Theoretisch ist alles klar geregelt. Nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2
des Grundgesetzes sind die Bundestagsabgeordneten „Vertreter des ganzen
Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen
unterworfen“. Weitere Artikel regeln, wie sie die Gesetze zu beschließen
haben.
Die Realität ist längst eine andere. Rund 50 Prozent der Gesetze, so
schreibt Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber, sind in die Kompetenz
der Europäischen Union übergegangen. Es sind die wichtigen
Politikbereiche, die dem Bundestag aus den Händen genommen worden sind.
Der Bundestag muß die aus Brüssel kommenden Richtlinien eins zu eins
umsetzen. Zu ändern haben die Abgeordneten nichts, Ablehnung wäre ein
Verstoß gegen europäisches Recht.
Die Bundesregierung übernimmt parlamentarische Rechte. Huber beschreibt, wie die Bundesregierung selbst zum Gesetzgeber wird
und frühere parlamentarische Rechte übernimmt: Die Regierung sei über
den Europäischen Ministerrat „zudem Gesetzgeber; als solcher kann sie
Bundestag und Bundesrat nicht nur binden, sondern Angelegenheiten, die
sie unter den scharfen Augen der nationalen Öffentlichkeit nicht
verhandeln will, über die europäische Bande spielen. Die Beispiele sind
Legion.
Abgeordnete bedienen die regionalen Medien, sorgen in den
Parteigremien für Ruhe, beherrschen den regionalen öffentlichen Raum und
werden mit Personal, Diäten und einer üppigen Altersversorgung
entlohnt. Wer der Regentschaft besonders gut den Rücken freihält, wird
Parlamentarischer Staatssekretär und bekommt noch mehr Geld und Rente
sowie einen Dienstwagen mit Fahrer.
Wahlen spielen übrigens keine Rolle. Sollte einer der Landvögte dem
Kollegen der anderen Partei unterliegen, sieht man sich trotzdem in
Berlin wieder. Der unterlegene Bewerber rückt über die Reserveliste
wieder ein. Bei kleineren Parteien kommen fast alle Bewerber über die
Liste. Abgesehen vom FDP-Ausrutscher 2013 funktioniert das System.
Gefährlich wird es für dieses fein austarierte Privilegien- und
Pfründensystem, wenn neue Konkurrenten an die Fleischtöpfe wollen und
Abwahl und Armut in jungen Jahren drohen. JF
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