Stationen

Freitag, 10. Juni 2016

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

erlauben Sie uns, Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad, Ihnen in einer wichtigen staatsbürgerlichen Angelegenheit zu schreiben. Wie wir den Medien entnehmen konnten, suchen sie seit kurzem wieder einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Bei der Auswahl der letzten beiden Amtsinhaber haben Sie leider wenig Fortüne gehabt. Verstehen Sie das bitte nicht als Kritik, es war nun einmal so. 

Nun darf es auf keinen Fall einen weiteren Fehlgriff geben. Das bereits angeschlagene Amt des Bundespräsidenten wäre irreparabel beschädigt.

Die Personaldecke auf fast allen Gebieten des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik ist extrem dünn. Das ZDF tut sich schwer, einen Nachfolger für Thomas Gottschalk als Showmaster zu finden. Nicht besser sieht es im Berufsfußball aus, wo Trainer bereits nach wenigen Niederlagen des jeweiligen Vereins gefeuert werden. Wie gewissenhaft muss man da erst vorgehen, wenn es um die Besetzung des höchsten Amtes der Bundesrepublik geht. 

Wir möchten Ihnen dabei gerne helfen. Unser Vorschlag mag Ihnen auf den ersten Blick etwas unkonventionell erscheinen, aber das sollte sie nicht abschrecken. Wer hätte es vor 20 Jahren für möglich gehalten, dass eine Frau, dazu eine frühere Bürgerin der ehemaligen DDR jemals zur Kanzlerin der wiedervereinigten Bundesrepublik gewählt werden würde? Nichts ist unmöglich!
Und etwas, das wir uns heute nicht vorstellen können, kann schon morgen Wirklichkeit sein. Soll heißen: Geben Sie sich einen Ruck und schlagen uns beide, Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad, zur Wahl des Bundespräsidenten vor.

Sagen Sie jetzt bitte nicht, es hätte noch nie eine "Doppelspitze" im Schloss Bellevue gegeben. Das stimmt. Aber es hat auch noch nie einen Bundespräsidenten gegeben, der zurücktreten musste, nachdem eine Staatsanwaltschaft die Aufhebung seiner Immunität beantragt hat.
Es gibt einige wichtige Punkte, die für uns sprechen. Bei genauer Würdigung dieser Punkte kommen Sie an uns nicht vorbei.
Einer von uns beiden ist Akademiker mit abgeschlossenen Studium, der andere ein Autodidakt. Wir repräsentieren die Symbiose aus theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung. Keiner von uns gehört einer Partei an, beide stehen wir mit beiden Füßen fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Was uns für das Amt des Bundespräsidenten am meisten qualifiziert, ist unser jeweiliger Migrationshintergrund. Einer von uns wurde in Ägypten, der andere in Polen geboren. Wir sind Musterbeispiele für gelungene Integration und für ein multikulturelles Leben, zusammen sprechen wir sieben Sprachen: Arabisch, Polnisch, Englisch, Französisch, Japanisch, Hebräisch – und natürlich Deutsch.
Wir haben bewiesen, dass man trotz der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen und Konfessionen friedlich und produktiv zusammen leben und arbeiten kann – in der zehnteiligen ARD-Serie "Die Deutschland-Safari".

Uns in das Präsidialamt zu wählen, wäre ein Signal, das die Welt aufhorchen ließe. Noch nie sind ein Moslem und ein Jude zusammen Präsident eines Landes geworden. Es wäre auch keine finanzielle Mehrbelastung für die Bundesrepublik, da wir uns ein Einkommen teilen würden. Allerdings müsste die Küche im Schloss Bellevue so eingerichtet werden, dass man dort Speisen zubereiten kann, die entweder halal oder koscher sind oder am besten beides.

Seien Sie versichert, dass wir es ernst meinen. Wir verdanken Deutschland viel und möchten Deutschland dienen – nach bestem Wissen und Gewissen.

Ihre Mitbürger Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samad  (Welt)

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