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Samstag, 11. Juni 2016

Ufuk Özbe

„Sowohl gläubiger Muslim als auch Befürworter der freiheitlich-demokratischen Grundwerte sein zu wollen, scheint nur dank des Segens der Unwissenheit oder mit hartnäckiger Verdrängung oder durch Aushalten schwindelerregender geistiger Verrenkungen möglich zu sein.“ Das Zitat eines islamophoben, mindestens aber intoleranten Verteidiger des christlichen Abendlandes? Ein Zitat, welches das Parteiprogramm der AfD stützt, die ja nicht nur behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, sondern er sei auch mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar?

Zugegeben, es ist eine ziemlich eindeutige Aussage, die die Hoffnung, wir könnten durch eigene Lehrstühle für die Islamwissenschaft eine für deutsche und sogar europäische verträgliche Variante der Lehren aus dem Koran entwickeln, zunichte macht.
Es widerspricht allen sehr gut deutsch sprechenden gemäßigten gläubigen Muslimen, die bisher regelmäßig in den Talkshows der deutschen Fernsehanstalten auftreten. Egal, ob es sich um die aus Syrien stammende Lehrerin Lamya Kaddor handelt, oder um den türkisch stämmigen Aiman Masyek, dem Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, der allerdings nur knapp 20 000 Mitglieder vertritt.
Das Zitat fällt über die Vertreter des liberalen Islams vernichtende Urteile. Ihre Koranauslegung beruhe auf dem „Segen der Unwissenheit“, fuße auf „hartnäckiger Verdrängung“ und „schwindelerregender geistiger Verrenkungen“. Das könnte auch so interpretiert werden, dass diese liberalen Muslime gar keine ernst zu nehmenden Islamkenner seien und somit auch keine wirklich Gläubigen, die sich auf die Lehren aus dem Koran berufen könnten. Diese Frage kann hier nicht geklärt werden, denn sie wurde in der fast 1500 Jahre dauernden Existenz des Islam nie schlüssig beantwortet.

Dieses Zitat stammt weder aus islamfeindlichen Parteien oder militanten Christen, es ist das Schlusswort des Islamwissenschaftlers Ufuk Özbe, der in der Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie, die von der Gesellschaft für kritische Philosophie in Nürnberg herausgegeben wird, eine umfangreiche Studie veröffentlicht hat, unter dem Titel: „Kritik der liberalen Auslegung des Islam - die Islamdebatte zwischen politischer Zweckmäßigkeit und intellektueller Redlichkeit.“ Nach 40 Seiten detaillierter Koranexegese und 15 Seiten erklärender Fußnoten, steht das vernichtende Zitat als Ergebnis seiner Arbeit.

Es ist keine leichte Kost. Ufuk Özbe belegt jede seiner Aussagen mit den entsprechenden Versen des Korans und ordnet die verschiedenen Quellen und Auslegungen den Islamgelehrten und dem Jahrhundert zu, in dem sie gelebt und geforscht haben. Ein Beispiel dafür ist die Aussage: „Geht man nach dem Wortlaut vieler Koranpassagen, hat der Mensch überhaupt keinen freien Willen. Alles, was jeder Einzelne tut, denkt glaubt oder will, wird vollständig von Gott festgelegt.“ Ufuk Özbe analysiert, wie im Laufe der Jahrhunderte Unterscheidungen zwischen eindeutigen und mehrdeutigen Versen gemacht wurden. So erklärten die einen, die den freien Willen annahmen, diese Festlegung zu den mehrdeutigen Versen (mutashabihat) und andere die an die Vorherbestimmung glaubten, interpretierten diese Passagen in einem bildlichen Sinne.
Je mehr man sich mit dem Text beschäftigt, umso mehr wird deutlich, dass der Islam, wie wohl keine andere Kultur der Menschheitsgeschichte auf eine Schrift fixiert ist. Und gerade deshalb schreibt Ufuk Özbe: "So stellt der große Islamgelehrte Fachr ad Din ar Razi (1149-1209) in seiner voluminösen Korankorrektur ernüchternd fest: „Wisse, dass Du überall nur eines feststellen wirst: Ein jeder zählt nur diejenigen Verse zu einem eindeutigen (muhkamat), die seinen Überzeugungen entsprechen und rechnet jene Verse zu den mehrdeutigen   (mutashabihat), welche die gegnerische Schule stützen. So ist der Gang der Dinge.“" Einfach ausgedrückt: Über Jahrhunderte bis in die Neuzeit liest jeder aus dem Koran, was ihm gerade in der politischen Auseinandersetzung nützt. Aber diese Verhaltensweise trifft nicht nur auf die Islamgelehrten zu.

