Vollkommen daneben lag ich in der vergangenen Woche mit der
Behauptung, die AfD gehe im Falle der Affäre Gedeon und dessen
antisemitischen Veröffentlichungen geschlossen vor. Das Gegenteil ist
der Fall. Es tritt stattdessen ein Machtkampf hervor, der an Schärfe an
den Konflikt heranreicht, den die junge Partei Anfang des vergangenen
Jahres um ihren Frontmann Lucke durchlebt hat.
Von kollegialer Zusammenarbeit im Bundesvorstand kann schon lange
keine Rede mehr sein. Mehr als zwei Fraktionen an der Spitze belauern
sich gegenseitig, warten auf passende Gelegenheiten, um die jeweils
andere unschädlich zu machen.
An erster Stelle sind dies die beiden Bundessprecher Frauke Petry und
Jörg Meuthen. Petry ist das bundesweit bekannteste Gesicht der Partei,
sie mußte aber auf dem Stuttgarter Parteitag wahrnehmen, daß ihr Meuthen
an Statur und Zustimmung inzwischen ebenbürtig geworden ist. Das konnte
schon Lucke bei Petry nicht ertragen, und das erträgt Petry offenbar
nun bei Meuthen nicht. Wer beide befragt, wird zwei entgegengesetzte
Versionen hören, wer wann mit welchen Zurücksetzungen angefangen haben
soll.
Wahrscheinlich ist das alles allzumenschlich und gruppendynamisch
vorhersehbar: Aber, das sei aus dem Publikum hinaufgerufen, es ist ein
erbärmliches Affentheater, das Personen an der Spitze der AfD bieten,
die angetreten sind, Deutschland zu erneuern und die ihre eigene Person
eigentlich diszipliniert den Herausforderungen des Landes unterordnen
müßten.
Wenn in der kommenden Woche Meuthen beim Versuch, den untragbar
gewordenen Abgeordneten Gedeon loszuwerden, scheitern sollte, dann
dürften auch Emissäre von Petry ihre Hände im Spiel gehabt haben – sagen
Gerüchte aus dem Meuthen-Umfeld. Umgekehrt beobachtet die
Petry-Fraktion mit Empörung, daß sich Meuthen gemeinsam mit Alexander
Gauland ausgerechnet auf ein Bündnis mit dem Rechtsaußenflügel um den
für seine unfreiwillig komischen Volksreden berühmten Björn Höcke
einläßt – nur um Petry, die eine Gegnerin Höckes ist, auszubremsen.
Ist das Tischtuch erst einmal zerschnitten, der Kopf vom Kampf um die
Macht vernebelt, operieren manche nach der Devise: „Der Feind meines
Feindes ist mein Freund.“ Ob dabei die charakterliche Integrität und
inhaltliche Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt, wird dann
nachrangig. Lachender Dritter dieses überflüssigen Machtkampfes werden
im Zweifel andere sein, die übrigens das ihre tun, um den Konflikt zu
befeuern. Ein Mittler scheint nicht in Sicht.
Der Fall Gedeon wäre für die AfD eigentlich ein Glücksfall, zu
klären, wofür sie moralisch, geschichtspolitisch, inhaltlich steht.
Diese Chance wird, das steht leider zu befürchten, einem absurden
Machtkampf geopfert. Dieter Stein
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