Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag gleich mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) abgewiesen.
Das Instrument ermächtigt die Bank, notfalls unbegrenzt kurzläufige
Staatsanleihen von EU-Krisenstaaten zu kaufen. Seit seiner Einführung im
Jahr 2012 laufen nicht nur in Deutschland die Hüter der nationalen
Souveränität dagegen Sturm. 2013 argumentierte der damalige Präsident
des Münchener ifo Instituts, Hans-Werner Sinn, der OMT-Beschluß sei im
Kern eine wirtschaftspolitische und keine geldpolitische Maßnahme und
liege außerhalb der EZB-Befugnisse.
Das Programm unterliege keiner demokratischen Kontrolle und komme der
verbotenen monetären Staatsfinanzierung gleich. Außerdem führe es
tendenziell zu einer erheblichen Vermögensumverteilung unter den
Euro-Staaten. Im Februar 2014 erklärte dann das
Bundesverfassungsgericht, die EZB habe mit dem OMT-Programm ihre
Kompetenzen überschritten. Allerdings vollbrachte der Karlsruher Senat
das Kunststück, das OMT-Programm zwar mit Blick auf Deutschland als
verfassungswidrig abzutun, es im europäischen Kontext hingegen als
„rechtskonform auslegbar“ einzustufen.
Entsprechend verwiesen die Richter den Fall an den Europäischen
Gerichtshof in Luxemburg, der im Juni 2015 die gewünschte Auslegung
lieferte. Neben einigen technischen Rahmenbedingungen läuft sie darauf
hinaus, daß die EZB sich ihre Ziele selbst setzen kann, dann aber
„verhältnismäßig“ handeln muß. Ihr Tätigwerden müsse „mit hinreichenden
Garantien“ versehen sein, um sicherzustellen, daß kein Verstoß gegen das
Verbot der monetären Finanzierung vorliege.
Die heute präsentierte Ablehnung der Verfassungsbeschwerden
rekurriert auf dieses EGH-Urteil. In dessen Rahmen, so die Karlsruher
Richter, verstoße das OMT-Programm weder gegen die haushaltspolitische
Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages noch überschreite die EZB
damit „offensichtlich“ ihre Kompetenzen. Ein verfassungsrechtlich
relevantes Risiko für das Budgetrecht des Deutschen Bundestags sei unter
diesen Bedingungen nicht erkennbar.
Das Ganze erinnert an ein Hütchenspiel. Die deutsche Höchstinstanz,
das Bundesverfassungsgericht, bewertet einen Sachverhalt als
verfassungswidrig, delegiert den Fall an den Europäischen Gerichtshof
und bestätigt dann dessen – relativierendes – Urteil mit scheinbar
letztinstanzlicher Autorität. Der Bürger reibt sich die Augen und fragt:
Unter welchem Hütchen steckt jetzt eigentlich der Souverän?
Im Februar 2014, unmittelbar nach dem ersten Verdikt des
Verfassungsgerichts, prophezeite Hans-Werner Sinn noch, die „Politik der
augenzwinkernden Zustimmung zur Politik der EZB, mit der Kanzlerin
Merkel der Bundesbank in den Rücken gefallen ist, dürfte damit an ihre
Grenzen gekommen sein.“ Von wegen. Wenn jemand im politischen Geschäft
die Quadratur des Kreises beherrscht, dann Angela Merkel. Daß ihr das
Spiel gelingt, hat einen Grund: Auf den Märkten wirkt die Möglichkeit
der Anleihenkäufe wie einst die nukleare Abschreckung: psychologisch.
Die Probe aufs Exempel steht noch aus, schließlich hat die EZB noch
keine einzige OMT-Transaktion getätigt. Es wäre vielleicht gut, wenn es
dabei bliebe. Thomas Fasbender
JF
Von Russland aus gesehen
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