Dieses Zitat zeigt auch, dass die Streitschrift Ufuk Özbes nicht einfach zu lesen ist. Viele Begriffe aus der Islamforschung benennt er auch auf arabisch, viele Widersprüche, die sich aus den verschiedenen Entstehungszeiten des Korans ergeben, behandelt er sehr im Detail, was dem Text aber auch gleichzeitig Glaubwürdigkeit verleiht. Sehr hilfreich sind dabei die Bögen, die Ufuk Özbe schlägt, wenn er die sich über Jahrhunderte ändernden Gesetzesauslegungen des Korans mit den jeweiligen herrschenden politischen Verhältnissen verbindet.
Sehr ausführlich behandelt er, die sich aus dem Koran ergebenen Gesetze der Scharia, die sich vielfach widersprechen. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Die Eingebungen des Propheten Mohammeds in Mekka sind friedfertiger als die späteren Eingebungen in Medina. Das eröffnet den vielen Interpretationen der Korantexte auch die Möglichkeit, sich eine Lesart für westliche Demokratien herauszusuchen. Aber genau diese will Ufuk Özbe als unhaltbar widerlegen. Denn gleich am Anfang führt er die beiden entscheidenden Glaubensgrundsätze an:
1. Der Koran sei in seinem mündlichen Wortlaut, abgesehen von der Anordnung der Suren und den unterschiedlichen Rezitationsvarianten, die authentische Rede Allahs.
2. Der im Koran zum Ausdruck kommende Wille Allahs sei im Prinzip auch für heutige Gläubige gültig.
Wer die aufgeheizte Debatte in Deutschland und zum Teil auch in Europa über den Islam verfolgt, trifft auf zwei Lager, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, die aber, folgt man der Studie von Ufuk Özbe, mehr um politische Vorteile streiten, als sich ernsthaft mit der Rolle des Islam in einer aufgeklärten Gesellschaft zu beschäftigen. Die Debatte wird beherrscht von politischer Zweckmäßigkeit mit wenig intellektueller Redlichkeit. Die Unterdrückung der Frauen, resultierend aus vorislamischen arabischen Traditionen, wie Voll- und Teilverschleierung, werden von liberalen Träumern im Westen genauso mit Religionsfreiheit verwechselt, wie die Unterdrückungsmethoden autoritärer Potentaten im Namen des Islam.
Um die Begriffe von Ufuk Özbe zu benutzen: Für die Multikulti-Träumer wäre es wäre politisch zweckmäßig, wenn wir der Bevölkerung weiß machen könnten, dass es mit einigen liberalen islamischen Lehrstühlen in Deutschland gelingen könnte, die Jugendlichen vor der Radikalisierung und dem Terror des islamischen Staates abzuhalten. Auch noch so schöne Vorstellungen, dass ein Integrationsgesetz und doppelte Staatsangehörigkeit eine Bindung an Deutschland bewirken könnten, ist mehr als naiv. Dabei muss noch einmal unterschieden werden, ob die Spannungen in unserer Gesellschaft aus religiösen oder nationalen Unverträglichkeiten bestehen. Der Konflikt mit dem türkischen Autokraten Erdogan wird eher durch dessen Überhöhung des Türkentums geschürt, als von dem fordernden Auftreten einiger Muslimverbände. Dadurch, das er gleichzeitig eine Re-Islamisierung der Türkei betreibt, schadet er der Religion und den vielen Millionen Türken, die sich mittlerweile in unserm Land wohl fühlen.
Die Vorstellung, wir Westeuropäer oder gar wir Deutsche könnten durch Abkommen, Lehrstühlen für Islamische Wissenschaften und der Berufung auf die Religionsfreiheit die zum Teil hasserfüllten Auseinandersetzungen lösen, die schon zu Lebenszeiten Mohammeds im 7. Jahrhundert bestanden, ist pure Hybris oder Dummheit. Die öffentliche Debatte ist eher von politischen Scharmützeln bestimmt: Die einen, besonders ausgeprägt in der AfD, malen eine drohende Übernahme des Abendlandes durch den Islam an die Wand und die Gegenseite, die vor allen von den Grünen, Linken und einigen Freidemokraten besetzt ist, begegnen dieser intoleranten Religion mit fast unbeschränkter Toleranz.

