Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron sorgt sich, der
Verfassungsschutz könnte gegen seine Partei in Stellung gebracht werden.
Ein solcher Schritt sei für die AfD existenzbedrohend, warnt er. Im
Interview mit der JF plädiert Bystron daher, zu klären, was mit der
Mitgliedschaft in der AfD vereinbar ist und was nicht.
Herr Bystron, der Präsident des Bundesamtes für
Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat erst jüngst erst wieder
erklärt, er wolle die AfD nicht beobachten lassen. Weshalb machen Sie
sich trotzdem Sorgen, daß dies nicht so bleibt?
Bystron: Wir sehen eine klare Tendenz der
Altparteien, die AfD zumindest verbal immer wieder als extremistisch zu
bezeichnen. Dazu werden von den Mainstream-Medien immer wieder Bilder
kreiert, welche dieses Image festigen. Beste Beispiele hierfür waren der
vom Mannheimer Morgen erfundene „Schießbefehl“ von Frauke Petry ebenso wie die von der FAS
herbeigeschrieben „Beleidigung“ von Herrn Boateng durch Alexander
Gauland. Das funktioniert nach dem Motto: „Tausend Mal wiederholte Lüge
wird zur Wahrheit“. Damit soll in der Bevölkerung der Boden für eine
spätere tatsächliche Beobachtung vorbereitet werden.
In Bayern ist die Lage besonders drastisch. Die CSU kann uns wegen
der vielen inhaltlichen Überschneidungen unserer Programme gar nicht
inhaltlich bekämpfen. Daher bleibt ihr nur die Einschüchterung der
Wähler. Der bayerische Verfassungsschutz und der Bayerische Rundfunk
helfen da kräftig mit. Es hat wirklich absurde Ausmaße erreicht.
Sie müßten Mal die Nachrichtenbeiträge des BR zählen, in denen es
heißt: „Die AfD wird noch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet“, nur
damit die Konnotationsachse AfD => Verfassungsschutz entsteht. Wenn die
genauso oft „Horst Seehofer ist noch nicht zum Rücktritt aufgefordert
worden“ verbreitet hätten, wäre der Arme schon lange nicht mehr
Ministerpräsident.
Rechnen Sie damit, daß der Verfassungsschutz bis zur Bundestagswahl seine Haltung gegenüber der AfD ändert?
Bystron: Dazu gibt es faktisch keinen Grund. Herr
Maaßen hat sich auch wiederholt dagegen verwahrt, daß seine Behörde von
politischen Parteien zur Bekämpfung der AfD mißbraucht wird. Es ist auch
absurd, uns Verfassungsfeindlichkeit in die Schuhe schieben zu wollen –
wir sind die Partei, deren Mitglieder sich am meisten Sorgen um die
Einhaltung unserer Gesetze und auch des Grundgesetzes machen. Eigentlich
müßte eher die Regierung vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Doch die Realität sieht so aus, daß die Altparteien alle ihnen zur
Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen werden, uns an unserem Weg zur
Macht zu behindern. Herr Maaßen wäre nicht der erste Beamte, der
plötzlich seinen Hut nehmen müßte. Es findet sich immer jemand, der
bereit ist, an seiner Stelle die an ihn gelegten Erwartungen im
vorauseilenden Gehorsam zu erfüllen.
Warum ist es für Ihre Partei existenzbedrohend, wenn der Verfassungsschutz gegen Sie in Stellung gebracht wird?
Bystron: Weil dann ein gefährlicher Prozeß beginnt:
Beamte und Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst verlassen die Partei, es
findet eine Ausgrenzung in der Gesellschaft statt. Das hat schon den
Republikanern das Genick gebrochen. Bei denen war die
Beobachtung faktisch auch nicht gerechtfertigt. Es hat ihnen aber nichts
genützt, als sie sich juristisch dagegen wehrten. Als sie alle
Gerichtsverfahren in dieser Sache gewonnen hatten, waren sie bereits
politisch völlig bedeutungslos.
Beobachten Sie, daß bereits jetzt Beamte, Polizisten, Soldaten,
Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes die Partei verlassen oder gar
nicht erst in sie eintreten?
Bystron: Noch ist das Gegenteil der Fall. Durch die
offensichtlichen Lügen der Regierung zu dem ganzen Komplex der
Zuwanderung kommen sehr viele Polizisten, Feuerwehrleute und andere zu
uns, die mit den Migranten im täglichen Leben konfrontiert sind. Sie
alle können die enorme Diskrepanz zwischen der offiziell verbreiteten
Propaganda und der Realität nicht mehr ertragen.
