Vergangenes
Wochenende hatten wir Freunde zu Besuch. Das Wetter ist schön. Wir
sitzen mit einem Dutzend Gästen auf der Terrasse und trinken Kaffee. Wir
hatten den Kindern eingeschärft: Solange wir hier essen, kommen keine
Nachbarskinder auf unser Grundstück.
Glücklicherweise wimmelt es in der Nachbarschaft von gleichaltrigen
Kindern. An schönen Tagen gleicht das Karree aus Reihen- und
Doppelhäusern einem Ferienlager. Kaum ist der Kuchen angeschnitten,
schnürt ein neunjähriger Junge herüber und fragt fröhlich „Kann ich ein
Stück Kuchen?“ Grimmig erkläre ich: „Jetzt nicht. Wir haben Gäste.“
Tags zuvor wollte ich mit meiner Frau zu Ikea fahren, um ein
Bücherregal für eines der Kinder zu kaufen. Später Samstagnachmittag.
Die Kinder durften zu Hause bleiben, wenn sie brav sind, einen Film
schauen. Der achtjährige Jüngste hatte sich schon ein paar Frechheiten
erlaubt. Daraufhin erklärte ich: Du kommst mit. Großes Gejaule. Wir
fuhren los. Weiter endloses Gejammer.
Wie oft kapitulieren wir Eltern da. Ich: „Du bist jetzt still oder du
kannst einmal ums Auto laufen.“ Er: „Dann mache ich das eben!“ Also
ich: „Los, aussteigen, einmal ums Auto.“ Bockig lief er ums Auto, stieg
ein, jaulte weiter. Einige hundert Meter weiter paßte ich eine
entsprechende Stelle ab und sagte: „Aussteigen, du läufst so lange
hinter dem Auto her, bis du lieb bist.“
Meine Frau stieg aus, nahm ihn an die Hand und lief mit ihm im
Schweinsgalopp die Straße lang, ich mit dem Auto voraus. Einige hundert
Meter später stiegen beide wieder ein, hinter mir mucksmäuschenstill und
nur noch leise schniefend mein kleiner süßer Sohn. Mir blutete das
Herz.
Es ist so: Wenn wir nicht gegensteuern, wenn wir keine Grenzen
setzen, können Kinder nicht wissen, wo es langgeht. Erziehung hat dabei
mit Selbstüberwindung zu tun, es auch auszuhalten, wenn sich das soziale
Umfeld oft wundert, daß man nicht lässiger mit den Kindern umgeht. Oft
ermuntern sich Erwachsene leider gegenseitig lieber zu Nachsicht.
Die Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger ruft im Gespräch mit unserer
Zeitung (und in der ZEIT) uns Eltern auf, Kinder wieder entschiedener zu erziehen, uns
drohe eine Generation von „Tyrannenkindern“, die unfähig seien, sich zu
konzentrieren, sich einzufügen. Statt dessen würden Kinder überbetreut,
zu Prinzen und Prinzessinnen verhätschelt, es würden unersättliche
Narzißten gezüchtet.
Doch Erziehung ist leichter gesagt als getan. Oft siegt die
Bequemlichkeit, fällt es bei eigener Wurschtigkeit schwer, Kindern
Ordnungssinn und korrektes Verhalten abzuverlangen. Und so erziehen
sich, bei entsprechendem Grundwillen, Kinder und Eltern gegenseitig. Den
Kleinen fällt nämlich genau auf, wenn wir uns selbst nicht vorbildlich
verhalten oder gesetzte Maßstäbe nicht einhalten. Nur Mut also! Dieter Stein
Im Deutschlandfunk stößt man auf den unvermeidlichen linken KlugscheißerIn, der/die/das unbedingt einen Pädagogen gegen den anderen ausspielen muss, um das trügerische Gefühl zu haben, kritisch zu sein. Aber ob es nun an Remo Largos "tiefer Bindung" fehlt oder an Leibovici-Mühlbergers "Grenzen", wichtig und rar, wünschenswert und notwendig sind beide geworden und wo das eine fehlt, fehlt meist auch das andere, während Grenzen umso entschiedener gesetzt werden, wo Bindungen tief sind.
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