Beide Positionen werden durch die Palaverrunden der Talkshows eher verstärkt. Da wird der unausgesprochene Konsens von fast immer denselben Diskutanten gepflegt.  Natürlich gehört dazu die Aussage, der Terror des Islamischen Staates hat nichts mit dem Islam zu tun. Das ist einfach lächerlich. Regelmäßig wird da Rassismus und Religion in einen Topf geworfen. Der Islam ist in vielen Staaten mit sehr unterschiedlichen Rassen Volksreligion, genauso wie Christen und Buddhisten. Lediglich der Hinduismus und das Judentum sind ziemlich rassisch geprägt. Diese Begriffsverwirrungen helfen aber mit, dass sich Fremdenfeindlichkeit ausbreitet, auf die Hautfarbe, andere Sitten und fremde Religionen.
Deutschland wird bunter, was immer wir auch dafür oder dagegen unternehmen, aber diese Gesellschaft hat nur dann eine friedfertige Zukunft, wenn sie kompromisslos die säkularen für alle geltenden Regeln durchsetzt. Und dagegen wird aus opportunistischen Gründen von den Islamverniedlichern verstoßen. Alleine schon die Auseinandersetzungen um diese Religion beweisen: Der Islam gehört mittlerweile zu Deutschland - ob uns das passt oder nicht. Wir müssen uns mit ihm auseinandersetzen. Und das bedeutet: Weniger politische Ränkespiele um diese Religion und mehr unvoreingenommene sachliche Information.
Vor kurzem etablierte sich der neue Landtag von Rheinland-Pfalz. Der neu gewählte Fraktionsvorsitzende der FDP Thomas Roth hielt ein flammendes Plädoyer für die Burka, für den Bau von Moscheen und von Minaretts. Das alles fiel bei ihm unter Religionsfreiheit und die Verteidigung des Rechtsstaats. Das verband er mit Angriffen auf die CDU-Vorsitzende Julia Klöckner, die für ein Burka-Verbot einritt. Ob Herr Roth aus Asbach im Westerwald sich schon jemals mit dem Islam, mit der Rolle der Frau in den islamischen Staaten, mit der Scharia intensiv beschäftigt hat?  Aber die Auseinandersetzung mit dieser Religion, die von den politischen Verhältnissen in den Wüsten des 7. Jahrhunderts geprägt ist, spaltet zurzeit unsere Gesellschaft. Sie taugt sicher nicht für politisches Geplänkel in den Provinzparlamenten.
Ist es zu viel gefordert, wenn wir von unseren Politikern verlangen, sich mit einem solch wichtigen Thema erst zu beschäftigen, bevor sie reden? Können wir Wähler davon ausgehen, dass die Analyse von Ufuk Özbe zur Pflichtlektüre wird für Moderatoren - innen, die dank unserer TV-Gesetze zu den neuen Stichwortgebern der Nation mutiert sind? Wie schon erwähnt: Die Auseinandersetzungen innerhalb des Islam sind blutig, fundamental und unüberbrückbar, jedenfalls in den nächsten Generationen. Je mehr Einwanderer wir aus vom Islam geprägten Staaten haben, je mehr werden sie ihre Konflikte mitbringen, je mehr werden wir davon betroffen.
Zwischen dem anbiedernden Spruch: „Der Islam gehört zu Deutschland,“ und der Angst vor der Islamisierung taumelt unsere Politik orientierungslos herum. Ja, wir sollten unser Grundgesetz zum Maßstab machen. Dann ist kein Platz für die Einschränkung der Frauenrechte, kein Platz, dass wir uns den Gepflogenheiten und Traditionen einer mit vielen Interpretationen zerrissenen Religion anpassen müssen, dann kann es keine Verhandlungen nicht Verträge mit religiösen Organisation und Behörden geben, die von autoritären Staaten bezahlt werden und zur Verbreitung des Islam angehalten sind.