Bei Beamten aus anderen Bereichen ist jedoch eine gewisse
Zurückhaltung spürbar. Es ist erschreckend, daß wir im Jahr 2016 in der
Bundesrepublik solche Zustände haben. Menschen haben Angst, einer
demokratischen Partei beizutreten, weil sie deswegen mit Konsequenzen im
Berufsleben rechnen müssen. Das gesellschaftliche Klima hier und jetzt
gleicht der Stimmung im Ostblock am Vorabend des Zusammenbruchs des
Kommunismus.
Droht Ihnen durch die Mediendebatte, die AfD befinde sich auf dem
Weg zu einer rechtsradikalen Partei, eine Art „Selbsterfüllende
Prophezeiung“, indem gemäßigte Mitglieder die Partei verlassen und
radikalere die Oberhand gewinnen?
Bystron: Nein, noch nicht. Wir sind ja eine Partei
der gesellschaftlichen Mitte. Unsere Mitglieder sind mehrheitlich
überdurchschnittlich gebildet und politisch gemäßigt. Das zeigt sich
immer wieder bei allen wichtigen Abstimmungen und Parteitagen. Die
radikalen Mitglieder sind eine deutliche Minderheit. Aber sie waren
schon immer überproportional laut. Und sie bekommen überproportional
viel Aufmerksamkeit der Medien.
Viele von denen versuchen, radikale Positionen unter dem Deckmantel
der Redefreiheit in der Partei zu etablieren. Das ist natürlich perfide,
denn die Freiheit der Gedanken und des Wortes ist für die meisten von
uns ein hohes Gut. Doch nicht alles, was gesagt werden kann, soll und
will die AfD als ihre Parteilinie vertreten. Menschen, die bei ihren
Äußerungen keine Rücksicht auf das Überleben der Partei nehmen, sind
hier falsch am Platz. Sie sollten sich eine andere Plattform suchen,
vielleicht eine außerparlamentarische.
Was wollen Sie gegen diese Entwicklung tun?
Bystron: Wir müssen zwei Sachen tun: Erstens
möglichst viele Menschen über die Mechanismen aufklären, deren sich die
Altparteien bedienen, um uns zu vernichten. Und zweitens müssen wir
parteiintern sehr deutlich machen, was mit der AfD-Mitgliedschaft
vereinbar ist und was nicht.
In welchen Punkten wünschen Sie sich mehr Klarheit?
Bystron: Die Punkte müssen intern diskutiert werden. Aber Antisemitismus ist sicher ein absolutes „No-Go“, da sind wir uns alle einig.
Gibt es aus Ihrer Sicht auch hausgemachte, objektive Probleme und Fehlentwicklungen in Ihrer Partei?
Bystron: Um Gottes Willen, selbstverständlich machen
wir Fehler! Es wäre sehr verwunderlich, wenn dem nicht so wäre. Die AfD
macht alle Prozesse durch, die eine neugegründete Partei eben auf dem
Weg zum Erwachsenwerden durchmachen muß. Ich habe als Politologe und
Kommunikationsberater einige Parteigründungen in mehreren europäischen
Ländern begleitet.
Im Vergleich mit den anderen kann ich sagen: Bisher haben wir uns
sehr gut geschlagen. Das ist vor allem das Verdienst unserer sehr
besonnen agierenden Mitglieder. Die Mehrheit unserer Mitglieder ist sich
unserer Verantwortung für dieses Land, ja für ganz Europa bewußt. Und
sie handeln auch entsprechend verantwortungsvoll.
Ist die Auseinandersetzung um den Abgeordneten Wolfgang Gedeon in
Baden-Württemberg eine Schlüssel-Affäre? Steht die Partei hier an einem
entscheidenden Scheideweg?
Bystron: Ich würde es nicht am Fall Gedeon alleine
festmachen. Die AfD steht insgesamt auf dem Scheideweg. Der Druck von
Außen hat enorm zugenommen. Die Linken, Grünen, SPD und Gewerkschaften
hetzen gegen uns in einem für mich früher nicht vorstellbaren Ausmaß.
Sie säen Haß und nehmen dabei gezielt eine Spaltung der Gesellschaft in
Kauf.
Große Teile der Medien beteiligen sich bereitwillig an diesem Prozeß.
