„Sowohl gläubiger Muslim als auch Befürworter der
freiheitlich-demokratischen Grundwerte sein zu wollen, scheint nur dank
des Segens der Unwissenheit oder mit hartnäckiger Verdrängung oder durch
Aushalten schwindelerregender geistiger Verrenkungen möglich zu sein.“
Das Zitat eines islamophoben, mindestens aber intoleranten Verteidiger
des christlichen Abendlandes? Ein Zitat, welches das Parteiprogramm der
AfD stützt, die ja nicht nur behauptet, der Islam gehöre nicht zu
Deutschland, sondern er sei auch mit unserem Grundgesetz nicht
vereinbar?
Zugegeben, es ist eine ziemlich eindeutige Aussage, die die Hoffnung,
wir könnten durch eigene Lehrstühle für die Islamwissenschaft eine für
deutsche und sogar europäische verträgliche Variante der Lehren aus dem
Koran entwickeln, zunichte macht.
Es widerspricht allen sehr gut deutsch
sprechenden gemäßigten gläubigen Muslimen, die bisher regelmäßig in den
Talkshows der deutschen Fernsehanstalten auftreten. Egal, ob es sich um
die aus Syrien stammende Lehrerin Lamya Kaddor handelt, oder um den
türkisch stämmigen Aiman Masyek, dem Vorsitzende des Zentralrates der
Muslime, der allerdings nur knapp 20 000 Mitglieder vertritt.
Das Zitat fällt über die Vertreter des liberalen Islams vernichtende
Urteile. Ihre Koranauslegung beruhe auf dem „Segen der Unwissenheit“,
fuße auf „hartnäckiger Verdrängung“ und „schwindelerregender geistiger
Verrenkungen“. Das könnte auch so interpretiert werden, dass diese
liberalen Muslime gar keine ernst zu nehmenden Islamkenner seien und
somit auch keine wirklich Gläubigen, die sich auf die Lehren aus dem
Koran berufen könnten. Diese Frage kann hier nicht geklärt werden, denn
sie wurde in der fast 1500 Jahre dauernden Existenz des Islam nie
schlüssig beantwortet.
Dieses Zitat stammt weder aus islamfeindlichen Parteien oder
militanten Christen, es ist das Schlusswort des Islamwissenschaftlers Ufuk Özbe, der in der Zeitschrift für freies Denken und humanistische
Philosophie, die von der Gesellschaft für kritische Philosophie in
Nürnberg herausgegeben wird, eine umfangreiche Studie veröffentlicht
hat, unter dem Titel: „Kritik der liberalen Auslegung des Islam
- die Islamdebatte zwischen politischer Zweckmäßigkeit und
intellektueller Redlichkeit.“ Nach 40 Seiten detaillierter Koranexegese
und 15 Seiten erklärender Fußnoten, steht das vernichtende Zitat als
Ergebnis seiner Arbeit.
Es ist keine leichte Kost. Ufuk Özbe belegt jede seiner Aussagen mit
den entsprechenden Versen des Korans und ordnet die verschiedenen
Quellen und Auslegungen den Islamgelehrten und dem Jahrhundert zu, in
dem sie gelebt und geforscht haben. Ein Beispiel dafür ist die Aussage:
„Geht man nach dem Wortlaut vieler Koranpassagen, hat der Mensch
überhaupt keinen freien Willen. Alles, was jeder Einzelne tut, denkt
glaubt oder will, wird vollständig von Gott festgelegt.“ Ufuk Özbe
analysiert, wie im Laufe der Jahrhunderte Unterscheidungen zwischen
eindeutigen und mehrdeutigen Versen gemacht wurden. So erklärten die
einen, die den freien Willen annahmen, diese Festlegung zu den
mehrdeutigen Versen (mutashabihat) und andere die an die
Vorherbestimmung glaubten, interpretierten diese Passagen in einem
bildlichen Sinne.
Je mehr man sich mit dem Text beschäftigt, umso mehr wird deutlich,
dass der Islam, wie wohl keine andere Kultur der Menschheitsgeschichte
auf eine Schrift fixiert ist. Und gerade deshalb schreibt Ufuk Özbe: "So
stellt der große Islamgelehrte Fachr ad Din ar Razi (1149-1209) in
seiner voluminösen Korankorrektur ernüchternd fest: „Wisse, dass Du
überall nur eines feststellen wirst: Ein jeder zählt nur diejenigen
Verse zu einem eindeutigen (muhkamat), die seinen Überzeugungen
entsprechen und rechnet jene Verse zu den mehrdeutigen (mutashabihat),
welche die gegnerische Schule stützen. So ist der Gang der Dinge.“"
Einfach ausgedrückt: Über Jahrhunderte bis in die Neuzeit liest jeder
aus dem Koran, was ihm gerade in der politischen Auseinandersetzung
nützt. Aber diese Verhaltensweise trifft nicht nur auf die
Islamgelehrten zu.
