Parteigründungen in mehreren europäischen Ländern begleitet.
Im Vergleich mit den anderen kann ich sagen: Bisher haben wir uns sehr gut geschlagen. Das ist vor allem das Verdienst unserer sehr besonnen agierenden Mitglieder. Die Mehrheit unserer Mitglieder ist sich unserer Verantwortung für dieses Land, ja für ganz Europa bewußt. Und sie handeln auch entsprechend verantwortungsvoll.
Ist die Auseinandersetzung um den Abgeordneten Wolfgang Gedeon in Baden-Württemberg eine Schlüssel-Affäre? Steht die Partei hier an einem entscheidenden Scheideweg?
Bystron: Ich würde es nicht am Fall Gedeon alleine festmachen. Die AfD steht insgesamt auf dem Scheideweg. Der Druck von Außen hat enorm zugenommen. Die Linken, Grünen, SPD und Gewerkschaften hetzen gegen uns in einem für mich früher nicht vorstellbaren Ausmaß. Sie säen Haß und nehmen dabei gezielt eine Spaltung der Gesellschaft in Kauf.
Große Teile der Medien beteiligen sich bereitwillig an diesem Prozeß. Das beste Beispiel dafür ist die Affäre Boateng, bei der die FAS aus einem banalen, rein deskriptiven Satz von Herrn Gauland eine „Beleidigung“ herausgedrechselt hat und die dann postwendend weitere Medien zum Rassismus hochgeschrieben haben.
An der Heftigkeit der Reaktionen sieht man, wie blank die Nerven bei den Politikern der Altparteien liegen. Gaulands Äußerung wurde von der Bundeskanzlerin kommentiert, meine Kritik an der Profitgier der Amtskirchen vom Bundespräsidenten. Wir kämpfen wirklich gegen das ganze Kartell-System der Etablierten – Parteien, Medien, Gewerkschaften, Verbände und Amtskirchen.
Just in dieser Situation sind einige unserer Mitglieder und Funktionäre nach den beeindruckenden Erfolgen der letzten drei Landtagswahlen etwas übermütig geworden. Die wollen nun alle nach vorne stürmen und Tore schießen. Dabei müssen wir aber gerade jetzt wie ein Mann hinten stehen und auf schnelle Konter spielen.
Der Verfassungsschutz hat jetzt im Bund und in den Ländern begonnen, die „Identitäre Bewegung“ wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Bestrebungen zu beobachten. Es gibt Mitglieder der AfD und der Jungen Alternative, die in dieser Organisation aktiv sind. Ist ein Unvereinbarkeitsbeschluß Ihrer Partei notwendig?
Bystron: Das werden wir intern zu diskutieren haben.
Sehen Sie insgesamt in Ihrer Partei die Tendenz zu einem „Überbietungswettkampf“ um die steilste These, den „umstrittensten“ Auslandskontakt? Wer fährt öfter nach Moskau, auf die Krim, wer trifft sich als erster mit Politikern des Front National? Das wirkt alles getrieben von einem schwelenden innerparteilichen Machtkampf.
Bystron: Klar macht der eine oder andere gerne Mal ein gemeinsames Foto für Facebook mit einem ausländischen Politiker. Aber insgesamt ist das kein gravierendes Phänomen. Im Bereich Außenpolitik bewegen sich bei uns nur einige wenige Politiker. Die meisten aus gutem Grund. Marcus Pretzell war in seiner Funktion als Mitglied des Europäischen Parlaments in Moskau. Beatrix von Storch trifft sich mit Nigel Farage, weil sie Kollegen in der gleichen Fraktion sind. Und die Kontakte zum FN finden auch meist auf der Basis normaler Arbeitstreffen im EU-Parlament statt. Man kann keinen internen Machtkampf mit außenpolitischen Treffen gewinnen.
Die AfD muß in der Öffentlichkeit den Wählen eigentlich nicht mehr klar machen, daß sie gegen den Kurs der Bundesregierung in der Frage unkontrollierter Einwanderung steht. Hat die AfD nicht eher das Problem, ihren Ruf zu verteidigen, Wähler auch bis in die Mitte zu erreichen, auch eine Stimme der gut integrierten Migranten zu sein, nicht eine ausländerfeindliche Partei zu sein? Wie kann Ihnen das gelingen?
Bystron: Ja, genau das ist im Moment unser größtes Problem. Wir müssen dem medial erzeugten Bild unserer Partei mit allem Gewicht entgegentreten. Im Empfinden der Menschen sind wir in den letzten Monaten weit nach rechts gerückt. Im Jahr 2014 sahen uns 30 Prozent der Wähler in der Mitte, 38 Prozent rechts oder sehr rechts. Ende 2015 hielten uns bereits 57 Prozent der Wähler für rechts oder sehr rechts. Die Wahrnehmung unserer Mitglieder bleibt dabei jedoch unverändert, sie sehen sich selbst und unsere Partei immer noch in der Mitte.
Das ist auch der Schlüssel zum Erfolg: Wir müssen bei jeder Gelegenheit zeigen, wie wir wirklich sind: bürgerlich, liberal, freiheitsliebend. In einer Studie der Hans Seidel Stiftung heißt es:  „Die AfD steht auf der Links-Rechts-Skala heute da, wo 1998 noch die CDU gestanden hatte.“ Genau das müssen wir auch den Menschen vermitteln.   Petr Bystron

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