Das beste Beispiel dafür ist die Affäre Boateng, bei der die FAS
aus einem banalen, rein deskriptiven Satz von Herrn Gauland eine
„Beleidigung“ herausgedrechselt hat und die dann postwendend weitere
Medien zum Rassismus hochgeschrieben haben.
An der Heftigkeit der Reaktionen sieht man, wie blank die Nerven bei
den Politikern der Altparteien liegen. Gaulands Äußerung wurde von der
Bundeskanzlerin kommentiert, meine Kritik an der Profitgier der
Amtskirchen vom Bundespräsidenten. Wir kämpfen wirklich gegen das ganze
Kartell-System der Etablierten – Parteien, Medien, Gewerkschaften,
Verbände und Amtskirchen.
Just in dieser Situation sind einige unserer Mitglieder und
Funktionäre nach den beeindruckenden Erfolgen der letzten drei
Landtagswahlen etwas übermütig geworden. Die wollen nun alle nach vorne
stürmen und Tore schießen. Dabei müssen wir aber gerade jetzt wie ein
Mann hinten stehen und auf schnelle Konter spielen.
Der Verfassungsschutz hat jetzt im Bund und in den Ländern
begonnen, die „Identitäre Bewegung“ wegen des Verdachts auf
rechtsextremistische Bestrebungen zu beobachten. Es gibt Mitglieder der
AfD und der Jungen Alternative, die in dieser Organisation aktiv sind.
Ist ein Unvereinbarkeitsbeschluß Ihrer Partei notwendig?
Bystron: Das werden wir intern zu diskutieren haben.
Sehen Sie insgesamt in Ihrer Partei die Tendenz zu einem
„Überbietungswettkampf“ um die steilste These, den „umstrittensten“
Auslandskontakt? Wer fährt öfter nach Moskau, auf die Krim, wer trifft
sich als erster mit Politikern des Front National? Das wirkt alles
getrieben von einem schwelenden innerparteilichen Machtkampf.
Bystron: Klar macht der eine oder andere gerne Mal
ein gemeinsames Foto für Facebook mit einem ausländischen Politiker.
Aber insgesamt ist das kein gravierendes Phänomen. Im Bereich
Außenpolitik bewegen sich bei uns nur einige wenige Politiker. Die
meisten aus gutem Grund. Marcus Pretzell war in seiner Funktion als
Mitglied des Europäischen Parlaments in Moskau. Beatrix von Storch
trifft sich mit Nigel Farage, weil sie Kollegen in der gleichen Fraktion
sind. Und die Kontakte zum FN finden auch meist auf der Basis normaler
Arbeitstreffen im EU-Parlament statt. Man kann keinen internen
Machtkampf mit außenpolitischen Treffen gewinnen.
Die AfD muß in der Öffentlichkeit den Wählen eigentlich nicht
mehr klar machen, daß sie gegen den Kurs der Bundesregierung in der
Frage unkontrollierter Einwanderung steht. Hat die AfD nicht eher das
Problem, ihren Ruf zu verteidigen, Wähler auch bis in die Mitte zu
erreichen, auch eine Stimme der gut integrierten Migranten zu sein,
nicht eine ausländerfeindliche Partei zu sein? Wie kann Ihnen das
gelingen?
Bystron: Ja, genau das ist im Moment unser größtes
Problem. Wir müssen dem medial erzeugten Bild unserer Partei mit allem
Gewicht entgegentreten. Im Empfinden der Menschen sind wir in den
letzten Monaten weit nach rechts gerückt. Im Jahr 2014 sahen uns 30
Prozent der Wähler in der Mitte, 38 Prozent rechts oder sehr rechts.
Ende 2015 hielten uns bereits 57 Prozent der Wähler für rechts oder sehr
rechts. Die Wahrnehmung unserer Mitglieder bleibt dabei jedoch
unverändert, sie sehen sich selbst und unsere Partei immer noch in der
Mitte.
Das ist auch der Schlüssel zum Erfolg: Wir müssen bei jeder
Gelegenheit zeigen, wie wir wirklich sind: bürgerlich, liberal,
freiheitsliebend. In einer Studie der Hans Seidel Stiftung heißt es:
„Die AfD steht auf der Links-Rechts-Skala heute da, wo 1998 noch die
CDU gestanden hatte.“ Genau das müssen wir auch den Menschen vermitteln. Petr Bystron
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