Dieses Zitat zeigt auch, dass die Streitschrift Ufuk Özbes nicht
einfach zu lesen ist. Viele Begriffe aus der Islamforschung benennt er
auch auf arabisch, viele Widersprüche, die sich aus den verschiedenen
Entstehungszeiten des Korans ergeben, behandelt er sehr im Detail, was
dem Text aber auch gleichzeitig Glaubwürdigkeit verleiht. Sehr hilfreich
sind dabei die Bögen, die Ufuk Özbe schlägt, wenn er die sich über
Jahrhunderte ändernden Gesetzesauslegungen des Korans mit den jeweiligen
herrschenden politischen Verhältnissen verbindet.
Sehr ausführlich behandelt er, die sich aus dem Koran ergebenen
Gesetze der Scharia, die sich vielfach widersprechen. Sehr vereinfacht
ausgedrückt: Die Eingebungen des Propheten Mohammeds in Mekka sind
friedfertiger als die späteren Eingebungen in Medina. Das eröffnet den
vielen Interpretationen der Korantexte auch die Möglichkeit, sich eine
Lesart für westliche Demokratien herauszusuchen. Aber genau diese will
Ufuk Özbe als unhaltbar widerlegen. Denn gleich am Anfang führt er die
beiden entscheidenden Glaubensgrundsätze an:
1. Der Koran sei in seinem mündlichen Wortlaut, abgesehen von der
Anordnung der Suren und den unterschiedlichen Rezitationsvarianten, die
authentische Rede Allahs.
2. Der im Koran zum Ausdruck kommende Wille Allahs sei im Prinzip auch für heutige Gläubige gültig.
Wer die aufgeheizte Debatte in Deutschland und zum Teil auch in
Europa über den Islam verfolgt, trifft auf zwei Lager, die sich
unversöhnlich gegenüberstehen, die aber, folgt man der Studie von Ufuk
Özbe, mehr um politische Vorteile streiten, als sich ernsthaft mit der
Rolle des Islam in einer aufgeklärten Gesellschaft zu beschäftigen. Die
Debatte wird beherrscht von politischer Zweckmäßigkeit mit wenig
intellektueller Redlichkeit. Die Unterdrückung der Frauen, resultierend
aus vorislamischen arabischen Traditionen, wie Voll- und
Teilverschleierung, werden von liberalen Träumern im Westen genauso mit
Religionsfreiheit verwechselt, wie die Unterdrückungsmethoden
autoritärer Potentaten im Namen des Islam.
Um die Begriffe von Ufuk Özbe zu benutzen: Für die Multikulti-Träumer
wäre es wäre politisch zweckmäßig, wenn wir der Bevölkerung weiß machen
könnten, dass es mit einigen liberalen islamischen Lehrstühlen in
Deutschland gelingen könnte, die Jugendlichen vor der Radikalisierung
und dem Terror des islamischen Staates abzuhalten. Auch noch so schöne
Vorstellungen, dass ein Integrationsgesetz und doppelte
Staatsangehörigkeit eine Bindung an Deutschland bewirken könnten, ist
mehr als naiv. Dabei muss noch einmal unterschieden werden, ob die
Spannungen in unserer Gesellschaft aus religiösen oder nationalen
Unverträglichkeiten bestehen. Der Konflikt mit dem türkischen Autokraten
Erdogan wird eher durch dessen Überhöhung des Türkentums geschürt, als
von dem fordernden Auftreten einiger Muslimverbände. Dadurch, das er
gleichzeitig eine Re-Islamisierung der Türkei betreibt, schadet er der
Religion und den vielen Millionen Türken, die sich mittlerweile in
unserm Land wohl fühlen.
Die Vorstellung, wir Westeuropäer oder gar wir Deutsche könnten durch
Abkommen, Lehrstühlen für Islamische Wissenschaften und der Berufung
auf die Religionsfreiheit die zum Teil hasserfüllten
Auseinandersetzungen lösen, die schon zu Lebenszeiten Mohammeds im 7.
