In seiner "Gegenaufklärungs"-Kolumne macht Karlheinz Weißmann darauf aufmerksam, dass der FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube im Rahmen seines bislang schon von hoher Elastizität
zeugenden zeitgeistkonformen Stretchingprogramms nunmehr nach der
"Identität" auch das "Volk" unter der Kategorie "Konstrukt" und damit in
jenen von semantischen Taliban errichteten Zellentrakt einsortiere, wo
ja viel elementarere Entitäten wie Männlichkeit und Weiblichkeit bereits
bedröppelt einsitzen.
Weißmann stellt die Frage, warum Kaube nicht
auffalle, dass lange vor einer recht handfesten Sache wie dem Volk doch
eher wachsweiche Postulate wie der "Universalismus" und die
"Menschenrechte" als "Konstrukte" überführt und dem Abgeräumtwerden
preisgegeben werden müssten.
Aber natürlich ist Weißmann klar, dass in
diesen Kreisen gilt: Was Konstrukt ist, bestimmen wir! (Ob Kaube, am
Rande und apropos, auch die Juden für ein Konstrukt hält? 3000 Jahre
Konstrukt, nun langt's aber allmählich? Und erklärt er den Islam
ebenfalls zum sozialen Konstrukt, ich meine: coram publico? Was
immerhin insofern anschlussfähig wäre, als sich dann die Drohfähigkeit
als letzte und ultimative Differenz zwischen all den sozialen
Konstrukten festmachen ließe.)
Merke denn also: Die Würde des
Menschen ist nicht unantastbar, sondern ein soziales Konstrukt. Gerade
in Zeiten, da importierte soziale Konstrukte eingesessenen sozialen
Konstrukten seriell an die höchst reale Wäsche gehen, scheint dieser
konstruktivistische, jedenfalls konstruktive Hinweis geboten. Und ist es
nicht phänomenal, wenn importierte soziale Konstrukte autochtone
soziale Konstrukte vergleichbar seriell bestehlen, berauben oder ihnen
auf den Kopf treten, getreulich entlang der gottlob nur konstruierten
Fremdheitslinien? Ob unser soziales Konstrukt irgendwann dagegen, hui,
aufsteht und seine Dingens schließt? Oder lässt es sich am Ende von
Parolen der semantischen Selbstmordattentäter mürbe machen? MK am 10. Juni 2016
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