Das betrifft zurzeit vor allem das Diyanet, Ditib und Milli Görüs, türkische Institutionen, die mehr oder weniger unter dem Irrwisch Erdogan mit Milliarden ausgestattet werden um den Islam zu verbreiten. Das Diyanet wurde einst als staatliche Einrichtung zur Verwaltung religiöser Angelegenheiten gegründet, um die Unterordnung der Religion unter den Staat zu garantieren. Unter Erdogan ist es jetzt eine Behörde mit über 100 000 Mitarbeitern, die genau das Gegenteil auf Anweisung Erdogans und seiner AKP betreibt. Das hat gravierende Auswirkungen auf das Verhalten tausender Türken gegenüber der Bundesrepublik. Statt Integration wird hier versucht, das Türkentum als parallele Welt in Westeuropa zu etablieren.
Über den Islam als Staatsreligion Einfluss zu gewinnen, müssen auch alle wahhabitischen Institutionen aus Saudi-Arabien und Qatar betrachtet werden, denen die Finanzierung von Moscheen und Koranschulen in Deutschland verboten werden muss. Die Ausübung dieser Koraninterpretation unterscheidet sich nur wenig von dem Islamischen Staat. Soviel zur These: Der IS habe nichts mit dem Islam zu tun. Tausend Peitschenhiebe für einen Blogger? Ist das kein Terrorismus?
Nicht nur der Islam, alle Religionen neigen zur Intoleranz und Spaltung. Ich bin vom Katholizismus sozialisiert (und noch dabei). Ich weiß von was ich schreibe. Es geht auch nicht darum, friedliche Moslems an der Ausübung ihrer Religion zu hindern. Es geht darum, die staatlichen Einrichtungen unserer säkularen Gesellschaft zu stärken und die Tendenzen der islamischen Eiferer zu stoppen. Und es geht darum, den Einfluss von islamisch-nationalistischen Staaten auf unsere Gesetzgebung zu verhindern, egal ob er  als Religionsfreiheit getarnt oder mit rassistischen Argumenten der Blutverbundenheit gefordert wird. Beides betreibt die Türkei von Erdogan.
Organisationen, die von Ankara bezahlt oder gelenkt werden, sollten als Vertragspartner über die Ausübung der Religion in Deutschland nicht akzeptiert werden. Sie stehen alle nicht für eine freiheitliche plurale Gesellschaft. Dort, wo sie die Mehrheit stellen, unterdrücken sie andere Religionen und die Toleranz, die sie dort fordern, wo sie in der Minderheit sind. Es gibt kein islamisches Land, in dem es uneingeschränkte Religionsfreiheit gibt. In jedem Staat, in dem sie die Mehrheit oder eine beachtliche Minderheit darstellt, haben sie durchgesetzt, dass die Scharia, das „angebliche Wort Allahs im Koran“ zum Gesetz wird. Wer aber das Wort Allahs und seine Interpretationsvarianten verstehen will, sollte die Koranexegese Ufuk Özbe´s lesen.   Günter Ederer


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ORANIENBURG. Der Bundeselternrat hat moslemischen Eltern Ratschläge gegeben, wie ihre Kinder den Ramadan mit dem Schullalltag in Einklang bringen können. „Eltern haben die besten Karten, wenn sie sich mit anderen zusammenschließen und nicht nur mit ihrem Kind als Einzelfall argumentieren“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrates, Wolfgang Pabel, der Nachrichtenagentur dpa.
Am besten sollten Eltern direkt mit der Schulleitung in Verbindung treten. Denn „der Klassenlehrer alleine kann es nicht entscheiden“, betonte Pabel. Gemeinsam könnten sie dann versuchen, einen Gebetsraum oder erweiterte Unterrichtspausen einrichten zu lassen. Unwahrscheinlich sei dagegen die Freistellung von Testes oder Prüfungen. „Da hört die Religionsfreiheit auf“, sagte Pabel.
Manche Schulleitungen würden Vorurteile hegen, warnte der Funktionär. Lehrer mit Migrationshintergrund könnten hierbei aufklären und dem entgegenwirken. Der Ramadan dauert in diesem Jahr noch bis zum 4. Juli. Moslems sollen in dieser Zeit von Tagesbeginn bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr verzichten.   JF

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