Jahrhundert bestanden, ist pure Hybris oder Dummheit. Die öffentliche
Debatte ist eher von politischen Scharmützeln bestimmt: Die einen,
besonders ausgeprägt in der AfD, malen eine drohende Übernahme des
Abendlandes durch den Islam an die Wand und die Gegenseite, die vor
allen von den Grünen, Linken und einigen Freidemokraten besetzt ist,
begegnen dieser intoleranten Religion mit fast unbeschränkter Toleranz.
Beide Positionen werden durch die Palaverrunden der Talkshows eher
verstärkt. Da wird der unausgesprochene Konsens von fast immer denselben
Diskutanten gepflegt. Natürlich gehört dazu die Aussage, der Terror
des Islamischen Staates hat nichts mit dem Islam zu tun. Das ist einfach
lächerlich. Regelmäßig wird da Rassismus und Religion in einen Topf
geworfen. Der Islam ist in vielen Staaten mit sehr unterschiedlichen
Rassen Volksreligion, genauso wie Christen und Buddhisten. Lediglich der
Hinduismus und das Judentum sind ziemlich rassisch geprägt. Diese
Begriffsverwirrungen helfen aber mit, dass sich Fremdenfeindlichkeit
ausbreitet, auf die Hautfarbe, andere Sitten und fremde Religionen.
Deutschland wird bunter, was immer wir auch dafür oder dagegen
unternehmen, aber diese Gesellschaft hat nur dann eine friedfertige
Zukunft, wenn sie kompromisslos die säkularen für alle geltenden Regeln
durchsetzt. Und dagegen wird aus opportunistischen Gründen von den
Islamverniedlichern verstoßen. Alleine schon die Auseinandersetzungen um
diese Religion beweisen: Der Islam gehört mittlerweile zu Deutschland -
ob uns das passt oder nicht. Wir müssen uns mit ihm auseinandersetzen.
Und das bedeutet: Weniger politische Ränkespiele um diese Religion und
mehr unvoreingenommene sachliche Information.
Vor kurzem etablierte sich der neue Landtag von Rheinland-Pfalz. Der
neu gewählte Fraktionsvorsitzende der FDP Thomas Roth hielt ein
flammendes Plädoyer für die Burka, für den Bau von Moscheen und von
Minaretts. Das alles fiel bei ihm unter Religionsfreiheit und die
Verteidigung des Rechtsstaats. Das verband er mit Angriffen auf die
CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, die für ein Burka-Verbot einritt. Ob
Herr Roth aus Asbach im Westerwald sich schon jemals mit dem Islam, mit
der Rolle der Frau in den islamischen Staaten, mit der Scharia intensiv
beschäftigt hat? Aber die Auseinandersetzung mit dieser Religion, die
von den politischen Verhältnissen in den Wüsten des 7. Jahrhunderts
geprägt ist, spaltet zurzeit unsere Gesellschaft. Sie taugt sicher nicht
für politisches Geplänkel in den Provinzparlamenten.
Ist es zu viel gefordert, wenn wir von unseren Politikern verlangen,
sich mit einem solch wichtigen Thema erst zu beschäftigen, bevor sie
reden? Können wir Wähler davon ausgehen, dass die Analyse von Ufuk Özbe
zur Pflichtlektüre wird für Moderatoren - innen, die dank unserer
TV-Gesetze zu den neuen Stichwortgebern der Nation mutiert sind? Wie
schon erwähnt: Die Auseinandersetzungen innerhalb des Islam sind blutig,
fundamental und unüberbrückbar, jedenfalls in den nächsten
Generationen. Je mehr Einwanderer wir aus vom Islam geprägten Staaten
haben, je mehr werden sie ihre Konflikte mitbringen, je mehr werden wir
davon betroffen.
Zwischen dem anbiedernden Spruch: „Der Islam gehört zu Deutschland,“
und der Angst vor der Islamisierung taumelt unsere Politik
orientierungslos herum. Ja, wir sollten unser Grundgesetz zum Maßstab
machen. Dann ist kein Platz für die Einschränkung der Frauenrechte, kein
Platz, dass wir uns den Gepflogenheiten und Traditionen einer mit
vielen Interpretationen zerrissenen Religion anpassen müssen, dann kann
es keine Verhandlungen nicht Verträge mit religiösen Organisation und
Behörden geben, die von autoritären Staaten bezahlt werden und zur
Verbreitung des Islam angehalten sind.
Das betrifft zurzeit vor allem das Diyanet, Ditib und Milli Görüs,
türkische Institutionen, die mehr oder weniger unter dem Irrwisch
Erdogan mit Milliarden ausgestattet werden um den Islam zu verbreiten.
Das Diyanet wurde einst als staatliche Einrichtung zur Verwaltung
religiöser Angelegenheiten gegründet, um die Unterordnung der Religion
unter den Staat zu garantieren. Unter Erdogan ist es jetzt eine Behörde
mit über 100 000 Mitarbeitern, die genau das Gegenteil auf Anweisung
Erdogans und seiner AKP betreibt. Das hat gravierende Auswirkungen auf
das Verhalten tausender Türken gegenüber der Bundesrepublik. Statt
Integration wird hier versucht, das Türkentum als parallele Welt in
Westeuropa zu etablieren.
Über den Islam als Staatsreligion Einfluss zu gewinnen, müssen auch
alle wahhabitischen Institutionen aus Saudi-Arabien und Qatar betrachtet
werden, denen die Finanzierung von Moscheen und Koranschulen in
Deutschland verboten werden muss. Die Ausübung dieser
Koraninterpretation unterscheidet sich nur wenig von dem Islamischen
Staat. Soviel zur These: Der IS habe nichts mit dem Islam zu tun.
Tausend Peitschenhiebe für einen Blogger? Ist das kein Terrorismus?
Nicht nur der Islam, alle Religionen neigen zur Intoleranz und
Spaltung. Ich bin vom Katholizismus sozialisiert (und noch dabei). Ich
weiß von was ich schreibe. Es geht auch nicht darum, friedliche Moslems
an der Ausübung ihrer Religion zu hindern. Es geht darum, die
staatlichen Einrichtungen unserer säkularen Gesellschaft zu stärken und
die Tendenzen der islamischen Eiferer zu stoppen. Und es geht darum, den
Einfluss von islamisch-nationalistischen Staaten auf unsere
Gesetzgebung zu verhindern, egal ob er als Religionsfreiheit getarnt
oder mit rassistischen Argumenten der Blutverbundenheit gefordert wird.
Beides betreibt die Türkei von Erdogan.
Organisationen, die von Ankara bezahlt oder gelenkt werden, sollten
als Vertragspartner über die Ausübung der Religion in Deutschland nicht
akzeptiert werden. Sie stehen alle nicht für eine freiheitliche plurale
Gesellschaft. Dort, wo sie die Mehrheit stellen, unterdrücken sie andere
Religionen und die Toleranz, die sie dort fordern, wo sie in der
Minderheit sind. Es gibt kein islamisches Land, in dem es
uneingeschränkte Religionsfreiheit gibt. In jedem Staat, in dem sie die
Mehrheit oder eine beachtliche Minderheit darstellt, haben sie
durchgesetzt, dass die Scharia, das „angebliche Wort Allahs im Koran“
zum Gesetz wird. Wer aber das Wort Allahs und seine
Interpretationsvarianten verstehen will, sollte die Koranexegese Ufuk
Özbe´s lesen. Günter Ederer
Siehe auch...
ORANIENBURG. Der Bundeselternrat hat moslemischen Eltern Ratschläge
gegeben, wie ihre Kinder den Ramadan mit dem Schullalltag in Einklang
bringen können. „Eltern haben die besten Karten, wenn sie sich mit
anderen zusammenschließen und nicht nur mit ihrem Kind als Einzelfall
argumentieren“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des
Bundeselternrates, Wolfgang Pabel, der Nachrichtenagentur dpa.
Am besten sollten Eltern direkt mit der Schulleitung in Verbindung
treten. Denn „der Klassenlehrer alleine kann es nicht entscheiden“,
betonte Pabel. Gemeinsam könnten sie dann versuchen, einen Gebetsraum
oder erweiterte Unterrichtspausen einrichten zu lassen. Unwahrscheinlich
sei dagegen die Freistellung von Testes oder Prüfungen. „Da hört die
Religionsfreiheit auf“, sagte Pabel.
Manche Schulleitungen würden Vorurteile hegen, warnte der Funktionär.
Lehrer mit Migrationshintergrund könnten hierbei aufklären und dem
entgegenwirken. Der Ramadan dauert in diesem Jahr noch bis zum 4. Juli.
Moslems sollen in dieser Zeit von Tagesbeginn bis Sonnenuntergang auf
Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr verzichten. JF
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